Die Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Falls sind Prinzessin Caroline von Hannover, Tochter des verstorbenen Fürsten Rainier III von Monaco, und ihr Ehemann, Prinz Ernst August von Hannover.
Seit den frühen 1990er Jahren bemüht sich Prinzessin Caroline, die Veröffentlichung von Fotos, die ihr Privatleben abbilden, in der Presse zu unterbinden. Zwei Fotoserien, die 1993 bzw. 1997 in deutschen Zeitschriften erschienen, waren Gegenstand von drei Verfahren vor deutschen Gerichten. In Leiturteilen des Bundesgerichtshofs 1995 und des Bundesverfassungsgerichts 1999 wurden ihre Beschwerden zurückgewiesen. Diese Verfahren waren Gegenstand eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 im Verfahren Caroline von Hannover gegen Deutschland , in dem der Gerichtshof feststellte, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte gegen das Recht Prinzessin Carolines auf Achtung ihres Privatlebens nach Artikel 8 EMRK verstießen.
Unter Berufung auf dieses Urteil klagten Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August in der Folgezeit in mehreren Verfahren vor den deutschen Zivilgerichten auf eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung weiterer Fotos, die zwischen 2002 und 2004 in den Zeitschriften Frau im Spiegel und Frau Aktuell erschienen waren. Die Bilder zeigten die Beschwerdeführer während eines Skiurlaubs und waren ohne ihre Einwilligung aufgenommen worden.
Der Bundesgerichtshof gab der Beschwerde im Hinblick auf zwei der veröffentlichten Fotos in einem Urteil vom 6. März 2007 statt – da sie nicht zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse beitrügen – wies sie aber zurück im Hinblick auf ein im Februar 2002 in der Zeitschrift Frau im Spiegel erschienenes Foto. Es zeigte das Paar bei einem Spaziergang während seines Skiurlaubs in St. Moritz und wurde u.a. von einem Artikel über den schlechten Gesundheitszustand des Fürsten Rainier von Monaco begleitet. Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass die Erkrankung des Fürsten eine Frage von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse sei und dass die Presse darüber berichten dürfe, wie seine Kinder ihre familiären Pflichten mit dem berechtigten Bedürfnis Urlaub zu machen, vereinbarten. In einem Urteil vom 26. Februar 2008 wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde von Prinzessin Caroline ab; insbesondere wies es den Vorwurf als unbegründet zurück, die deutschen Gerichte hätten die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte missachtet oder nicht ausreichend berücksichtigt. Am 16. Juni 2008 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ab, weitere Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zur Entscheidung anzunehmen, die dasselbe und ein ähnliches, in Frau aktuell erschienenes Foto betrafen.
Unter Berufung auf ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 EMRK) beklagten sich Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August von Hannover, dass die deutschen Gerichte die weitere Veröffentlichung des umstrittenen Fotos nicht unterbunden hatten, und machten geltend, die deutschen Gerichte hätten das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren Caroline von Hannover gegen Deutschland von 2004 nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Beschwerden von Prinzessin Caroline und ihrem Ehemann, Prinz Ernst August von Hannover wurden am 22. August bzw. 15. Dezember 2008 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt.
Es war nicht Aufgabe des Gerichtshofs, zu prüfen, ob Deutschland seinen Verpflichtungen bei der Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs im Verfahren Caroline von Hannover gegen Deutschland von 2004 nachgekommen war, da dies in der Verantwortung des Ministerkomitees des Europarats liegt. Das Urteil betrifft nur die jüngeren von den Beschwerdeführern angestrengten Verfahren.
Der Gerichtshof nahm zur Kenntnis, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung in Folge des EGMR-Urteils im Verfahren Caroline von Hannover gegen Deutschland von 2004 geändert hatte. Insbesondere hatte er darauf hingewiesen, dass es eine Rolle spiele, ob die Berichterstattung eines Artikels in den Medien zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beitrage, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgehe. Der Bundesgerichtshof hatte unterstrichen, dass je größer der Informationswert für die Allgemeinheit sei, desto geringer der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen vor der Veröffentlichung wiege - und umgekehrt - und dass das Interesse des Lesers an Unterhaltung grundsätzlich geringer wiege als das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre. Das Bundesverfassungsgericht hatte diesen Ansatz bestätigt.
Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof den Informationswert des fraglichen Fotos – des einzigen, gegen dessen Veröffentlichung er keine einstweilige Verfügung verhängt hatte – im Lichte des zusammen mit dem Foto veröffentlichten Artikels beurteilt hatte, war nach der Konvention nicht zu beanstanden. Der Gerichtshof war bereit anzuerkennen, dass das Foto im Zusammenhang mit dem Artikel zumindest in einem gewissen Maße zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitrug. Dass die deutschen Gerichte die Erkrankung des Fürsten Rainier als zeitgeschichtliches Ereignis eingestuft hatten, schien nicht unangemessen. Es war zu betonen, dass die deutschen Gerichte die Veröffentlichung zweier weiterer Fotos gerade mit der Begründung untersagt hatten, diese seien lediglich zu Unterhaltungszwecken veröffentlicht worden.
Unabhängig von den von Caroline von Hannover tatsächlich wahrgenommenen offiziellen Funktionen im Namen des Fürstentums Monaco konnte nicht behauptet werden, die unbestreitbar sehr bekannten Beschwerdeführer seien gewöhnliche Privatpersonen. Sie sind zweifellos Personen des öffentlichen Lebens.
Die deutschen Gerichte waren zu dem Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführer keinerlei Beweise für ihre Behauptung vorgelegt hätten, dass die Fotos in einem Klima der allgemeinen Belästigung entstanden oder heimlich aufgenommen worden seien. Die Frage der Entstehung der Bilder erforderte unter den Umständen des Falls keine weitere Untersuchung durch die Gerichte, da die Beschwerdeführer diesbezüglich keine stichhaltigen Argumente vorgebracht hatten.
Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die deutschen Gerichte zwischen dem Recht der Verleger auf freie Meinungsäußerung und dem Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Privatlebens eine sorgfältige Abwägung vorgenommen hatten. Dabei hatten sie ausdrücklich die Rechtsprechung des Gerichtshofs, einschließlich des Urteils im Verfahren Caroline von Hannover gegen Deutschland von 2004 berücksichtigt. Folglich lag keine Verletzung von Artikel 8 vor.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.02.2012
Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte/ra-online