21.11.2024
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Dokument-Nr. 5777

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Beschluss26.02.2008Bundesverfassungsgericht1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2008, 163Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2008, Seite: 163
  • BVerfGE 120, 180Sammlung: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Band: 120, Seite: 180
  • GRUR 2008, 539Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2008, Seite: 539
  • NJW 2008, 1793Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 1793
  • ZUM 2008, 420Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2008, Seite: 420
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss26.02.2008

Private Fotos von Prinzessin Caroline von Monaco dürfen veröffentlicht werdenBundes­verfassungs­gericht stärkt Pressefreiheit

Zeitschriften dürfen Fotos aus dem Alltagsleben von Prominenten veröffentlichen. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht entschieden. Veröffentlicht werden dürfen nicht nur skandalöse, sittlich oder rechtlich anstößige Handlungsweisen sondern auch die Normalität des Alltagslebens und in keiner Weise anstößige Handlungsweisen prominenter Personen der Öffentlichkeit, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann.

Beschwer­de­führer sind Prinzessin Caroline von Hannover und zwei Presseverlage. Die Verlegerin der Zeitschrift "Frau im Spiegel" hatte über eine Erkrankung des Fürsten Rainier von Monaco, über eine mögliche Teilnahme der Beschwer­de­führerin an einem Gesell­schaftsball sowie über einen beliebten Wintersportort berichtet und den Beiträgen jeweils Fotografien beigegeben, welche die Beschwer­de­führerin zusammen mit ihrem Ehemann im Urlaub zeigen. Die Verlegerin der Zeitschrift "7 Tage" hatte über die Vermietung einer Ferienvilla der Eheleute berichtet und diesen Beitrag mit einem Foto bebildert, das die Beschwer­de­führerin zusammen mit ihrem Ehemann im Urlaub zeigt.

Die Unter­las­sungs­klagen der Beschwer­de­führerin Caroline von Hannover vor den Zivilgerichten waren gegen die Bildbe­rich­t­er­stattung gerichtet. Der Bundes­ge­richtshof ließ nur die Veröf­fent­lichung des Fotos zu, mit dem der Beitrag über eine Erkrankung des Fürsten von Monaco bebildert war. Im Übrigen bestätigte er das von den Vorinstanzen ausgesprochene Verbot, insbesondere billigte er das Verbot des Fotos, das dem Beitrag über die Vermietung der Ferienvilla beigegeben war.

Die Verfas­sungs­be­schwerden der Beschwer­de­führerin Caroline von Hannover und der Verlegerin der Zeitschrift "Frau im Spiegel" hatten keinen Erfolg. Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass der Bundes­ge­richtshof die berührten Belange beider Parteien in verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandender Weise einander zugeordnet und dabei auch die maßgeblichen Vorgaben aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt hat (1 BvR 1602/07 und 1 BvR 1626/07).

Die Verfassungsbeschwerde des die Zeitschrift "7 Tage" verlegenden Verlages hatte dagegen Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Verlag in seiner Pressefreiheit. Den Erwägungen der Gerichte lässt sich nicht zureichend entnehmen, warum der Gegenstand der Wortbe­rich­t­er­stattung, der die Vermietung der Ferienvilla betrifft, nicht die Beigabe einer visuellen Darstellung der Beschwer­de­führerin rechtfertigt (1 BvR 1606/07).

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Die Grundrechte der Pressefreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit sind nicht vorbehaltlos gewährleistet. Zu den die Pressefreiheit beschränkenden allgemeinen Gesetzen zählen unter anderem die Vorschriften der §§ 22 ff. des Kunst­ur­he­ber­ge­setzes (KUG) und die Rechts­grundsätze des zivil­recht­lichen Persön­lich­keits­schutzes, aber auch das in Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens. Die in dem Kunst­ur­he­ber­gesetz enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungs­freiheit beschränken zugleich als Bestandteil der verfas­sungs­mäßigen Ordnung den Persön­lich­keits­schutz.

Auch die "bloße Unterhaltung" nimmt am Schutz der Pressefreiheit teil. Unterhaltung kann wichtige gesell­schaftliche Funktionen erfüllen, so wenn sie Realitätsbilder vermittelt und Gesprächs­ge­gen­stände zur Verfügung stellt, an die sich Diskus­si­ons­prozesse anschließen können, die sich auf Lebens­ein­stel­lungen, Werthaltungen und Verhal­tens­muster beziehen. Der Schutz der Pressefreiheit umfasst auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen und ihres sozialen Umfelds, insbesondere der ihnen nahestehenden Personen. Es würde die Pressefreiheit in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbaren Weise einengen, bliebe die Lebensführung dieses Personenkreises einer Berich­t­er­stattung außerhalb der von ihnen ausgeübten Funktionen entzogen. Dabei dürfen nicht nur skandalöse, sittlich oder rechtlich zu beanstandende Verhal­tens­weisen, sondern auch die Normalität des Alltagslebens und in keiner Weise anstößige Handlungsweisen prominenter Personen der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann.

II. Von der Pressefreiheit ist die Befugnis der Massenmedien umfasst, selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Dabei haben sie den Persön­lich­keits­schutz Betroffener zu berücksichtigen. Im Streitfall allerdings obliegt die maßgebliche Gewichtung des Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses bei der Abwägung mit gegenläufigen Interessen der Betroffenen den Gerichten. Im Zuge der Gewichtung des Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses haben diese allerdings von einer inhaltlichen Bewertung der Darstellung als wertvoll oder wertlos abzusehen und sind auf die Prüfung und Feststellung begrenzt, in welchem Ausmaß der Bericht einen Beitrag für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu leisten vermag. Für die Gewichtung des Persön­lich­keits­schutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Dem Schutzanspruch des Persön­lich­keits­rechts kann insoweit auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschie­denheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die Medien­be­rich­t­er­stattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung und des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst, wenn er erwarten darf, keinen Bildnach­stel­lungen ausgesetzt zu sein. Das Schutzbedürfnis ist infolge des Fortschritts der Aufnahmetechnik und der Verfügbarkeit kleiner Aufnahmegeräte gestiegen.

Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG gebietet allerdings nicht, generell zu unterstellen, dass mit jedweder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden ist. Auch bisher hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht anerkannt, dass die Presse einen schrankenlosen Zugriff auf Personen der Zeitgeschichte nehmen darf, sondern hat Bildver­öf­fent­li­chungen nur insoweit als gerechtfertigt angesehen, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der Meinungsbildung vorenthalten werden. Verfas­sungs­rechtlich nicht gewährleistet ist demgegenüber, dass eine Person von zeitge­schicht­lichem Interesse bei Aufenthalten außerhalb einer Situation räumlicher Abgeschie­denheit stets und ohne Beschränkungen für die Zwecke medialer Berich­t­er­stattung fotografiert werden darf.

III. Es ist Sache der Fachgerichte, den Infor­ma­ti­o­nswert einer Berich­t­er­stattung und ihrer Bebilderung anhand des Bezugs zur öffentlichen Meinungsbildung zu ermitteln und der Pressefreiheit abwägend die mit der Gewinnung und Verbreitung einer Abbildung verbundenen Beein­träch­ti­gungen des Persön­lich­keits­schutzes gegenüber zu stellen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ist auf die Nachprüfung beschränkt, ob die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften des einfachen Rechts und insbesondere bei der Abwägung miteinander kollidierender Rechtsgüter den Grund­recht­s­einfluss sowie die auch verfas­sungs­rechtlich zu beachtenden Maßgaben der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention ausreichend beachtet haben. Dass das Abwägungs­er­gebnis auch anders hätte ausfallen können, ist kein hinreichender Grund für die verfas­sungs­ge­richtliche Korrektur einer Entscheidung der Fachgerichte.

IV. Nach diesen Maßstäben gilt im konkreten Fall folgendes:

1. Der Bundes­ge­richtshof war verfas­sungs­rechtlich nicht grundsätzlich gehindert, bei der rechtlichen Beurteilung der Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Bildbe­rich­t­er­stattung von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und sein Schutzkonzept durch einen Verzicht auf eine Nutzung der bisher in Anlehnung an die Literatur entwickelten Rechtsfigur der Person der Zeitgeschichte zu modifizieren. Da der Begriff der Person der Zeitgeschichte verfas­sungs­rechtlich nicht vorgegeben ist, steht es den Fachgerichten von Verfassungs wegen frei, ihn in Zukunft nicht oder nur noch begrenzt zu nutzen und stattdessen im Wege der einzel­fa­ll­be­zogenen Abwägung über das Vorliegen eines Bildnisses aus dem "Bereich der Zeitgeschichte" zu entscheiden.

2. Nach den aufgezeigten Maßstäben erweisen sich die Verfas­sungs­be­schwerde der Beschwer­de­führerin Caroline von Hannover und des die Zeitschrift "Frau im Spiegel" verlegenden Verlages als nicht begründet. Der Bundes­ge­richtshof hat die berührten Belange beider Parteien in verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandender Weise zugeordnet und dabei auch die maßgeblichen Vorgaben aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt. Insbesondere durfte der Bundes­ge­richtshof - auch nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - in der Berich­t­er­stattung über eine Erkrankung des regierenden Fürsten von Monaco ein Ereignis von allgemeinem Interesse sehen, das einen hinreichenden Bezug zu der veröf­fent­lichten Abbildung aufweist.

3. Hingegen ist die Pressefreiheit verletzt, indem der Verlegerin der Zeitschrift "7 Tage" die Beigabe einer visuellen Darstellung der Beschwer­de­führerin zu einem Beitrag über die Vermietung einer Ferienvilla in Kenia verboten worden ist. Die Gerichte haben es unterlassen, den Infor­ma­ti­o­ns­gehalt des Berichts näher zu würdigen, der in der Zeitschrift mit den Worten eingeleitet werden war "Auch die Reichen und Schönen sind sparsam. Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste". In dem Bericht ging es nicht um die Beschreibung einer Urlaubsszene als Teil des Privatlebens. Vielmehr wurde ein Bericht über die Vermietung einer Ferienvilla der Eheleute und über ähnliche Aktionen anderer Prominenter mit wertenden Anmerkungen kommentiert, die Anlass für sozialkritische Überlegungen der Leser sein können. Die auf dem verwendeten Lichtbild dargestellte Situation lässt auch nichts dafür erkennen, dass die Prinzessin von Hannover bei einer in besonderem Maße typischen Entspan­nungs­be­dürf­nissen gewidmeten und daher gegenüber medialer Aufmerksamkeit und Darstellung in erhöhtem Umfang schutz­be­dürftigen Tätigkeit abgebildet worden war. Das von dem Bundes­ge­richtshof bestätigte Verbot war daher aufzuheben und muss erneut anhand der von dem Senat aufgezeigten Maßstäbe überprüft werden.

Quelle: ra-online, BVerfG (pm)

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