21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil06.03.2007

Bundes­ge­richtshof stärkt Promi­nen­ten­schutz gegen Paparazzi-PressefotosBundesrichter folgen der Rechtsprechung aus dem "Caroline-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Paparazzi-Fotos von Prominenten können nicht mehr so einfach wie früher veröffentlicht werden. Der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat mit mehreren Entscheidungen den Schutz Prominenter vor der Veröf­fent­lichung solcher Fotos gestärkt. Geklagt hatten Caroline von Hannover und ihr Ehemann Prinz Ernst August. Es ging im Streit um heimlich aufgenommene Urlaubsfotos aus den Jahr 2002. Der BGH bezog sich in seinen Urteilen auf das so genannte "Caroline-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Kläger sind Prinz und Prinzessin von Hannover. Beklagte sind verschiedene Presseverlage. Die beklagten Verlage haben in mehreren von ihnen verlegten Zeitschriften verschiedene Artikel über die Klägerin und ihren Ehemann veröffentlicht, die u. a. mit Aufnahmen dieser beiden Personen bebildert waren. Die Fotografien sind sämtlich während verschiedener Urlaub­s­auf­enthalte der Abgebildeten aufgenommen worden und zeigen die Kläger auf belebter Straße oder in einem Sessellift. Die Kläger begehren Unterlassung der erneuten Veröf­fent­lichung der beanstandeten Aufnahmen.

Das Landgericht hat den Klagen im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24. Juni 2004 stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht die Klagen abgewiesen, weil nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts der Schutz der Privatsphäre der Abgebildeten hinter dem mit der Pressefreiheit verwirklichten Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Allgemeinheit zurücktrete, wenn die veröffentlichte Aufnahme die abgebildete Person in der Öffentlichkeit zeige.

Deshalb hatte der u. a. für Ansprüche aus Verletzung des Rechts am eigenen Bild zuständige VI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs erneut über das Verhältnis von Privatsphäre und Pressefreiheit zu entscheiden. Insoweit besteht auch innerhalb des deutschen Rechts ein permanentes Spannungs­ver­hältnis zwischen den Grundrechten des Einzelnen aus Art. 1 und 2 GG und den Grundrechten des Art. 5 GG. Die Öffentlichkeit hat nämlich einen Anspruch darauf, über das Zeitgeschehen unterrichtet zu werden und damit über alle Fragen von allgemeinem gesell­schaft­lichen Interesse. Deshalb darf grundsätzlich die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungs­bil­denden Aufgaben hierüber berichten, wobei sie keiner Zensur unterliegt und nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden darf, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Dabei muss sie allerdings die geschützte Privatsphäre desjenigen beachten, über den sie berichten will, so dass es stets einer Inter­es­se­n­ab­wägung bedarf.

Im Rahmen dieser Inter­es­se­n­ab­wägung kann unter Berück­sich­tigung des Urteils des EGMR vom 24. Juni 2004 für den Infor­ma­ti­o­ns­an­spruch der Öffentlichkeit auch bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte der Infor­ma­ti­o­nswert der Berich­t­er­stattung nicht außer Betracht bleiben. Der erkennende Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer wiegt, je geringer der Infor­ma­ti­o­nswert für die Allgemeinheit ist. Das muss im Grundsatz auch für Personen mit hohem Bekannt­heitsgrad gelten, so dass es auch hier eine Rolle spielt, ob die Berich­t­er­stattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es nicht aus, dass im Einzelfall für den Infor­ma­ti­o­nswert einer Berich­t­er­stattung der Bekannt­heitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des Infor­ma­ti­o­nswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitge­schicht­liches Ereignis handelt, ein weites Verständnis sowie die Einbeziehung der zugehörigen Wortbe­rich­t­er­stattung geboten, damit die Presse ihren meinungs­bil­denden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.

Für die entschiedenen Fälle führt das dazu, dass nur diejenigen Fotos zulässig sind, die im Zusammenhang mit der Wortbe­rich­t­er­stattung über die Erkrankung des damals regierenden Fürsten von Monaco veröffentlicht worden sind. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um ein zeitge­schicht­liches Ereignis, über das die Presse berichten darf. Auf den redaktionellen Gehalt und die Gestaltung des Artikels kommt es nicht an, da die Garantie der Pressefreiheit es nicht zulässt, das Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des Presse­er­zeug­nisses abhängig zu machen. Das gilt auch, soweit der Artikel das Verhalten von Famili­en­mit­gliedern während der Krankheit des Fürsten betrifft, zumal die Zulässigkeit der Wortbe­rich­t­er­stattung von der Revision nicht in Frage gestellt wird.

Den anderen Texten war keinerlei Beitrag zu einem Thema von allgemeinem Interesse zu entnehmen, so dass die zugehörigen Abbildungen in Ermangelung eines objektiven Infor­ma­ti­o­nswerts ohne Einwilligung der Abgebildeten unzulässig sind. Das gilt für die Berich­t­er­stattung über den Urlaub der Kläger in St. Moritz sowie über eine Geburts­tagsfeier und schließlich auch für Abbildungen im Zusammenhang mit einem Bericht über die Vermietung einer Villa der klagenden Eheleute in gleicher Weise.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – 324 O 871/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 84/05 – Entscheidung vom 13. Dezember 2005

LG Hamburg – 324 O 870/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 85/05 – Entscheidung vom 13. Dezember 2005

LG Hamburg – 324 O 872/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 87/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

LG Hamburg – 324 O 873/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 88/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

LG Hamburg – 324 O 869/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 82/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

LG Hamburg – 324 O 868/04 – Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 81/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 34/07 des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2007

der Leitsatz

Leitsatz zu Az. VI ZR 13/06:

GG Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1; EMRK Art. 8, 10; KunstUrhG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

Zum abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG bei Bildver­öf­fent­li­chungen von Personen öffentlichen Interesses (Prominente) (Anschluss an BVerfGE 101, 361 ff.; Senat, Urteile BGHZ 131, 332 ff.; 158, 218 ff., vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; EGMR NJW 2004, 2647 ff.).

Leitsatz zu Az. VI ZR 51/06:

GG Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1; EMRK Art. 8, 10; KunstUrhG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

Zur Illustrierung der Berich­t­er­stattung über ein zeitge­schicht­liches Ereignis kann eine Veröf­fent­lichung von Bildaufnahmen Prominenter nach einer Abwägung der wider­strei­tenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK mit den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10 EMRK auch ohne Einwilligung zulässig sein.

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