21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.09.2010

BVerfG zur Prominenten-Berich­t­er­stattung: Teilerfolg für Verlage Bauer und Burda ("Bunte" und "Neue Post")Zivil­ge­richtliche Untersagung der Wort- und Bildbe­rich­t­er­stattung über eine Prominente teilweise verfas­sungs­widrig

Wer sich als Prominenter in die Öffentlichkeit begibt, muss auch hinnehmen, dass über ihn zumindest - in Textform - berichtet wird. Dies geht aus einem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hervor. Es hatte über die Zulässigkeit von Wort- und Bildbe­rich­t­er­stat­tungen über eine Tochter der monegassischen Prinzessin Caroline von Hannover zu entscheiden. Die Richter gaben den klagenden Verlagen Bauer und Burda teilweise Recht. Die Berichte in den Zeitschriften "Neue Post" und "Bunte" befassten sich mit öffentlichen Auftritten der Tochter von Prinzessin Caroline auf der Pariser Modewoche und einer Benefiz-Gala. Allerdings bestätigte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht das Verbot eines Titelfotos von Charlotte Casiraghi.

Die Beschwer­de­füh­re­rinnen, zwei Presseverlage, wenden sich gegen verschiedene zivil­ge­richtliche Urteile des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts, mit denen ihnen Wort- und teils auch Bildbe­rich­t­er­stat­tungen über die Klägerin der jeweiligen fachge­richt­lichen Ausgangs­ver­fahren, eine Tochter der monegassischen Prinzessin Caroline von Hannover, untersagt worden sind. Gegenstand der Ausgangs­ver­fahren sind Artikel in von den Beschwer­de­füh­re­rinnen verlegten Illustrierten, die über die Teilnahme der Klägerin an Festivitäten in Paris berichten.

"Neue Post" erschien mit einem großformatigen Porträtfoto auf Titelblatt und der Überschrift "Schockierende Fotos - Carolines Tochter […] - Wie gefährlich ist das süße Leben?"

So erschien im Jahr 2007 in der Illustrierten „Neue Post“ ein Beitrag über die Klägerin, der auf dem Titelblatt mit einem großformatigen Porträtfoto von ihr und der Überschrift „Schockierende Fotos - Carolines Tochter […] - Wie gefährlich ist das süße Leben?“ angekündigt wird. Der bebilderte Artikel im Heftinnern stellt die Klägerin als „Monacos schönste Rose“ vor und berichtet, dass sie sich seit kurzem „auf dem gesell­schaftliche Parkett“ bewege und unter anderem zu Gast bei einer französischen AIDS-Gala gewesen sei. Die gesonderten Klagen auf Unterlassung der Wortbe­rich­t­er­stattung und auf Unterlassung der Veröf­fent­lichung des auf dem Titelblatt gezeigten Bildnisses der Klägerin hatten jeweils Erfolg. Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Beschwer­de­führerin zu 1) mit den Verfas­sungs­be­schwerden 1 BvR 1842/08 und 1 BvR 6/09.

"Bunte" druckte Artikel unter der Überschrift "C. … erobert Paris"

Im weiteren Verfahren 1 BvR 2538/08 wendet sich die Beschwer­de­führerin zu 2) gegen die Untersagung einer Wortbe­rich­t­er­stattung. In der von ihr verlegten Illustrierten „Bunte“ veröffentlichte sie im Jahr 2007 einen Artikel, der sich unter der Überschrift „C. [die Klägerin] erobert Paris" mit der Pariser Modewoche und mit in deren Rahmen stattfindenden Feierlichkeiten befasst. Der Beitrag ist mit Fotos bebildert, auf denen die Klägerin als Gast der Feier der französischen AIDS-Hilfe zu sehen ist. Ein weiteres Bild zeigt sie als Gast einer Feier anlässlich der Präsentation eines Buches eines bekannten Fotografen inmitten einer Gruppe junger Frauen, die durch die Bildbe­schrif­tungen überwiegend als die Töchter bekannter Eltern vorgestellt werden. Im Text des Beitrages wird die Klägerin als Angehörige des „neuen 1-A-Goldrand-Jetsets“ vorgestellt, als „die kleine Monegassin“ beschrieben, die die „Schönheit, Grazie, Faszination“ ihrer Mutter habe und sich „auf dem Weg zur Gesell­schaftsspitze“ befinde. Die Klage auf Unterlassung der die Klägerin betreffenden Äußerungen war ebenfalls in beiden Instanzen erfolgreich. Die Bebilderung des Artikels war hier nicht Gegenstand der mit der Verfas­sungs­be­schwerde angegriffenen Entscheidungen.

Verlage berufen sich auf Pressefreiheit und Meinungs­freiheit

Die Beschwer­de­füh­re­rinnen sehen sich durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrer Pressefreiheit und ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt.

BVerfG nimmt Verfas­sungs­be­schwerde hinsichtlich Bildnis­ver­öf­fent­lichung nicht an

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die Verfas­sungs­be­schwerde der Beschwer­de­führerin zu 1) gegen die Verurteilung zur Unterlassung der Bildnis­ver­öf­fent­lichung nicht zur Entscheidung angenommen, weil Gründe für eine Annahme nicht vorliegen, insbesondere die Beschwer­de­führerin zu 1) durch die insoweit angegriffenen Entscheidungen nicht in ihrer Pressefreiheit verletzt ist.

Verfas­sungs­be­schwerde hinsichtlich Untersagung der Wortbe­rich­t­er­stattung erfolgreich - Presse- und Meinungs­freiheit verletzt

Dagegen sind die Verfas­sungs­be­schwerden, die sich gegen Verurteilungen der Beschwer­de­füh­re­rinnen zur Unterlassung der jeweiligen Wortbe­rich­t­er­stattung wenden, begründet, da diese Entscheidungen die Presseverlage in ihrem Grundrecht auf Meinungs­freiheit verletzen. Die entsprechenden Entscheidungen sind aufgehoben und die Sache jeweils an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Bildnis­ver­öf­fent­lichung war nicht gerechtfertigt

1. Die Verurteilung, die erneute Veröf­fent­lichung der auf dem Titelblatt der Zeitschrift „Neue Post“ abgebildeten Fotografie zu unterlassen, begegnet keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte die einwil­li­gungslose Bildnis­ver­öf­fent­lichung auch nicht als Abbildung eines zeitge­schicht­lichen Ereignisses gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für zulässig erachtet haben. Zwar kann im Bereich der Berichterstattung über Prominente auch die Darstellung von Umständen aus dem Alltagsleben dieses Personenkreises geeignet sein, die Veröf­fent­lichung eines Fotos zu rechtfertigen, jedoch nur insoweit, als die Veröf­fent­lichung der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann. Dass die Gerichte dieses Kriterium vorliegend nicht als erfüllt angesehen haben, überschreitet den fachge­richt­lichen Wertungsrahmen nicht. So ist es angesichts des groß gedruckten Textes „Schockierende Fotos“ zu dem Titelfoto vertretbar, den fraglichen Artikel nicht als Berich­t­er­stattung über die AIDS-Gala als möglicherweise zeitge­schicht­liches Ereignis anzusehen, sondern als Veröf­fent­lichung, die sich im Wesentlichen mit dem Lebenswandel der Klägerin befasst. Der auf die Klägerin konzentrierte Artikel erörtert auch keine sonstigen Themen von zeitge­schicht­licher Bedeutung, wie etwa allgemeine Probleme der Adoleszenz, die Krankheit AIDS oder den gesell­schaft­lichen Umgang mit ihr. Wie die Fachgerichte zutreffend festgestellt haben, besteht an der Person der Klägerin selbst kein mit dem Interesse an dem Leben eines Staats­o­ber­hauptes vergleichbares öffentliches Infor­ma­ti­o­ns­be­dürfnis, das die Bildnis­ver­öf­fent­lichung rechtfertigen könnte.

Wortbe­rich­t­er­stat­tungen durften nicht untersagt werden

2. Demgegenüber sind die Verfas­sungs­be­schwerden, die sich gegen die Untersagung der Wortbe­rich­t­er­stat­tungen richten, im zulässigen Umfang begründet. Die beanstandeten Äußerungen fallen als Werturteile über die Klägerin in den Schutzbereich der Meinungs­freiheit. Diese ist freilich nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet ihre Grenze unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Bei Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts haben die Fachgerichte jedoch Bedeutung und Tragweite der Meinungs­freiheit verkannt, indem sie diese im Rahmen der gebotenen Abwägung gegenüber Persön­lich­keits­be­langen der Klägerin haben zurücktreten lassen. Anders als in dem die Bildnis­ver­öf­fent­lichung betreffenden Verfahren haben die Fachgerichte in Bezug auf die beanstandeten Wortbe­rich­t­er­stat­tungen eine Beein­träch­tigung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Klägerin, welche der Meinungs­freiheit entgegengesetzt werden könnte, nicht in verfas­sungs­rechtlich tragfähiger Weise begründet.

BVerfG weist auf Unterschied zwischen Bildbe­rich­t­er­stattung und Wortbe­rich­t­er­stattung hin

Der Schutz des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts reicht hinsichtlich der Veröf­fent­lichung von Bildern einerseits und der Wortbe­rich­t­er­stattung andererseits verschieden weit. Während die Veröf­fent­lichung eines Perso­nen­bild­nisses unabhängig davon, in welcher Weise der Betroffene abgebildet wird, eine recht­fer­ti­gungs­be­dürftige Beein­träch­tigung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts darstellt, gilt dies für einen perso­nen­be­zogenen Wortbericht nicht in gleicher Weise. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht indivi­du­a­li­sierend benannt zu werden. Vielmehr bietet das allgemeine Persön­lich­keitsrecht nur in spezifischen Hinsichten Schutz, wobei es vor allem auf den Inhalt der Berich­t­er­stattung ankommt. Insoweit schützt das allgemeine Persön­lich­keitsrecht freilich auch vor einer Beein­träch­tigung der Privat- oder Intimsphäre sowie vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen. Außer unter dem Gesichtspunkt des Schutzes am gesprochenen Wort bietet das allgemeine Persön­lich­keitsrecht aber keinen Schutz vor perso­nen­be­zogenen Äußerungen unabhängig von ihrem Inhalt.

Artikel lassen inhaltlich keine Ehrverletzung oder eine sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen

Die beanstandeten Artikel lassen inhaltlich aber weder eine Ehrverletzung oder eine sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen, noch haben die Fachgerichte hinreichend begründet, dass die Privatsphäre der Klägerin durch die in den Artikeln geäußerten Wertungen betroffen sei. Diese beruhen vielmehr auf Vorgängen aus der Sozialsphäre der Klägerin. Die betreffenden Äußerungen kommentieren zwar die Lebensführung der Klägerin, dies aber nur im Hinblick auf Verhal­tens­weisen, die sie auf Veranstaltungen gezeigt hat, welche erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten. Ob aus dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht auch ein Recht darauf hergeleitet werden kann, nicht gegen seinen Willen zum Objekt bestimmter medialer, die selbst gewählte Öffentlichkeit verbreiternder Erörterung gemacht zu werden, ist fraglich, kann hier aber offen bleiben. Denn auf ein solches Recht könnte sich jedenfalls derjenige Grund­recht­s­träger nicht berufen, der sich in freier Entscheidung gerade der Medien­öf­fent­lichkeit aussetzt, indem er Veranstaltungen besucht, die erkennbar auf ein so großes Interesse von Teilen der Öffentlichkeit stoßen, dass mit einer Berich­t­er­stattung durch die Medien gerechnet werden muss. So verhält es sich auch in den vorliegenden Fällen. Die Festivitäten, an denen die Klägerin teilnahm und auf die in den beanstandeten Artikeln Bezug genommen wird, stießen wegen der illustren Gäste auf großes mediales Interesse und waren jedenfalls teilweise gerade auf eine Außenwirkung angelegt. Die Klägerin musste daher die öffentliche Erörterung ihrer Teilnahme an den Feiern und ihres hierbei an den Tag gelegten Verhaltens dulden und kann auch nicht beanspruchen, dass dieses nicht zum Ausgangspunkt kommentierender Bemerkungen der Presse gewählt wird, sofern diese nicht ihrerseits eines der Schutzgüter des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts, insbesondere die Ehre oder des Rechts am eigenen Bild verletzen. Denn eine umfassende Verfü­gungs­be­fugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer ausschließ­lichen Herrschaft des Grund­recht­s­trägers auch über den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhal­tens­weisen, deren er sich öffentlich entäußert hat, gewährleistet das allgemeine Persön­lich­keitsrecht nicht.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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