Dokument-Nr. 10428
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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.09.2010
BVerfG zur Prominenten-Berichterstattung: Teilerfolg für Verlage Bauer und Burda ("Bunte" und "Neue Post")Zivilgerichtliche Untersagung der Wort- und Bildberichterstattung über eine Prominente teilweise verfassungswidrig
Wer sich als Prominenter in die Öffentlichkeit begibt, muss auch hinnehmen, dass über ihn zumindest - in Textform - berichtet wird. Dies geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hervor. Es hatte über die Zulässigkeit von Wort- und Bildberichterstattungen über eine Tochter der monegassischen Prinzessin Caroline von Hannover zu entscheiden. Die Richter gaben den klagenden Verlagen Bauer und Burda teilweise Recht. Die Berichte in den Zeitschriften "Neue Post" und "Bunte" befassten sich mit öffentlichen Auftritten der Tochter von Prinzessin Caroline auf der Pariser Modewoche und einer Benefiz-Gala. Allerdings bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot eines Titelfotos von Charlotte Casiraghi.
Die Beschwerdeführerinnen, zwei Presseverlage, wenden sich gegen verschiedene zivilgerichtliche Urteile des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts, mit denen ihnen Wort- und teils auch Bildberichterstattungen über die Klägerin der jeweiligen fachgerichtlichen Ausgangsverfahren, eine Tochter der monegassischen Prinzessin Caroline von Hannover, untersagt worden sind. Gegenstand der Ausgangsverfahren sind Artikel in von den Beschwerdeführerinnen verlegten Illustrierten, die über die Teilnahme der Klägerin an Festivitäten in Paris berichten.
"Neue Post" erschien mit einem großformatigen Porträtfoto auf Titelblatt und der Überschrift "Schockierende Fotos - Carolines Tochter […] - Wie gefährlich ist das süße Leben?"
So erschien im Jahr 2007 in der Illustrierten „Neue Post“ ein Beitrag über die Klägerin, der auf dem Titelblatt mit einem großformatigen Porträtfoto von ihr und der Überschrift „Schockierende Fotos - Carolines Tochter […] - Wie gefährlich ist das süße Leben?“ angekündigt wird. Der bebilderte Artikel im Heftinnern stellt die Klägerin als „Monacos schönste Rose“ vor und berichtet, dass sie sich seit kurzem „auf dem gesellschaftliche Parkett“ bewege und unter anderem zu Gast bei einer französischen AIDS-Gala gewesen sei. Die gesonderten Klagen auf Unterlassung der Wortberichterstattung und auf Unterlassung der Veröffentlichung des auf dem Titelblatt gezeigten Bildnisses der Klägerin hatten jeweils Erfolg. Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Beschwerdeführerin zu 1) mit den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 1842/08 und 1 BvR 6/09.
"Bunte" druckte Artikel unter der Überschrift "C. … erobert Paris"
Im weiteren Verfahren 1 BvR 2538/08 wendet sich die Beschwerdeführerin zu 2) gegen die Untersagung einer Wortberichterstattung. In der von ihr verlegten Illustrierten „Bunte“ veröffentlichte sie im Jahr 2007 einen Artikel, der sich unter der Überschrift „C. [die Klägerin] erobert Paris" mit der Pariser Modewoche und mit in deren Rahmen stattfindenden Feierlichkeiten befasst. Der Beitrag ist mit Fotos bebildert, auf denen die Klägerin als Gast der Feier der französischen AIDS-Hilfe zu sehen ist. Ein weiteres Bild zeigt sie als Gast einer Feier anlässlich der Präsentation eines Buches eines bekannten Fotografen inmitten einer Gruppe junger Frauen, die durch die Bildbeschriftungen überwiegend als die Töchter bekannter Eltern vorgestellt werden. Im Text des Beitrages wird die Klägerin als Angehörige des „neuen 1-A-Goldrand-Jetsets“ vorgestellt, als „die kleine Monegassin“ beschrieben, die die „Schönheit, Grazie, Faszination“ ihrer Mutter habe und sich „auf dem Weg zur Gesellschaftsspitze“ befinde. Die Klage auf Unterlassung der die Klägerin betreffenden Äußerungen war ebenfalls in beiden Instanzen erfolgreich. Die Bebilderung des Artikels war hier nicht Gegenstand der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen.
Verlage berufen sich auf Pressefreiheit und Meinungsfreiheit
Die Beschwerdeführerinnen sehen sich durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrer Pressefreiheit und ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt.
BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde hinsichtlich Bildnisveröffentlichung nicht an
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen die Verurteilung zur Unterlassung der Bildnisveröffentlichung nicht zur Entscheidung angenommen, weil Gründe für eine Annahme nicht vorliegen, insbesondere die Beschwerdeführerin zu 1) durch die insoweit angegriffenen Entscheidungen nicht in ihrer Pressefreiheit verletzt ist.
Verfassungsbeschwerde hinsichtlich Untersagung der Wortberichterstattung erfolgreich - Presse- und Meinungsfreiheit verletzt
Dagegen sind die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen Verurteilungen der Beschwerdeführerinnen zur Unterlassung der jeweiligen Wortberichterstattung wenden, begründet, da diese Entscheidungen die Presseverlage in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzen. Die entsprechenden Entscheidungen sind aufgehoben und die Sache jeweils an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Bildnisveröffentlichung war nicht gerechtfertigt
1. Die Verurteilung, die erneute Veröffentlichung der auf dem Titelblatt der Zeitschrift „Neue Post“ abgebildeten Fotografie zu unterlassen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte die einwilligungslose Bildnisveröffentlichung auch nicht als Abbildung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für zulässig erachtet haben. Zwar kann im Bereich der Berichterstattung über Prominente auch die Darstellung von Umständen aus dem Alltagsleben dieses Personenkreises geeignet sein, die Veröffentlichung eines Fotos zu rechtfertigen, jedoch nur insoweit, als die Veröffentlichung der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann. Dass die Gerichte dieses Kriterium vorliegend nicht als erfüllt angesehen haben, überschreitet den fachgerichtlichen Wertungsrahmen nicht. So ist es angesichts des groß gedruckten Textes „Schockierende Fotos“ zu dem Titelfoto vertretbar, den fraglichen Artikel nicht als Berichterstattung über die AIDS-Gala als möglicherweise zeitgeschichtliches Ereignis anzusehen, sondern als Veröffentlichung, die sich im Wesentlichen mit dem Lebenswandel der Klägerin befasst. Der auf die Klägerin konzentrierte Artikel erörtert auch keine sonstigen Themen von zeitgeschichtlicher Bedeutung, wie etwa allgemeine Probleme der Adoleszenz, die Krankheit AIDS oder den gesellschaftlichen Umgang mit ihr. Wie die Fachgerichte zutreffend festgestellt haben, besteht an der Person der Klägerin selbst kein mit dem Interesse an dem Leben eines Staatsoberhauptes vergleichbares öffentliches Informationsbedürfnis, das die Bildnisveröffentlichung rechtfertigen könnte.
Wortberichterstattungen durften nicht untersagt werden
2. Demgegenüber sind die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Untersagung der Wortberichterstattungen richten, im zulässigen Umfang begründet. Die beanstandeten Äußerungen fallen als Werturteile über die Klägerin in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Diese ist freilich nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet ihre Grenze unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Bei Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts haben die Fachgerichte jedoch Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt, indem sie diese im Rahmen der gebotenen Abwägung gegenüber Persönlichkeitsbelangen der Klägerin haben zurücktreten lassen. Anders als in dem die Bildnisveröffentlichung betreffenden Verfahren haben die Fachgerichte in Bezug auf die beanstandeten Wortberichterstattungen eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, welche der Meinungsfreiheit entgegengesetzt werden könnte, nicht in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise begründet.
BVerfG weist auf Unterschied zwischen Bildberichterstattung und Wortberichterstattung hin
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung andererseits verschieden weit. Während die Veröffentlichung eines Personenbildnisses unabhängig davon, in welcher Weise der Betroffene abgebildet wird, eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, gilt dies für einen personenbezogenen Wortbericht nicht in gleicher Weise. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden. Vielmehr bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur in spezifischen Hinsichten Schutz, wobei es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung ankommt. Insoweit schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht freilich auch vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre sowie vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen. Außer unter dem Gesichtspunkt des Schutzes am gesprochenen Wort bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber keinen Schutz vor personenbezogenen Äußerungen unabhängig von ihrem Inhalt.
Artikel lassen inhaltlich keine Ehrverletzung oder eine sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen
Die beanstandeten Artikel lassen inhaltlich aber weder eine Ehrverletzung oder eine sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen, noch haben die Fachgerichte hinreichend begründet, dass die Privatsphäre der Klägerin durch die in den Artikeln geäußerten Wertungen betroffen sei. Diese beruhen vielmehr auf Vorgängen aus der Sozialsphäre der Klägerin. Die betreffenden Äußerungen kommentieren zwar die Lebensführung der Klägerin, dies aber nur im Hinblick auf Verhaltensweisen, die sie auf Veranstaltungen gezeigt hat, welche erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten. Ob aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch ein Recht darauf hergeleitet werden kann, nicht gegen seinen Willen zum Objekt bestimmter medialer, die selbst gewählte Öffentlichkeit verbreiternder Erörterung gemacht zu werden, ist fraglich, kann hier aber offen bleiben. Denn auf ein solches Recht könnte sich jedenfalls derjenige Grundrechtsträger nicht berufen, der sich in freier Entscheidung gerade der Medienöffentlichkeit aussetzt, indem er Veranstaltungen besucht, die erkennbar auf ein so großes Interesse von Teilen der Öffentlichkeit stoßen, dass mit einer Berichterstattung durch die Medien gerechnet werden muss. So verhält es sich auch in den vorliegenden Fällen. Die Festivitäten, an denen die Klägerin teilnahm und auf die in den beanstandeten Artikeln Bezug genommen wird, stießen wegen der illustren Gäste auf großes mediales Interesse und waren jedenfalls teilweise gerade auf eine Außenwirkung angelegt. Die Klägerin musste daher die öffentliche Erörterung ihrer Teilnahme an den Feiern und ihres hierbei an den Tag gelegten Verhaltens dulden und kann auch nicht beanspruchen, dass dieses nicht zum Ausgangspunkt kommentierender Bemerkungen der Presse gewählt wird, sofern diese nicht ihrerseits eines der Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere die Ehre oder des Rechts am eigenen Bild verletzen. Denn eine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers auch über den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen, deren er sich öffentlich entäußert hat, gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.10.2010
Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht
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