Nachdem das Land Baden-Württemberg zunächst nur Studiengebühren von so genannten Langzeitstudierenden erhoben hatte, hat es durch eine Änderung seines Landeshochschulgebührengesetzes, die im Dezember 2005 in Kraft getreten ist, ab dem Sommersemester 2007 für alle Studierenden allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 Euro je Semester eingeführt.
Drei der Kläger studieren an der Universität Karlsruhe und eine Klägerin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Sie hatten ihr Studium jeweils vor Inkrafttreten des geänderten Landeshochschulgebührengesetzes aufgenommen. Die drei Kläger hatten vor Aufnahme ihres Studiums Zivil- oder Wehrdienst geleistet. Der Kläger des Verfahrens BVerwG 6 C 10.09 hat zu Beginn seines Studiums zudem mehrere Semester in der universitären Selbstverwaltung als Beauftragter des Rektorats für den Arbeitsbereich Soziales und als Mitglied des Allgemeinen Studentenausschusses mitgewirkt. Die Klägerin des Verfahrens BVerwG 6 C 9.09 ist Mutter zweier 1993 und 1995 geborener Kinder. Die Kläger wandten sich gegen die Bescheide ihrer Hochschulen, durch die sie ab dem Sommersemester 2007 zu Studiengebühren herangezogen wurden.
Die Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Freiburg haben die Klagen abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Die Revisionen blieben erfolglos.
Wie schon früher im Falle vergleichbarer Regelungen des nordrhein-westfälischen Hochschulrechts (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 29.04.2009 - BVerwG 6 C 16.08 -) hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr auch die Vorschriften des baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetzes zur Einführung allgemeiner Studiengebühren als verfassungsgemäß beurteilt.
Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Grundrecht auf freien Zugang zur Ausbildungsstätte vor. Der Landesgesetzgeber hat mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren keine unüberwindliche soziale Barriere für die Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums errichtet. Eine Studiengebühr von 500 € je Semester ist mit Blick auf die Kosten und Vorteile eines Hochschulstudiums von der Höhe her moderat. Die dennoch spürbare Zusatzbelastung hat der Landesgesetzgeber in sozialverträglicher Weise abgemildert, insbesondere dadurch, dass er den Studierenden einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung der Studiengebühren eingeräumt hat. Die Regelungen zur Verzinsung und Rückzahlung der Darlehen stellen hinreichend sicher, dass eine drohende Verschuldung nicht abschreckend auf die Aufnahme eines Studiums wirkt. Der Landesgesetzgeber hat das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes beachtet. Er hat den Studierenden, die - wie die Kläger - bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes ihr Studium bereits begonnen hatten, durch eine Übergangsfrist von zwei gebührenfreien Semestern ausreichend Zeit gewährt, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.
Eine weiter ausgreifende Übergangsregelung war auch nicht zu Gunsten der Studenten geboten, die vor ihrem Studium Wehr- oder Zivildienst geleistet hatten, ihr Studium deshalb erst später beginnen konnten und dementsprechend länger Studiengebühren zahlen müssen. Das Grundgesetz stellt die Dienstpflichtigen in ein besonderes Pflichtenverhältnis und mutet ihnen die kompensationslose Hinnahme damit verbundener Nachteile grundsätzlich zu.
Ein Verstoß gegen den durch das Grundgesetz gewährleisteten Schutz der Familie liegt nicht darin, dass nach dem Landeshochschulgebührengesetz wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes zwar eine Gebührenbefreiung gewährt wird, nach der ursprünglichen Fassung des Gesetzes jedoch nur, wenn das Kind zu Beginn des jeweiligen Semesters das achte (jetzt: das vierzehnte) Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mithin Eltern, die wie die Klägerin ältere Kinder betreuen, von dieser generellen Gebührenbefreiung ausgenommen sind. Durch die Festlegung der hier noch maßgeblichen Altersgrenze von acht Jahren hat der Gesetzgeber an tatsächliche Umstände in der Entwicklung von Kindern angeknüpft, die auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen, beispielsweise im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, berücksichtigt sind.
Dagegen darf bei der Ausgestaltung der Gebührenregelung nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben, dass sich durch die Mitarbeit in Gremien der universitären Selbstverwaltung die Studienzeit verlängern kann. Denn damit würde der Gesetzgeber unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund gleichbehandeln. Der Gesetzgeber muss aber keine pauschale Befreiung von der Gebührenpflicht für Semester vorsehen, in der ein Studierender in Gremien der universitären Selbstverwaltung mitgearbeitet hat. Es reicht aus, ist aber auch erforderlich, dass eine solche Mitarbeit im Sinne der allgemeinen Erlassregelung als unbillige Härte anerkannt wird, wenn sie sich im Einzelfall nachteilig auf den Fortgang des Studiums ausgewirkt und unvermeidbar zu dessen Verlängerung geführt hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.12.2010
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online