18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil15.12.2010

BVerwG: Allgemeine Studiengebühren in Baden-Württemberg sind rechtmäßigEinführung allgemeiner Studiengebühren stellt keine unüberwindliche soziale Barriere für Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums dar

Die Vorschriften des baden-württem­ber­gischen Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes zur Regelung allgemeiner Studiengebühren sind mit dem Bundesrecht vereinbar. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Nachdem das Land Baden-Württemberg zunächst nur Studiengebühren von so genannten Langzeit­stu­die­renden erhoben hatte, hat es durch eine Änderung seines Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes, die im Dezember 2005 in Kraft getreten ist, ab dem Sommersemester 2007 für alle Studierenden allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 Euro je Semester eingeführt.

Kläger wenden sich gegen Zahlung von Studiengebühren

Drei der Kläger studieren an der Universität Karlsruhe und eine Klägerin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Sie hatten ihr Studium jeweils vor Inkrafttreten des geänderten Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes aufgenommen. Die drei Kläger hatten vor Aufnahme ihres Studiums Zivil- oder Wehrdienst geleistet. Der Kläger des Verfahrens BVerwG 6 C 10.09 hat zu Beginn seines Studiums zudem mehrere Semester in der universitären Selbst­ver­waltung als Beauftragter des Rektorats für den Arbeitsbereich Soziales und als Mitglied des Allgemeinen Studen­te­n­aus­schusses mitgewirkt. Die Klägerin des Verfahrens BVerwG 6 C 9.09 ist Mutter zweier 1993 und 1995 geborener Kinder. Die Kläger wandten sich gegen die Bescheide ihrer Hochschulen, durch die sie ab dem Sommersemester 2007 zu Studiengebühren herangezogen wurden.

Klagen in allen Instanzen erfolglos

Die Verwal­tungs­ge­richte Karlsruhe und Freiburg haben die Klagen abgewiesen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Die Revisionen blieben erfolglos.

Vorschriften zur Einführung allgemeiner Studiengebühren verfas­sungsgemäß

Wie schon früher im Falle vergleichbarer Regelungen des nordrhein-westfälischen Hochschulrechts (vgl. Bundes­ver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 29.04.2009 - BVerwG 6 C 16.08 -) hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nunmehr auch die Vorschriften des baden-württem­ber­gischen Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes zur Einführung allgemeiner Studiengebühren als verfassungsgemäß beurteilt.

Kein Verstoß gegen Grundrecht auf freien Zugang zur Ausbil­dungs­stätte

Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Grundrecht auf freien Zugang zur Ausbil­dungs­stätte vor. Der Landes­ge­setzgeber hat mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren keine unüberwindliche soziale Barriere für die Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums errichtet. Eine Studiengebühr von 500 € je Semester ist mit Blick auf die Kosten und Vorteile eines Hochschul­studiums von der Höhe her moderat. Die dennoch spürbare Zusatzbelastung hat der Landes­ge­setzgeber in sozia­l­ver­träg­licher Weise abgemildert, insbesondere dadurch, dass er den Studierenden einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung der Studiengebühren eingeräumt hat. Die Regelungen zur Verzinsung und Rückzahlung der Darlehen stellen hinreichend sicher, dass eine drohende Verschuldung nicht abschreckend auf die Aufnahme eines Studiums wirkt. Der Landes­ge­setzgeber hat das rechts­s­taatliche Gebot des Vertrau­ens­schutzes beachtet. Er hat den Studierenden, die - wie die Kläger - bei Inkrafttreten des Änderungs­ge­setzes ihr Studium bereits begonnen hatten, durch eine Übergangsfrist von zwei gebührenfreien Semestern ausreichend Zeit gewährt, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.

Keine ausgreifende Überg­angs­re­gelung zu Gunsten von Studenten mit voraus­ge­gangenem Wehr- oder Zivildienst

Eine weiter ausgreifende Überg­angs­re­gelung war auch nicht zu Gunsten der Studenten geboten, die vor ihrem Studium Wehr- oder Zivildienst geleistet hatten, ihr Studium deshalb erst später beginnen konnten und dementsprechend länger Studiengebühren zahlen müssen. Das Grundgesetz stellt die Dienst­pflichtigen in ein besonderes Pflich­ten­ver­hältnis und mutet ihnen die kompen­sa­ti­o­nslose Hinnahme damit verbundener Nachteile grundsätzlich zu.

Kein Verstoß gegen grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Familie

Ein Verstoß gegen den durch das Grundgesetz gewährleisteten Schutz der Familie liegt nicht darin, dass nach dem Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes zwar eine Gebüh­ren­be­freiung gewährt wird, nach der ursprünglichen Fassung des Gesetzes jedoch nur, wenn das Kind zu Beginn des jeweiligen Semesters das achte (jetzt: das vierzehnte) Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mithin Eltern, die wie die Klägerin ältere Kinder betreuen, von dieser generellen Gebüh­ren­be­freiung ausgenommen sind. Durch die Festlegung der hier noch maßgeblichen Altersgrenze von acht Jahren hat der Gesetzgeber an tatsächliche Umstände in der Entwicklung von Kindern angeknüpft, die auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen, beispielsweise im Bundes­el­terngeld- und Eltern­zeit­gesetz, berücksichtigt sind.

Keine pauschale Gebüh­ren­be­freiung bei Mitarbeit in Gremien der universitären Selbst­ver­waltung

Dagegen darf bei der Ausgestaltung der Gebüh­ren­re­gelung nicht von vornherein unberück­sichtigt bleiben, dass sich durch die Mitarbeit in Gremien der universitären Selbst­ver­waltung die Studienzeit verlängern kann. Denn damit würde der Gesetzgeber unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund gleichbehandeln. Der Gesetzgeber muss aber keine pauschale Befreiung von der Gebührenpflicht für Semester vorsehen, in der ein Studierender in Gremien der universitären Selbst­ver­waltung mitgearbeitet hat. Es reicht aus, ist aber auch erforderlich, dass eine solche Mitarbeit im Sinne der allgemeinen Erlassregelung als unbillige Härte anerkannt wird, wenn sie sich im Einzelfall nachteilig auf den Fortgang des Studiums ausgewirkt und unvermeidbar zu dessen Verlängerung geführt hat.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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