18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil16.02.2009

Baden-Württemberg: Hochschulen dürfen Studiengebühren erhebenLandes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz verstößt nicht gegen höherrangiges Recht

Die Erhebung von Studiengebühren auf der Grundlage des Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes ist rechtmäßig. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg entschieden. Die von den Klägern - einer Studentin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg sowie drei Studenten an der Universität Karlsruhe - eingelegten Berufungen gegen Entscheidungen der Verwal­tungs­ge­richte Freiburg und Karlsruhe blieben damit ohne Erfolg.

Das Ende 2005 geänderte Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz sieht die Erhebung allgemeiner Studiengebühren für "grundständige Studiengänge und für konsekutive Master­stu­diengänge" an staatlichen Hochschulen und an Berufsakademien in Höhe von 500 € je Semester ab dem Sommersemester 2007 vor. Die Gebühren stehen der Hochschule und Berufsakademie, die sie eingenommen hat, zweckgebunden für die Erfüllung ihrer Aufgaben in Studium und Lehre zur Verfügung. Über die Verwendung der Einnahmen ist unter Beteiligung einer Vertretung der Studierenden zu entscheiden. Aufgrund dieser Regelung wurden die Kläger jeweils durch Bescheide der beklagten Hochschulen verpflichtet, für die weitere Dauer ihres Studiums - beginnend ab dem Sommersemester 2007 - eine Gebühr in Höhe von 500 € je Semester zu entrichten.

Studenten erheben Klage gegen Studien­ge­bühr­be­scheid

Die gegen diese Bescheide erhobenen Klagen hatten in der ersten Instanz keinen Erfolg. Mit ihren Berufungen machten die Kläger wie schon vor den Verwal­tungs­ge­richten geltend, die entsprechenden Vorschriften des Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes seien verfassungs- und bundes­ge­set­z­widrig. Die Gebühr schrecke Studierwillige aus einkom­mens­schwachen Elternhäusern von der Aufnahme eines Studiums ab und verstoße deshalb sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem der Bundes­ge­setzgeber mit Gesetz vom 23.11.1973 zugestimmt habe.

Studenten halten Befrei­ungs­re­ge­lungen und Überg­angs­re­ge­lungen für rechtswidrig

Die Kläger beanstandeten ferner die Ausgestaltung der Befrei­ungs­vor­schriften sowie der Überg­angs­re­gelung. Das Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz sieht eine Befreiung vor für Studierende, die ein Kind pflegen und erziehen. Dabei gilt nach der ursprünglichen Fassung der betreffenden Vorschrift eine Altersgrenze von acht Jahren. Die Klägerin ist Mutter von zwei Kindern, die beide älter als acht Jahre sind. Eine Gebüh­ren­be­freiung wurde ihr deshalb nicht gewährt. Die Klägerin hält dies für gleich­heits­widrig. Die Kläger waren vor ihrem Studium zum Wehr- oder Ersatzdienst einberufen worden. Sie sind der Ansicht, dass sie gegenüber anderen Studierenden des gleichen Jahrgangs, die keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätten, benachteiligt seien. Denn diese hätten zunächst noch gebührenfrei studieren können.

Richter: Studiengebühr rechtmäßig

Der Verwal­tungs­ge­richtshof ist der Argumentation der Kläger nicht gefolgt. Nach Ansicht des Verwal­tungs­ge­richtshofs verstößt das Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz nicht gegen höherrangiges Recht. Die Einführung der Studiengebühr kollidiere nicht mit Zielen des Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setzes. Nach dem Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz habe jeder Studierende das Recht, bei der L-Bank ein Darlehen zur Finanzierung der während des Studiums anfallenden Studiengebühren aufzunehmen. Dadurch werde verhindert, dass Studierende BAföG-Mittel zur Zahlung der Studiengebühr aufwenden müsse. Das Gesetz stehe ferner mit der durch Art. 12 GG gewährleisteten Berufs- und Ausbil­dungs­freiheit in Einklang. Das Recht des Einzelnen, zum Hochschul­studium seiner Wahl zugelassen zu werden, beinhalte nicht den Anspruch, kostenfrei studieren zu dürfen. Art. 12 GG in Verbindung mit dem Sozial­staats­prinzip dürfte es den Ländern allerdings gebieten, bei der Einführung von Studiengebühren eine Regelung zu treffen, die den Belangen einkom­mens­schwacher Bevöl­ke­rungs­kreise angemessen Rechnung trage. Dieser Verpflichtung werde jedoch mit dem Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz entsprochen, da jeder Studierende das bereits erwähnte Recht zur Aufnahme eines Darlehens habe, das er im Regelfall erst zwei Jahre nach Abschluss seines Studiums in monatlichen Raten von höchstens 150 € zurückzahlen müsse. Die Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens sei zudem einkom­men­s­ab­hängig. Sie setze bei einem Alleinstehenden nur ein, wenn dieser ein Einkommen von mindestens 1.060 € habe. Das Darlehen müsse allerdings verzinst werden. Der Zinssatz sei gesetzlich nicht auf einen bestimmten Betrag festgelegt, seine Höhe sei vielmehr von der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus abhängig. Mit der Inanspruchnahme eines Darlehens sei deshalb eine erhebliche zusätzliche finanzielle Belastung verbunden. Für Studierende, die ein BAföG-Darlehen sowie ein Studien­ge­büh­ren­da­rlehen aufgenommen hätten, sei die Höhe der Rückzah­lungs­pflicht jedoch auf 15.000 € begrenzt. Das Studien­ge­büh­ren­da­rlehen stelle sich danach für einen erheblichen Teil der BAföG-Empfänger als zinsloses Darlehen dar. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Stundung, des Erlasses oder der Niederschlagung.

Auch Studierende, die vor Einführung der Studiengebühr das Studium aufgenommen haben, müssen Studiengebühr zahlen

Nicht zu beanstanden sei weiter, dass die Studiengebühr auch von Studierenden bezahlt werden müsse, die ihr Studium noch unter der Geltung der früheren Rechtslage begonnen hätten. Das Interesse des Gesetzgebers, zur raschen Erreichung der mit der Neuregelung verfolgten Zwecke, Studiengebühren auch von bereits Studierenden zu erheben, wiege schwerer als deren Erwartung, das begonnene Studium ohne Gebüh­ren­be­lastung abschließen zu können. Den Betroffenen sei zudem ein Zeitraum von 15 Monaten eingeräumt worden, um sich auf die Gebührenpflicht einstellen zu können.

Altersgrenze rechtmäßig

Die Altersgrenze von acht Jahren, die bei der Gebüh­ren­be­freiung für Studierende mit Kindern ursprünglich gegolten habe, verstoße nicht gegen das Gleich­be­hand­lungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber sei dabei davon ausgegangen, dass bei älteren Kindern der Betreu­ungs­aufwand wegen der größeren Selbst­stän­digkeit der Kinder geringer sei. Gegen diese Überlegung bestünden keine Bedenken. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Gesetzgeber inzwischen entschieden habe, die Altersgrenze von acht auf 14 Jahre anzuheben.

Das Landes­ge­setzgeber sei schließlich auch nicht verpflichtet gewesen, die Nachteile auszugleichen, die Studierenden, die zuvor Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätten, dadurch entstünden, dass sie ihr Studium zwei Semester später hätten beginnen können. Das Gleiche gelte für Studierende, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung in Hochschul­gremien mitgewirkt hätten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 16.02.2009

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