23.11.2024
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil11.07.2007

Baden-Württemberg: Studenten müssen Studiengebühren zahlenKeine abschreckende Wirkung auf Studierwillige

Die Erhebung von Studiengebühren ab dem Sommersemester 2007 auf der Grundlage des Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­ge­setzes ist rechtmäßig. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe. Ohne Erfolg blieben deshalb die Klagen dreier Studierender an der Universität und der Fachhochschule Karlsruhe, die sich gegen die Gebüh­ren­be­scheide ihrer Hochschulen zur Wehr gesetzt hatten.

Sie hatten geltend gemacht, die Erhebung einer Studiengebühr von 500,- EUR pro Semester sei verfassungs- und bundes­ge­set­z­widrig. Die Gebühr schrecke Studierwillige aus einkom­mens­schwachen Elternhäusern von der Aufnahme eines Studiums ab und verletze das Vertrauen der bereits Studierenden auf die gebührenfreie Beendigung ihres Studiums.

Das Verwal­tungs­gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Nach Ansicht des Gerichts steht das Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz mit höherrangigem Recht in Einklang. Das Land besitze die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz, nachdem das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die entge­gen­stehende bundes­rechtliche Regelung aus dem Jahr 2002 für nichtig erklärt habe. Der Bund hatte seinerzeit den Grundsatz der Gebüh­ren­freiheit des Erststudiums und eines nachfolgenden Studiengangs eingeführt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einführung der Studiengebühren zu einer „Verdrängung“ Studierwilliger zu Lasten anderer Bundesländer führe. Die Einführung der Studiengebühr kollidiere auch nicht mit Zielen des Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setzes. Denn durch den im Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz eingeräumten Darle­hens­an­spruch werde verhindert, dass Studierende BaföG-Mittel zur Zahlung der Studiengebühr aufwenden oder eine Erwer­b­s­tä­tigkeit aufnehmen müssten.

Die Wieder­ein­führung der 1970 abgeschafften Studiengebühr sei auch mit dem als Bundesrecht geltenden UN-Sozialpakt von 1966 vereinbar, der eine sozia­l­ver­trägliche Ausgestaltung von Studiengebühren verlange. Den ihm hierbei eingeräumten Prognose- und Gestal­tungs­spielraum habe der Landes­ge­setzgeber in vertretbarer Weise gehandhabt. Durch die Einführung eines Darle­hens­an­spruchs sowie die besonderen Modalitäten der Rückzah­lungs­pflicht habe er dafür gesorgt, dass Studierwillige nicht von der Aufnahme eines Studiums abgehalten würden. So sei der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens erst nach einer Karenzzeit nach Abschluss des Studiums fällig und auch danach einkom­men­s­ab­hängig. Beim Zusammentreffen von BaföG-Darlehen und Studien­ge­büh­ren­da­rlehen sei die Höhe der Rückzah­lungs­pflicht auf 15.000,-- € begrenzt, weshalb sich das Studien­ge­büh­ren­da­rlehen für einen erheblichen Teil der BAföG-Empfänger als zinsloses Darlehn darstelle. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Stundung, des Erlasses oder der Niederschlagung.

Das Gesetz stehe auch mit der durch Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit in Einklang. Das Recht des Einzelnen, zum Hochschul­studium seiner Wahl zugelassen zu werden, beinhalte nicht den Anspruch, kostenfrei studieren zu dürfen. Eine unüberwindliche soziale Zugangsbarriere zum Studium werde durch die Studiengebühr nicht errichtet.

Die Studiengebühr sei auch insoweit rechtmäßig, als sie auch Studierende zahlen müssten, die das Studium bereits begonnen hätten. Denn es habe kein Studierender darauf vertrauen dürfen, ein gebührenfrei begonnenes Studium ohne Gebüh­ren­be­lastung beenden zu können. Die Studierenden hätten außerdem seit der Verkündung des Gesetzes immerhin ca. 15 Monate Zeit gehabt, sich auf die Gebührenpflicht einzustellen.

Das Landes­hoch­schul­ge­büh­ren­gesetz verstoße auch nicht deswegen gegen das Grundgesetz, weil es nicht danach unterscheide, ob ein Studierender bereits Wehr- oder Ersatzdienst geleistet habe oder nicht. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, alle Nachteile auszugleichen, die als Folge der Erfüllung der Wehr- oder Zivil­dienst­pflicht eintreten. Auch mit Blick darauf, dass die Dienstpflicht verfas­sungs­rechtlich verankert sei, würden Wehr- oder Ersatz­dienst­leistende gegenüber den nicht­dienst­pflichtigen Kommilitonen nicht unver­hält­nismäßig schlechter gestellt. Der Nachteil bestehe letztlich nur in dem Verlust der Möglichkeit, zwei Semester länger studien­ge­büh­renfrei studieren zu können.

Es sei schließlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber – im Gegensatz zur früheren Regelung der Langzeit­stu­dien­ge­bühren – keine Befreiung von der Gebührenpflicht für die Zeit einer Mitwirkung in Hochschul­gremien oder -organen vorgesehen habe. Die Studierenden seien gehalten, ein vertretbares Maß an Gremien­tä­tigkeit zu wahren und nötigenfalls zusätzliche Zeit aufzuwenden, um ihr Studium zügig zu Ende zu führen. Im Einzelfall sei allerdings zu prüfen, ob die Studiengebühr ganz oder teilweise erlassen werden könne.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 03.12.2007

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