18.10.2024
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Urteil29.04.2009BundesverwaltungsgerichtBVerwG 6 C 16.08
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Bundesverwaltungsgericht Urteil29.04.2009

BVerwG erklärt nordrhein-westfälische Studienbeiträge für rechtmäßigDie landes­recht­lichen Grundlagen der Studien­bei­trags­er­hebung sind mit dem Bundesrecht vereinbar

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat in letzter Instanz die Klage der Studie­ren­den­schaft der Universität Paderborn abgewiesen, mit der diese in einem Musterprozess die Rückzahlung eines Semes­ter­bei­trages in Höhe von 500,- € durchsetzen wollte, den ihrer Ansicht nach die beklagte Universität ohne gültige Rechtsgrundlage für das Wintersemester 2006/2007 von einer Studentin der Wirtschafts­wis­sen­schaften erhoben hatte.

Das am 1. April 2006 in Kraft getretene nordrhein-westfälische Studienbeitrags- und Hochschul­ab­ga­ben­gesetz ermächtigt die Hochschulen des Landes, durch Beitragssatzung allgemeine Studienbeiträge von bis zu 500,- € pro Semester zu erheben. Von dieser Ermächtigung hat die Universität Paderborn wie die meisten nordrhein­west­fä­lischen Hochschulen unter Ausschöpfung des Höchstbetrages Gebrauch gemacht. Nach der Konzeption des Landesgesetzes soll die soziale Verträglichkeit der Beitrags­er­hebung vor allem durch Studien­bei­trags­da­rlehen sichergestellt werden, die alle Studierenden von der NRW.Bank erhalten können und die im Regelfall erst nach Abschluss des Studiums zurückgezahlt werden müssen. Die Darlehen werden mit einem variablen Zinssatz, in den nur die Kosten der Geldbeschaffung und die Verwal­tungs­kosten eingehen, verzinst. Die Darlehenslast, die sich für die Studierenden unter Einrechnung einer darlehensweise gewährten Förderung nach dem Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­gesetz ergibt, wird auf einen Höchstbetrag von 1.000,- € pro Semester und insgesamt 10.000,- € begrenzt. Die Hochschulen müssen die vereinnahmten Studienbeiträge zweckgebunden verwenden, und zwar hauptsächlich für die Verbesserung der Lehre und der Studien­be­din­gungen.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat festgestellt, dass die landes­recht­lichen Grundlagen der Studien­bei­trags­er­hebung mit Bundesrecht vereinbar sind.

"Recht auf chancengleiche Teilhabe an den staatlichen Ausbil­dungs­res­sourcen" - Land bietet Studien­bei­trags­da­rlehen für Studien­be­rechtigte aus einkom­mens­schwacher Bevöl­ke­rungs­schicht

Sie verletzen nicht das aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozial­staats­prinzip ableitbare Recht auf chancengleiche Teilhabe an den staatlichen Ausbil­dungs­res­sourcen. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber war sich der Problematik bewusst, dass allgemeinen Studienabgaben grundsätzlich eine abschreckende bzw. verdrängende Wirkung im Hinblick auf Studien­be­rechtigte aus einkom­mens­schwachen Bevöl­ke­rungs­schichten und bildungsfernen Elternhäusern zukommen kann. Zur Vermeidung dieses Effekts hat er insbesondere den Anspruch auf Gewährung eines Studien­bei­trags­da­r­lehens vorgesehen. Zwar können sich nicht nur wegen der Rückzahlung der Darlehenssumme, sondern vor allem auch wegen der für das Darlehen zu zahlenden Zinsen beachtliche Belastungen für die betroffenen Studierenden ergeben. Das Recht auf chancengleiche Teilhabe an den staatlichen Ausbil­dungs­res­sourcen fordert jedoch nicht, dass Erschwernisse, die mit der Erhebung von Studienabgaben verbunden sind, durch soziale Begleit­maß­nahmen vollständig kompensiert werden. Diese Maßnahmen müssen nur hinreichend sicher verhindern, dass die Abgabenerhebung zu unüber­wind­lichen sozialen Barrieren für die Aufnahme oder die Weiterführung eines Studiums bzw. zu einer sozialen Unver­träg­lichkeit führt. Diesen Anforderungen werden die durch den nordrhein-westfälischen Landes­ge­setzgeber vorgesehenen Studien­bei­trags­da­rlehen auch im Hinblick auf die Zinsregelung - noch - gerecht.

Durch Art. 13 Abs. 2 Buchst c des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) war der Landes­ge­setzgeber ebenfalls nicht an der (Wieder-) Einführung allgemeiner Studienabgaben gehindert. Nach dieser Bestimmung erkennen die Vertragsstaaten an, dass der Hochschul­un­terricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unent­gelt­lichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss.

Sicherstellung des chancengleichen Zugangs zur Hochschul­bildung unabhängig von der finanziellen Leistungs­fä­higkeit der Studierenden

Die Bestimmung ist darauf gerichtet, den auf jede geeignete Weise sicherzustellen. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass ein erreichter Standard bei der Sicherung des chancengleichen Hochschul­zu­ganges im Wesentlichen erhalten bleiben muss, sind die nationalen Gesetzgeber jedenfalls nicht an systemwahrenden Veränderungen des status quo gehindert. Ihnen kommen dann im Gegenteil in diesem Rahmen beträchtliche Spielräume zu. Insbesondere ist die Unent­gelt­lichkeit des Hochschul­un­ter­richts kein verbindlicher Selbstzweck des Art. 13 Abs. 2 Buchst c IPwskR. Sie hat vielmehr, obwohl sie als ein Mittel zur Erreichung des chancengleichen Hochschul­zu­ganges besonders hervorgehoben wird, eine nur dienende Funktion. Wird sie als Mittel zur Erreichung des Zwecks der Regelung nicht eingesetzt, muss die Entgelterhebung sozia­l­ver­träglich ausgestaltet sein. Es gilt mithin derselbe Maßstab, den das nationale Verfas­sungsrecht für die chancengleiche Teilhabe an den staatlichen Ausbi­lungs­res­sourcen vorgibt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 24/09 des BVerwG vom 29.04.2009

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