18.10.2024
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Dokument-Nr. 10749

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Urteil17.12.2010BundesgerichtshofV ZR 44/10, 45/10 und 46/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2011, 325Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2011, Seite: 325
  • MMR 2011, 480Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2011, Seite: 480
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.12.2010

"Knipsgebühr": Stiftung "Preußische Schlösser und Gärten" darf auf ihrem Gelände gefertigte Foto- und Filmaufnahmen untersagenBGH erklärt "Knipsgebühr" für Preußen-Schlösser für rechtmäßig

Für kommerziell genutzte Fotos darf die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten für ihre Schlösser in Berlin und Brandenburg eine "Knipsgebühr" erheben. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der u. a. für das Grund­s­tücksrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten die ungenehmigte Herstellung und Verwertung von Foto- und Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Gebäude und Gartenanlagen zu gewerblichen Zwecken untersagen darf, wenn sie Eigentümerin ist und die Aufnahmen von ihren Grundstücken aus hergestellt worden sind.

Sachverhalt

Die Klägerin, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die durch Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg errichtet wurde, hat die Aufgabe, die ihr übergebenen Kulturgüter zu bewahren, unter Berück­sich­tigung historischer, kunst- und garten­his­to­rischer und denkma­l­pfle­ge­rischer Belange zu pflegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie verwaltet über 150 historische Bauten und rund 800 ha Gartenanlagen in Berlin und Brandenburg, u. a. Sanssouci, Cecilienhof, Park und Schloss Rheinsberg, Schloss Charlottenburg, Jagdschloss Grunewald, Pfaueninsel. Diese Bauten und Gartenanlagen sind größtenteils in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO aufgenommen worden und gehören zu den beliebtesten touristischen Zielen in Deutschland. Die Klägerin wehrt sich dagegen, dass Foto- und Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter ohne ihre – hier nicht erteilte – Genehmigung zu gewerblichen Zwecken angefertigt und vermarktet werden. Sie verlangt in drei Verfahren von den Beklagten, eine solche Vermarktung zu unterlassen, ihr Auskunft über die Zahl der Foto- und Filmaufnahmen und der damit erzielten Einnahmen zu erteilen und die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens.

BGH entschied in drei Verfahren

Eine der drei Beklagten (V ZR 45/10) ist eine Fotoagentur, die teils eigene, teils fremde Fotos vermarktet. Der Beklagte des zweiten Verfahrens (V ZR 46/10) hat Filmaufnahmen von Gebäuden und Gartenanlagen auf den Anwesen der Stiftung ungenehmigt in einer DVD über Potsdam verarbeitet, die er gewerblich vertreibt. Die Beklagte des dritten Verfahrens (V ZR 44/10) betreibt als Diensteanbieter eine Inter­net­plattform, auf der gewerblich und frei-beruflich tätige Fotografen Fotos zum entgeltlichen Herunterladen ins Internet stellen können. Sie hat ca. 4 Millionen Bilder in dem Bildportal gespeichert, darunter etwa 1.000 Fotos von Kulturgütern, die die Klägerin verwaltet, so z.B. Parkanlagen, Skulpturen, Außen- und Innenansichten historischer Gebäude.

OLG: Verwer­tungsrecht steht dem Urheber der Ablichtung zu

Das Landgericht hat den Klagen stattgegeben, das Oberlan­des­gericht hat sie abgewiesen. Das Eigentumsrecht beschränke sich auf den Schutz der Sachsubstanz und deren Verwertung. Die Ablichtung der Sache und die Verwertung von Ablichtungen stellten keinen Eingriff in das Eigentumsrecht dar. Das Verwer­tungsrecht stehe vielmehr dem Urheber der Ablichtung zu. Dieser Auffassung ist der Senat nicht gefolgt.

BGH: Stiftung darf für die Herstellung und Verwertung von Foto- oder Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter zu gewerblichen Zwecken ein Entgelt verlangen

Er hat die erste Grundfrage aller drei Verfahren, nämlich, ob die Klägerin als Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin die Herstellung und Verwertung von Foto- oder Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter zu gewerblichen Zwecken von ihrer - an ein Entgelt geknüpften - Zustimmung abhängig machen darf, bejaht. Er knüpft dabei an die Rechtsprechung des u. a. für das Urheberrecht zuständigen I. Zivilsenats des Bundes­ge­richtshofs an, die durch zwei Entscheidungen repräsentiert wird, die unter den Bezeichnungen "Schloss Tegel" (I ZR 99/73) und "Friesenhaus" (I ZR 54/87) bekannt geworden sind.

BGH unterscheidet: Wurden Fotos von außerhalb des Grundstücks aufgenommen oder ist das Grundstück betreten worden?

Nach den vorgenannten Entscheidungen kann der Eigentümer die Herstellung und Verwertung von Fotos nicht untersagen, wenn sie von außerhalb seines Grundstücks aufgenommen worden sind. Er kann sie hingegen untersagen, wenn sie von seinem Grundstück aus aufgenommen worden sind. Das ist eine Folge des Eigentumsrechts. Der Eigentümer kann bestimmen, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen jemand sein Grundstück betritt. Ihm steht das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien zu, die von seinem Grundstück aus aufgenommen worden sind.

BGH: Stiftung ist nicht verpflichtet, Gebäude und Parkanlagen unentgeltlich für gewerbliche Zwecke zugänglich zu machen

Die zweite Grundfrage, nämlich, ob die Klägerin als Stiftung des öffentlichen Rechts (anders als ein Privatmann) unter Berück­sich­tigung der Vorschriften über ihre Aufgaben den Interessenten die Gebäude und Parkanlagen unentgeltlich für gewerbliche Zwecke zugänglich machen muss, verneint der Senat. Der Staatsvertrag beschreibt die Aufga­ben­stellung der Stiftung dahin, dass sie die ihr übergebenen Kulturgüter bewahren, unter Berück­sich­tigung historischer, kunst- und garten­his­to­rischer und denkma­l­pfle­ge­rischer Belange pflegen, ihr Inventar ergänzen und der Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Aus der Satzung, die das Nähere dazu regelt, ergibt sich zwar, dass die Gärten und Parkanlagen als Erholungsgebiet zu gewährleisten sind und kein Eintrittsgeld erhoben wird. Aus ihr ergibt sich aber auch, dass schon diese Verpflichtung nur gilt, soweit Erhaltung und Pflege des Kulturguts, denen im Zweifel der Vorrang einzuräumen ist, das erlauben. Außerdem gilt die Kostenfreiheit nicht für Foto- und Filmaufnahmen zu gewerblichen Zwecken. Vielmehr ist die Klägerin ermächtigt, hierfür Entgelte zu verlangen.

Danach war die Sache in dem Verfahren V ZR 45/10 an das Berufungs­gericht zurück­zu­ver­weisen. Die weiteren Voraussetzungen der Ansprüche der Klägerin, insbesondere, ob sie Eigentümerin der von ihr verwalteten Anwesen ist, bedürfen noch der Klärung. Das war in dem Verfahren V ZR 46/10 anders. Hier stand das Eigentum der Klägerin fest. Deshalb sind der Unter­las­sungs­an­spruch und der Auskunfts­an­spruch gegeben. Insoweit konnte abschließend entschieden werden. Hinsichtlich des Schaden­s­er­satz­an­spruchs sind dagegen noch weitere Feststellungen zum Verschulden erforderlich.

Besonderheit im Verfahren V ZR 44/10: Beklagte hatte Fotos nicht selbst angefertigt, sondern bietet nur über eine Inter­net­plattform einen virtuellen Markplatz an

In dem Verfahren V ZR 44/10 lag die Besonderheit darin, dass die Beklagte selbst keine Foto- oder Filmaufnahmen von Gebäuden und Gartenanlagen der Klägerin angefertigt hatte und sie auch nicht selbst verwertet, sondern nur einen virtuellen Marktplatz zur eigenständigen Verwertung durch die Fotografen und Fotoagenturen bereitstellt. Auch hier folgt der Senat der Rechtsprechung des I. Zivilsenats, die durch Entscheidungen mit den Schlagworten "Internet I bis III" (I ZR 304/01, I ZR 35/04 und I ZR 73/05), "jugend­ge­fährdende Medien bei ebay" ( I ZR 18/04) und "Sommer unseres Lebens" ( I ZR 121/08) bekannt geworden ist. Danach muss der Betreiber eines virtuellen Marktplatzes die dort angebotenen Fotos nur überprüfen, wenn er eine Verletzung von Immate­ri­a­l­gü­ter­rechten und Eigen­tums­rechten oder andere Rechts­ver­let­zungen erkennen kann. Daran fehlt es hier, weil den Bildern von Gebäuden und Gartenanlagen der Klägerin nicht anzusehen ist, ob sie ohne Genehmigung aufgenommen wurden oder nicht.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

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