21.11.2024
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Dokument-Nr. 14411

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Urteil10.05.2012Oberlandesgericht Köln15 U 199/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2012, 815Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2012, Seite: 815
  • GRUR-RR 2012, 486Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (GRUR-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 486
  • MMR 2012, 840Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2012, Seite: 840
  • ZUM 2012, 987Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2012, Seite: 987
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Landgericht Köln, Urteil19.10.2011, 28 O 116/11
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Urteil10.05.2012

Google-Autocomplete-Funktion: Ergän­zungs­such­be­griffe einer Internet-Suchmaschine haben keinen eigenen AussageinhaltKeine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts

Den bei Eingabe eines Suchbegriffes in eine Internet-Suchmaschine durch diese im Rahmen einer automatisierten Vervoll­stän­di­gungs­funktion angezeigten Ergän­zungs­such­be­griffen kommt kein eigenständiger Aussageinhalt der Suchmaschine bzw. des Betreibers zu. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Köln hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall befasste sich die Klägerin mit dem Direktvertrieb von Nahrungs­er­gän­zungs­mitteln und Kosmetika. Die Beklagte betrieb eine Internet-Suchmaschine. Dem Internetnutzer wurden bei Eingabe seiner Suchbegriffe in Form von Wortkom­bi­na­tionen verschiedene Suchvorschläge (Predictions) angezeigt. Diese Suchvorschläge wurden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der unter anderem die Anzahl der von anderen Nutzern der Suchmaschine eingegebenen Suchanfragen einbezog. Bei Eingabe des Namens der Klägerin erschienen als Suchvorschläge folgende Wörter: "scientology" und "betrug". Die Klägerin war der Meinung dies verletze ihr allgemeines Persön­lich­keitsrecht und klagte auf Unterlassung und Entschädigung.

Kein Anspruch auf Unterlassung und Entschädigung

Das Oberlan­des­gericht Köln entschied gegen die Klägerin. Es bestand weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch eine Anspruch auf Zahlung einer Geldent­schä­digung. Denn aus Sicht eines unvor­ein­ge­nommenen verständigen Durch­schnitts­nutzer der Suchmaschine lässt sich der Anzeige der Ergän­zungs­such­be­griffe lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine entnehmen, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffs­kom­bi­na­tionen zur Recherche eingegeben hatten oder dass sich die Ergän­zungs­such­be­griffe in verlinkten Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Bei dieser Aussage handelte es sich jedoch um eine wahre Tatsa­chen­be­hauptung, die kein das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Klägerin verletzende Aussagegehalt hatte und somit von ihr hinzunehmen war.

Ergän­zungs­such­be­griffe bedürfen einer Auslegung

Welcher Aussagegehalt einer aus der Zusam­men­stellung einzelner sprachlicher Begriffe gebildeten sprachlichen Äußerung beizumessen ist, so das Oberlan­des­gericht weite, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese darf sich nicht in der semantischen Würdigung der verwendeten einzelnen Begriffe erschöpfen, sondern hat die daraus gebildete Äußerung als zusam­men­hän­gendes Ganzes zu würdigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 = NJW 1995, 3303). Da es auf die Ermittlung des objektiven Sinnes der Äußerung ankommt, ist dabei weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis des sich Betroffenen maßgeblich, sondern entscheidend darauf abzustellen, wie ein unvor­ein­ge­nommenes und verständiges Durch­schnitts­pu­blikum die Äußerung ausgehend von ihrem Wortlaut unter Berück­sich­tigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und des sprachlichen Kontextes sowie der erkennbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Begleitumstände versteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2008 - VI ZR 7/07 = AfP 2008, 297). Bei Anwendung dieser Kriterien kam das Oberlan­des­gericht zu der Überzeugung, dass den angezeigten Ergän­zungs­such­be­griffen, die bei Eingabe der Klägerin in der Suchmaschine erschienen, keine Aussage des Inhalt zu kam, dass die Klägerin entweder Mitglied bei Scientology sei oder aber Scientology zumindest positiv gegenüberstehe oder dass sie Täter oder Teilnehmerin eines Betruges sei.

Eigenständiger Sinngehalt der Begriffe zweifelhaft

Das Oberlan­des­gericht hatte bereits Zweifel, ob den Begriffen überhaupt ein solcher Sinngehalt entnommen werden konnte. Zwar waren die Begriffe "scientology" und "betrug" jeweils für sich genommen geeignet, negative Vorstellungen hervorzurufen. Jedoch war zu beachten, dass bei Slogans und schlag­wort­artigen Äußerungen, die lediglich die Aufmerksamkeit des Publikums erregen und Anreiz zu Nachfragen oder zu der Nachforschung weiterer Infor­ma­ti­o­ns­quellen bieten sollen, das Verständnis einer eigenständigen, aus sich heraus aussa­ge­kräftigen Äußerung fern liege (vgl. BVerG, Beschl. v. 08.09.2010 - 1 BvR 1890/08).

Entscheidung über eigenständigen Sinngehalt konnte offen bleiben

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts konnte eine Entscheidung darüber jedoch dahinstehen. Denn aufgrund der Erfahrungen die Nutzer von Suchmaschinen gewonnen haben, liegt ein Verständnis dahingehend, dass zwischen dem eingegebenen Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergän­zungs­vor­schlägen inhaltliche Bezüge hergestellt werden, fern.

Sinn und Zweck einer Suchmaschine ist es, Fremd­ver­öf­fent­li­chungen und darin enthaltene Informationen nachzuweisen, nicht aber eigene Information mitzuteilen. Bereits die Bezeichnung als "Suchmaschine" beinhaltet, dass der geleistete Nachweis an Information nicht aus kognitiver intellektueller Leistung herrührt, sondern das Ergebnis eines compu­ter­ge­steuerten, automatisierten Vorgangs ist (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2011 - 3 U 67/11 = ZUM-RD 2011, 670). Dies wird dadurch verdeutlicht, dass bereits bei Eingabe des ersten Buchstabens des Suchwortes, also noch bevor überhaupt ein Sinngehalt des einzugebenden Suchwortes und damit ein etwaiger Themenbezug erkennbar wird, Ergän­zungs­vor­schläge angezeigt werden. Das Oberlan­des­gericht würdigt dies dahingehend, dass der Nutzer einer Suchmaschine auch nach vollendeter Eingabe seines Suchwortes eben nicht erwartet, dass ein sachlicher Bezug zu dem mit dem Suchbegriff indizierten Thema der Recherche hergestellt wird.

Missverstehen einzelner unbeachtlich

Das Oberlan­des­gericht Köln führte weiter aus, dass die bloße Möglichkeit, dass einzelne Nutzer die Sucher­gän­zungs­vor­schläge missverstehen, den Anspruch nicht begründen konnte.

Haftungs­pri­vi­le­gierung aus § 10 TMG griff nicht

Die für die Speicherung fremder Informationen in § 10 Satz 1 TMG vorgesehene Haftungsbeschränkung betrifft lediglich die strafrechtliche Verant­wort­lichkeit und die Schadenshaftung, so das Oberlan­de­gericht weiter. Unter­las­sungs­ansprüche werden dadurch nicht erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2009 - VI ZR 196/08 = NJW 2009, 2888). Darüber hinaus ging es im vorliegenden Fall um einen von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen "eigenen" Inhalt und nicht um das Zugäng­lich­machen oder Präsentieren von Fremdinhalten, auf die allein § 10 TMG Anwendung findet.

Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (vt/rb)

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