21.11.2024
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Oberlandesgericht München Urteil29.09.2011

Google-"Snippets": Suchergebnisse ("Snippets") haben keinen eigenen AussageinhaltDas gleiche gilt für die Ergän­zungs­such­be­griffe (Autocomplete-Funktion)

Die bei einer Suchmaschine erscheinenden Suchergebnisse und Suchvorschläge stellen keine eigene Aussage des Suchma­schi­nen­be­treibers dar. Es werden nur fremde Inhalte angezeigt. Daher bestehen keine Ansprüche auf Unterlassen der Anzeige bestimmter Suchergebnisse und -vorschläge gegen einen Suchma­schi­nen­be­treiber. Dies hat das Oberlan­des­gericht München entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall bot die Antragstellerin im Internet ein Online-Branchenbuch für Firmen an. Gab man den Namen der Antragstellerin als Suchbegriff bei Google ein, erschienen als Suchvorschläge im Rahmen der Autover­voll­stän­digung folgende Wörter: Betrug und Abzocke. Als Suchergebnisse wurde die Begriffe "Adress­buch­schwindel" und "Adress­buch­betrug" angezeigt. Dagegen wehrte sich die Antragstellerin mit Unter­las­sungs­ansprüchen im Wege des einstweiligen Rechtschutzes. Das Landgericht München I erließ antragsgemäß eine einstweilige Verfügung. Die Antragsgegnerin legte daraufhin Berufung ein.

Suchergebnisse begründen keine wettbe­wer­bs­recht­lichen Unter­las­sungs­ansprüche

Das Oberlan­des­gericht München gab der Antragsgegnerin Recht. Der Antragstellerin habe keine wettbe­wer­bs­recht­lichen Unter­las­sungs­ansprüche zugestanden. Die Antragsgegnerin habe durch die automatisierte Generierung und Anzeige der Sucher­geb­ni­seinträge weder als Täterin noch als Teilnehmerin die Merkmale eines wettbe­wer­bs­recht­lichen Verstoßes erfüllt. Denn sie mache in einem vollständig automatisierten Verfahren lediglich fremde Inhalte im Internet auffindbar und fasse diese fremden Inhalte wiederum vollständig automatisiert als Orien­tie­rungshilfe für den Nutzer verkürzt zusammen. Dadurch mache sie sich die fremden Inhalte nicht zu eigen. Es sei weiterhin zu berücksichtigen, dass für den verständigen und angemessen aufmerksamen Durch­schnitts­nutzer der Suchmaschine bereits aufgrund des maschinellen Charakters der Suchmaschine klar sei, dass sich nicht Google selbst äußere, sondern lediglich fremde Inhalte wiedergegeben werden (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2011 - 3 U 67/11).

Es sei nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts auch nicht erforderlich, dass sich die Antragsgegnerin inhaltlich von den angezeigten Suchergebnissen distanziere. Dies ergebe sich nämlich bereits aus der äußeren Form der Verbreitung im Rahmen von Suchergebnissen, denn die Suchmaschine durchsuche eine riesige Menge von Daten, welche sich ständig ändern und deren Umfang in hohem Tempo täglich immer weiter anwächst und welche inhaltlich nicht zur Disposition der Suchmaschine stehen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2011 - 3 U 67/11).

Suchvorschläge begründen ebenfalls keine Unter­las­sungs­ansprüche

Ein Wettbe­wer­bs­verstoß wegen der angezeigten Suchvorschläge liege nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts ebenso nicht vor, so dass Unter­las­sungs­ansprüche nicht bestehen. Die im Rahmen der Autocomplete-Funktion angezeigten Suchvorschläge seien auch nur Ergebnis eines vollständig automatisierten Verfahrens. Dieses knüpfe insbesondere an die Häufigkeit entsprechender Suchanfragen anderer Nutzer im Internet. Es werden wiederum nicht eigene Inhalte der Antragsgegnerin, sondern fremde Inhalte, angezeigt. Es finde lediglich eine zusam­men­hanglose Anein­an­der­reihung von Wörtern statt. Daraus entnehme der Durch­schnitts­nutzer keine inhaltliche Aussage der Antragsgegnerin.

Keine Unter­las­sungs­ansprüche wegen deliktischer Verletzung von Rechten

Es habe der Antragstellerin die Unter­las­sungs­ansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der Verletzung des Persön­lich­keitsrecht, der Kredit­ge­fährdung und der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung zugestanden. Denn zum einen habe die Antragsgegnerin als Täterin oder Teilnehmerin, wie oben erwähnt, keine unlauteren Handlungen vorgenommen.

Zum anderen scheide eine Verletzung etwaiger Prüfpflichten der Antragsgegnerin aus. Denn die Betreiber der Internetseiten, auf die Google durch die Suchergebnisse hinweise, habe die Rechte der Antragstellerin nicht verletzt. Den Betreibern der Internetseiten stehe das Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu. Es habe auch keine Schmähkritik vorgelegen. Denn die Ausein­an­der­setzung mit einer Sachfrage und nicht die Diffamierung der Antragstellerin habe im Vordergrund gestanden. Es sei diesbezüglich zu beachten gewesen, dass bereits durch zwei Entscheidungen eines Oberlan­des­ge­richts, der Antragstellerin ein unlauteres Geschäfts­gebaren attestiert wurde.

Kennzei­chen­rechtliche und namens­rechtliche Unter­las­sungs­ansprüche lagen ebenso nicht vor

Das Oberlan­des­gericht führte schließlich aus, dass kennzei­chen­rechtliche Unter­las­sungs­ansprüche (§§ 15, 5 Abs. 2 MarkenG) sowie namens­rechtliche Unter­las­sungs­ansprüche (§ 12 BGB) nicht bestanden.

Die Antragsgegnerin sei entsprechend der obigen Ausführungen nicht als Täterin oder Teilnehmerin einer rechts­ver­let­zenden Handlung zu Lasten der Antragstellerin anzusehen. Außerdem werde das Unter­neh­mens­kenn­zeichen bzw. Namens­kenn­zeichen der Antragstellerin in den Sucher­geb­ni­sein­trägen und in den Suchvorschlägen rein beschreibend verwendet. Überdies sei eine Verwech­se­lungs­gefahr ausgeschlossen gewesen. Denn auf den Internetseiten, auf die Google hingewiesen habe, finde offensichtlich eine ernst gemeinte, kritische Ausein­an­der­setzung mit der Antragstellerin und ihren Geschäfts­gebaren statt. Dass die Nutzer annehmen könnten, dass es sich um Internetseiten der Antragstellerin selbst gehandelt habe, sei daher ausgeschlossen.

Quelle: Oberlandesgericht München, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

1. Zur Haftung eines Internet-Suchma­schi­nen­be­treibers für Suchergebnisse, die von der Suchmaschine als Textfragmente generiert und angezeigt werden.

2. Zur Haftung eines Internet-Suchma­schi­nen­be­treibers für Suchvorschläge, die von der Suchmaschine im Rahmen einer sog. Autocomplete- und einer sog. Verfei­ne­rungs­funktion, insbesondere anknüpfend an die Häufigkeit entsprechender Suchanfragen anderer Nutzer im Internet oder andere statistische Merkmale, generiert und angezeigt werden.

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