21.11.2024
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Dokument-Nr. 14662

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Kammergericht Berlin Beschluss03.11.2009

"Google-Snippets": Automatisierte Zusammenfassung von Suchergebnissen ("Snippets") stellt eine Persön­lich­keits­ver­letzung darUnwahre Tatsa­chen­be­hauptung durch verkürzte Inhalts­wie­dergabe durch Snippets

Wird die Aussage auf einer verlinkten Seite durch die automatische Zusammenfassung von Suchergebnissen derart sinnentstellt, dass eine unwahre Tatsa­chen­be­hauptung vorliegt, so kann der Verletzte erfolgreich ein Unter­las­sungs­an­spruch geltend machen. Dies hat das Kammergericht entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall beantragte der Antragsteller eine einstweilige Verfügung gegen Google. Der Antragsteller war Journalist und Sachbuchautor, der sowohl im Fernsehen als auch auf Bühnen auftrat. Mit der einstweiligen Verfügung begehrte der Antragsteller das Unterlassen der Verbreitung folgenden Inhalts, der bei Eingabe des Namens des Antragstellers auf der Inter­net­such­ma­schine Google erschien:

"Eklat - Bastian Sick tritt unter Buhrufen ab…Aber ein sichtlich verwirrter Bastian Sick und ein besser­wis­se­risches Publikum verwandelten den sprach­kri­tischen Abstand in ein… www.welt.de/.../Eklat_Bastian_Sick_tritt_unter_Buhrufen_ab.html - Im Cache - Ähnlich".

Hierbei handelte es sich um eine automatisierte Zusammenfassung von Suchergebnissen, sogenannte "Snippets". Ein Anklicken des Links führte zu einem Beitrag von WELT-ONLINE, in dem über einen fiktiven Auftritt des Antragstellers berichtet wurde. Er war der Meinung, dass durch Kürzungen und Auslassungen, namentlich durch Weglassen jeglichen Hinweises auf den Satirecharakter des angezeigten WELT-ONLINE-Artikels, eine ihn belastende unwahre Tatsa­chen­be­hauptung verbreitet wurde. Das Landgericht Berlin wies den Antrag auf einstweilige Verfügung zurück. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

Unter­las­sungs­an­spruch bestand

Das Kammergericht entschied zu Gunsten des Antragstellers. Diesem habe ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung seines allgemeinen Persön­lich­keitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) zugestanden.

Zwar sei es Google nicht möglich und zuzumuten, jedes Recher­che­er­gebnis vor der Anzeige des Abfra­ge­er­geb­nisses auf eine mögliche Rechts­ver­letzung hin zu überprüfen. Denn insofern würde ihr gesamtes Geschäftsmodell in Frage gestellt werden. Die Haftung von Google habe deshalb die Verletzung von Prüfungs­pflichten vorausgesetzt. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei.

Verletzung von Prüfpflichten lag vor

Nach Ansicht des KG habe Google ihre Prüfungs­pflichten verletzt. Denn aufgrund des anwaltlichen Mahnschreibens habe Google hinreichend Anlass gehabt, den automatisch erstellten Inhalt des Beitrages im Suchergebnis auf eine Persön­lich­keits­ver­letzung hin zu überprüfen. Dieser Prüfungspflicht sei sie nicht nachgekommen.

Allgemeines Persön­lich­keitsrecht des Antragstellers wurde verletzt

Der Antragsteller sei auch in seinem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht verletzt worden, so das KG weiter. Dabei komme es maßgeblich auf den Erklä­rungs­gehalt der Snippets an. Abzustellen sei auf das objektive Verständnis eines unvor­ein­ge­nommenen und verständigen Adressaten.

Der objektive Sinngehalt der hier vorliegenden Snippets sei gewesen, dass der Antragsteller einen vollkommen misslungenen Auftritt vor einem Publikum hatte. Aus dem Snippet selbst ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich um eine satirische Darstellung gehandelt habe und ein solcher Auftritt tatsächlich gar nicht stattgefunden habe. Damit werde aber die Aussage auf der verlinkten Seite durch die verkürzte Inhalts­wie­dergabe im Snippet zu einer eindeutig unwahren Tatsa­chen­be­hauptung.

Die unwahre Tatsa­chen­be­hauptung sei auch geeignet gewesen, den sozialen Geltungs­an­spruch des Antragstellers zu beeinträchtigen. Die Aussage habe ihn in seinem öffentlichen, wirtschaft­lichen und beruflichen Wirken betroffen. Sie sei für den Antragsteller, der mit öffentlichen Auftritten sein Einkommen erziele, geschäfts­schä­digend gewesen.

Auf den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) könne sich Google wegen Vorliegens einer bewusst unwahren Tatsa­chen­be­hauptung nicht berufen.

Automatische Erstellung der Snippets unerheblich

Dass der Sucheintrag automatisch erstellt wurde, sei nach Ansicht des KG unerheblich. Denn der Wille, eine Aussage mit einem bestimmten Inhalt zu treffen, sei für die Verletzung des Persön­lich­keits­rechts nicht erforderlich.

Weiterhin habe es keine Rolle gespielt, dass der Aussagegehalt durch Anklicken und Lesen der verlinkten Seite beim Nutzer möglicherweise korrigiert werde, denn selbst eine Schlagzeile in einer Zeitung könne, auch wenn sie durch den nachfolgenden Text korrigiert werde, eine Persön­lich­keits­ver­letzung darstellen.

Wissen des Nutzers um die automatisierte Zusammenfassung unbeachtlich

Die Frage, ob der Durch­schnitts­nutzer wisse, wie die ihm nach Eingabe von Suchworten präsentierten Snippets zustanden kamen, könne nach Auffassung des KG dahin stehen (andere Ansicht: OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2011 - 3 U 67/11). Allein maßgebend für die Haftung eines Suchma­schi­nen­be­treibers sei, ob sich die Zusammenfassung bzw. Verkürzung der verlinkten Seite noch im Rahmen der Kernaussage der Ursprungsseite hält. Wenn aber die verkürzte, zusam­men­fassende Darstellung im Snippet sinnentstellend werde, treffe der Snippet trotz seiner automatischen Erstellung eine eigene Aussage.

Keine Haftungs­pri­vi­le­gierung nach dem Teleme­di­en­gesetz (TMG)

Das KG führte schließlich aus, dass sich Google nicht auf die Haftungsprivilegierung nach §§ 8-10 TMG stützen könne. Denn sie umfasse nicht Unter­las­sungs­ansprüche, sondern lediglich die strafrechtliche Verant­wort­lichkeit und die Schaden­er­satz­haftung (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2008 - I ZR 73/05).

Quelle: Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)

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