23.11.2024
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Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg Urteil26.05.2011

Google-"Snippets": Suchergebnisse ("Snippets") haben keinen ehrverletzenden AussagegehaltUnter­las­sungs­an­spruch gestützt auf eine Persön­lich­keits­ver­letzung besteht nicht

Suchergebnisse haben keinen ehrverletzenden Aussagegehalt. Selbst wenn man ihnen einen solchen zubilligen würde, würde es sich allenfalls um die Verbreitung einer fremden Meinung­s­äu­ßerung handeln. Dies hat das Hanseatische Oberlan­des­gericht in Hamburg entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger von Google die Unterlassung, vier bestimmte Suchergebnisse bei Eingabe seines Vor- und Zunamens in die Suchmaschine der Beklagten anzuzeigen. Gab man den Namen des Klägers in die Suchmaschine ein, erhielt man eine Sucher­geb­nisliste von insgesamt 434 Treffern. Darunter waren folgende Ergebnisse: Nigeriabetrug, Machenschaften, Betrug, Immobi­li­en­betrug. Der Kläger war der Auffassung, dass der durch­schnittliche Suchma­schi­nen­nutzer den Inhalt der "Snippets" dahingehend verstehen könne, dass der Kläger Täter oder Teilnehmer von Betrugstaten im Zusammenhang mit Immobilien sei. Der Durch­schnitts­nutzer verstehe die Suchmaschine der Beklagten durchaus als unmittelbare Infor­ma­ti­o­ns­quelle. Der Kläger beklagte weiterhin einen Umsatzrückgang, der zu einer Einstellung der Geschäft­s­tä­tigkeit geführt habe. Außerdem stützte er sich auf die "Stolpe"-Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes (Urt. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 = NJW 2006, 207).

Unter­las­sungs­an­spruch besteht nicht

Das Hanseatische Oberlan­des­gericht entschied, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persön­lich­keits­rechts zusteht.

Keine willentliche oder adäquat kausale Verletzung des Persön­lich­keits­rechts

Die Beklagte hat nach Ansicht des Gerichtes durch die Bereitstellung der Suchergebnisse nach Eingabe des Namens der Kläger nicht willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des Persön­lich­keits­rechts des Klägers beigetragen. Sie hat nämlich weder eine unwahre und ehrenrührige Tatsache behauptet, noch stellen die "Snippets" eine unzulässige Meinung­s­äu­ßerung dar. Unter Zugrundelegung eines unvor­ein­ge­nommenen und verständigen Durch­schnitts­nutzers ist ein Verständnis dahingehend, dass den streitigen Suchergebnissen eine eigene Aussage der Beklagten über den Kläger zu entnehmen sei, fernliegend. Sinn und Zweck einer Suchmaschine ist nicht, eigene Aussagen aufzustellen. Ihr kommt nur eine Nachweis­funktion für das Auffinden fremder Informationen zu dem jeweiligen vom Nutzer eingegebenen Suchbegriff zu. Der Begriffsteil "Maschine" verdeutlicht, dass der Nachweis das Ergebnis eines compu­ter­ge­steuerten automatisierten Vorgangs ist. Eine "Maschine" kann aber nicht "meinen" oder "behaupten".

Keine inhaltliche Verknüpfung zwischen Namen des Klägers und etwaigen Betrügereien

Des Weiteren vollzieht sich keine inhaltliche Verknüpfung zwischen den Namen des Klägers und etwaigen Betrügereien durch eine inhaltliche Aussage der Beklagten, da sie ja die Suchmotivation des Nutzers gar nicht kennen kann, sondern ohne Zutun des Beklagten im Kopf des Nutzers. So findet sich in den zwischen der Überschrift und den angezeigten Internetseiten angegebenen "Snippets" zwar der Name des Klägers, aber inhaltlich gänzlich zusammenhanglos mit den in der Überschrift genannten Betrugs­be­griffen. Die "Snippets" um den Namen des Klägers herum waren vielmehr ersichtlich ohne "Sinn und Verstand" anein­an­der­ge­reihte einzelne Worte. Ein inhaltlicher Zusammenhang konnte sich allenfalls durch die Überschrift der Suchergebnisse und die angezeigten URLs ergeben. Dass aber diese nicht von Google stammten, sondern von denjenigen, die die entsprechenden Internetseiten in Netz gestellt haben, ist dem durch­schnitt­lichen verständigen Suchma­schi­nen­nutzer klar.

Die Meinung des Klägers, die Suchergebnisse seien "Schlagzeilen" gleichzusetzen, begegnete das Gericht mit den Erwägungen, dass eine Schlagzeile eine inhaltliche Aussage enthält um Aufmerksamkeit zu erregen. Eine Inter­net­such­ma­schine weist jedoch lediglich Fundstellen für die Suchbegriffe nach.

Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass bei Eingabe des Namens des Klägers insgesamt 434 Eintragungen angezeigt wurden, die nicht nur anders lauteten, sondern zum Teil im Widerspruch zu den Vorwürfen standen.

Keine Anwendung der "Stolpe" - Entscheidung

Auf die Frage, ob die sog. "Stolpe" - Entscheidung auf Suchmaschinen anwendbar ist, kam es hier nicht an. Denn auch nach der "Stolpe" - Entscheidung sind fernliegende Eindrücke bei der Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung unbeachtlich.

Die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht aufgestellten Grundsätze wären aber ohnehin nicht auf Suchmaschinen anwendbar, weil es diesen nicht ohne weiteres möglich ist, sich künftig "eindeutig" zu äußern. Dies würde aufgrund des immensen personellen und materiellen Aufwandes zu einer übermäßigen Belastung des Suchma­schi­nen­be­treibers führen, die geeignet wäre, sich einschüchternd auf die Pressefreiheit auszuwirken und daher nicht hinzunehmen ist. Die Beklagte kann sich auf die Pressefreiheit berufen, da sie durch den Einsatz ihrer Suchmaschine den Meinungs- und Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch der im Internet stehenden Äußerungen Dritter gewährleistet.

Keine Verbreitung von Tatsa­chen­be­hauptung oder Meinung­s­äu­ßerung

Darüber hinaus führte das Gericht aus, dass die Beklagte mit den Suchergebnissen keine fremde ehrenrührige unwahre Tatsachenbehauptung oder Meinung­s­äu­ßerung über den Kläger verbreitet. Selbst, wenn man dies annähme, käme eine Verbrei­tungs­haftung nicht in Betracht, da die Verbreitung der Äußerung, der Kläger sei in Betrügereien verwickelt, den Kläger nicht rechtwidrig in seinem Persön­lich­keitsrecht verletzt. Zum einen handelt es sich bei der Äußerung um eine zulässige Meinungs­kundgabe. Zum anderen hat sich die Beklagte von dieser Meinung hinreichend distanziert. Die Distanzierung folgte schon aus der äußeren Form der Verbreitung im Rahmen von Suchergebnissen. Denn für einen unvor­ein­ge­nommenen und durch­schnitt­lichen Nutzer ist es aufgrund des Wesens einer Suchmaschine ohne weiteres deutlich, dass den angezeigten Suchergebnissen keine eigene Recherche der Beklagten zugrunde liegt, sondern dass die Suchergebnisse nur fremde Inhalte im Netz durch Anzeigen der entsprechenden URLs auffindbar machen und diese fremden Inhalte als Orien­tie­rungshilfe für den Nutzer verkürzt zusammenfassen. Eine Suchmaschine kann keine eigene Meinung äußern und braucht sich daher auch nicht davon distanzieren.

Sinnvolle Nutzung des Internets ohne Suchmaschinen nicht möglich

Würde man einer Suchmaschine eine unein­ge­schränkte Verbrei­ter­haftung auferlegen, sofern sie unkommentiert auf Fremdberichte hinweist und diese verkürzt in ihren Suchergebnissen wiedergibt, würde dies zu einer unzulässigen Einschränkung der Pressefreiheit führen. Sie könnte dann ihre Funktion, die ihr als Suchmaschine hinsichtlich der Meinung­s­äu­ßerungs- und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit in der Öffentlichkeit zukommt, nicht nachkommen, denn die Betreiber von Suchmaschinen müssten befürchten für eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Rechts­ver­let­zungen zumindest auf Unterlassung zu haften. Ohne den Einsatz von Suchmaschinen wäre aber eine sinnvolle Nutzung der Infor­ma­ti­o­ns­quellen im World Wide Web nicht möglich (vgl. BGH Urt. v. 17.07.2003 - I ZR 259/00 = NJW 2003, 3406).

Keine Berufung auf Haftungs­pri­vi­legien des TMG (Teleme­di­en­gesetz)

Das TMG ist nach der Rechtsprechung des BGH ebenso wenig wie zuvor das TDG auf die gegen Dienstanbieter gerichteten Unter­las­sungs­ansprüche anwendbar. Mit der Haftungs­pri­vi­le­gierung soll lediglich die strafrechtliche Verant­wort­lichkeit und die Schaden­er­satz­haftung angesprochen sein (so der BGH zum TDG, Urt. v. 11.03.2004 - I ZR 304/01, bestätigend für die Regelung des TMG: BGH Urt. v. 19.04.2007 - I ZR 35/04, Urt. v. 30.04.2008 - I ZR 73/05).

Quelle: Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg, ra-online (vt/rb)

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