18.10.2024
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Dokument-Nr. 14136

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Landgericht Hamburg Urteil09.01.2009

Google-"Snippets": Automatisierte Zusammenfassung von Suchma­schi­n­en­er­geb­nissen ("Snippets") stellt keine Persön­lich­keits­ver­letzung darUnter­las­sungs­an­spruch bezüglich von Suchergebnissen besteht nicht

Die automatisierte Zusammenfassung von Suchergebnissen kann keine Persön­lich­keits­ver­letzung darstellen. Denn der durch­schnittliche Nutzer einer Suchmaschine weiß, dass die Suchergebnisse nicht auf der intellektuellen Leistung von Menschen beruhen, sondern aufgrund eines automatisierten Vorgangs zustande kommen. Dies hat das Landgericht Hamburg entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger von Google, es zu unterlassen, bestimmte Suchergebnisse bei Eingabe seines Namens in die Suchmaschine anzuzeigen. Der Kläger war Geschäftsführer einer Immobilienfirma. Gab man den vollen Namen des Klägers in die Suchmaschine ein, bekam man neben zahlreichen anderen Suchergebnissen folgende "Snippets": Betrug, Machenschaften, Immobi­li­en­betrug, N. Betrug. Der Kläger meinte, dass durch die vier beanstandeten Ergebnisse für den unbefangenen durch­schnitt­lichen Nutzer der Eindruck erweckt würde, der Kläger sei in derartige rechtswidrige Handlungen verstrickt. Zur Unterstützung dieser Behauptung, führt er eine Meinungsumfrage an und die Aussagen von Zeugen. Außerdem stützte er sich auf die "Stolpe"-Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes (Urt. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 = NJW 2006, 207).

Unter­las­sungs­an­spruch besteht nicht

Das Landgericht Hamburg entschied gegen den Kläger. Er hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Anzeige der Suchergebnisse. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus einer Verletzung des Persön­lich­keits­rechts des Klägers.

Keine Anwendung der "Stolpe"- Entscheidung

Das Landgericht war der Ansicht, dass die "Stolpe" - Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht auf Ergebnislisten einer Suchmaschine anzuwenden sind, da es einer Suchmaschine nicht ohne weiteres möglich ist, sich künftig eindeutig "auszudrücken". Es bleibt daher bei dem Vorrang des Rechtes auf freien Meinungs- und Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch, der durch den Einsatz von Suchmaschinen als Verzeichnis der im Netz stehenden Beiträge gewährleistet wird. Tragender Gesichtspunkt der Entscheidung war, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken. Diese Möglichkeit besteht beim Betrieb einer Suchmaschine aber nicht in gleicher Weise. Es besteht daher ein so erheblicher Unterschied zu dem von der "Stolpe" - Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts entscheidenden Sachverhalts, dass die dort festgelegten Grundsätze für die Ergeb­ni­s­an­zeigen von Suchmaschinen keine Geltung haben können. Aufgrund der erheblichen Unterschiede liegt in der Nichtanwendung dieser Grundsätze auch keine Verletzung des Klägers in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Damit eine Suchmaschine sich in gleicher Weise "künftig eindeutig ausdrücken" kann, wie der unmittelbar Äußernde, müsste sie in der Lage sein, die gefundenen Internetseiten mit fremden Inhalten systematisch auszuwerten und auf die Verschiedenen möglichen Verständ­nis­mög­lich­keiten hin zu analysieren. Dies ist weder technisch noch durch Einsatz menschlicher Arbeitskraft möglich, so dass eine Vergleich­barkeit zu der "Stolpe" - Entscheidung nicht gerechtfertigt ist.

Technische Unmöglichkeit

Ob durch konkrete Begriffe im Zusammenhang mit anderen Begriffen ein möglicher Eindruck beim Empfänger hervorgerufen wird, so weiter das Gericht, bleibt eine Leistung menschlicher Intelligenz, die nicht von einem Computer ausgeführt werden kann.

Einsatz von menschlicher Arbeitskraft zu großer Aufwand

Der Einsatz von menschlicher Arbeitskraft, der erforderlich wäre, um sich in Zukunft immer entsprechend "eindeutig auszudrücken", wäre angesichts des enormen Umfangs der von einer Suchmaschine im Internet ausgefundenen Datenmengen so groß, dass insoweit ein Suchma­schi­nen­be­treiber nicht einem sich unmittelbar selbst Äußernden vergleichbar ist.

Kein inhaltlicher Bezug zwischen Suchbegriff und "Snippets"

Darüber hinaus führte das Gericht aus, dass das Verständnis der "Snippets", der Kläger sei Täter oder Teilnehmer des jeweils in der Überschrift genannten Deliktes, schon deshalb fernliegt, da kein inhaltlicher Bezug zwischen dem Suchbegriff (Name des Klägers) und dem Begriff, der sich in der Überschrift der gefunden Seite befindet, hergestellt wird. Dies gilt jedenfalls soweit in dem Suchergebnis nicht ganze Sätze, sondern lediglich einzelne, zusam­men­hanglose Worte aus der gefundenen Homepage angeführt werden und wenn der Suchbegriff und der negativ besetzte Begriff räumlich getrennt sind. So lag der Fall hier.

Hinzu kommt, dass bei zahlreichen Suchergebnissen aus der ersten Seite des "Snippets" bereits ersichtlich wird, dass die gefundenen Suchergebnisse Forenbeiträge sind. Damit wird das Verständnis nahe gelegt, dass die Überschrift lediglich das allgemeine Thema des von der Suchmaschine aufgefundenen Diskus­si­ons­themas darstellt, was den Bezug zum Kläger noch unspezifischer macht.

Keine Vernehmung der Zeugen

Eine stich­pro­ben­artige durchgeführte Befragung von 11 Personen, die zudem in einem speziellen Näheverhältnis zum Kläger standen, ist von vornerein nicht geeignet, um das Verständnis eines unbefangenen Durch­schnitt­nutzers zu belegen. Eine Beweiserhebung war daher abzulehnen.

Meinungsumfrage unbeachtlich

Ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten war aufgrund der von dem Kläger in Auftrag gegeben Meinungsumfrage nicht zwingend erforderlich. Im vorliegenden Fall bestanden Gründe, die an der Stichhaltigkeit der Umfrage zweifeln lassen. So wurden andere Suchergebnisse weggelassen. Durch die gezielte Vorauswahl weniger "Snippets" wird die Umfrage ergeb­ni­s­o­ri­entiert auf bestimmte Begriffe fokussiert. Zur Ermittlung des Verständnisses eines Durch­schnitts­nutzers kann aber den Testpersonen nicht etwas anderes vorgelegt werden als das Suchergebnis, das einem unbefangenen Durch­schnitts­nutzer bei Nutzung der Suchmaschine der Beklagten angezeigt würde.

Des Weiteren belegt die Meinungsumfrage auch nicht, dass zwingend oder auch nur mit überwiegender Wahrschein­lichkeit der Eindruck erweckt würde, der Kläger sei ein "Betrüger" etc.

Quelle: Landgericht Hamburg, ra-online (vt/rb)

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