18.10.2024
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Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.

Dokument-Nr. 541

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Urteil17.07.2003BundesgerichtshofI ZR 259/00
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2003, 545Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2003, Seite: 545
  • BGHZ 156, 1Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 156, Seite: 1
  • CR 2003, 920Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2003, Seite: 920
  • GRUR 2003, 958Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2003, Seite: 958
  • JR 2004, 284Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 2004, Seite: 284
  • K&R 2003, 554Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2003, Seite: 554
  • MDR 2004, 346Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2004, Seite: 346
  • MMR 2003, 719Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2003, Seite: 719
  • NJW 2003, 3406Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2003, Seite: 3406
  • WM 2003, 2200Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2003, Seite: 2200
  • WRP 2003, 1341Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2003, Seite: 1341
  • ZUM 2003, 855Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2003, Seite: 855
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.07.2003

Paperboy: Internet-Suchdienst für Presseartikel nicht rechtswidrig

Der u.a. für das Urheber- und Wettbe­wer­bsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte über eine Unter­las­sungsklage gegen die Betreiber des Internet-Suchdienstes "Paperboy" zu entscheiden.

Der Suchdienst wertet eine Vielzahl von Websites (Inter­ne­t­auf­tritten), vor allem von Zeitungs­ar­tikeln, auf tagesaktuelle Informationen aus. Auf Anfrage erhalten Internetnutzer kostenlos Auflistungen der Veröf­fent­li­chungen, die ihren Suchworten entsprechen, in die auch Stichworte, Satzteile und einzelne Sätze aus den Veröf­fent­li­chungen aufgenommen sind. Die erste Zeile enthält jeweils die Quelle in Form eines Hyperlinks (elektronischen Verweises), mit dessen Hilfe die Veröf­fent­lichung unmittelbar abgerufen werden kann. Das Anklicken des Hyperlinks führt nicht auf die Startseite (Homepage) des Inter­ne­t­auf­tritts des Infor­ma­ti­o­ns­an­bieters, sondern unmittelbar auf die ("tieferliegende") Webseite mit der Veröf­fent­lichung (sog. Deep-Link). Der Nutzer wird so an den Werbe­ein­tra­gungen auf der Startseite vorbeigeleitet. Die Beklagten bieten an, dem Nutzer täglich alle tagesaktuellen Veröf­fent­li­chungen zu seinen Suchworten per E-Mail zu übermitteln.

Die Klägerin verlegt die Presse­er­zeugnisse "Handelsblatt" und "DM". Einzelne Artikel daraus macht sie auch im Internet auf ihren Websites öffentlich zugänglich. Sie ist der Ansicht, "Paperboy" verletze durch die Einbeziehung ihrer Websites in seine Suche ihre urheber­recht­lichen Befugnisse an den Artikeln und ihre Rechte an den Datenbanken, in denen die Artikel für den Internetzugriff gespeichert seien. Das Suchdien­st­angebot sei zudem wettbe­wer­bs­widrig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat sie, soweit sie Gegenstand des Revisi­ons­ver­fahrens geworden ist, abgewiesen. Die Revision gegen das Berufungsurteil hatte keinen Erfolg.

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs verletzt der Suchdienst der Beklagten keine Rechte der Klägerin. Mit den Hyperlinks, die den unmittelbaren Aufruf von Artikeln ermöglichten, nähmen die Beklagten keine Nutzungs­hand­lungen vor, die den Urheber­be­rech­tigten oder den Herstellern der von ihrem Suchdienst abgefragten Datenbanken vorbehalten seien. Die Beklagten handelten auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie es Nutzern von "Paperboy" durch Deep-Links ermöglichten, unmittelbar den Volltext von Artikeln aus "Handelsblatt" und "DM" abzurufen und zu vervielfältigen. Ein Berechtigter, der ein urheber­rechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich mache, ermögliche dadurch bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen könne. Es sei seine Entscheidung, ob er das Werk trotz der Möglichkeit, daß nach dem Abruf auch rechtswidrige Nutzungen vorgenommen würden, weiter zum Abruf bereithalte. Auch ohne Hyperlink könne ein Nutzer unmittelbar auf eine im Internet öffentlich zugängliche Datei zugreifen, wenn ihm deren URL (Uniform Resource Locator), die Bezeichnung ihres Fundorts im World Wide Web, genannt werde. Ein Hyperlink verbinde mit einem solchen Hinweis auf die Datei, zu der die Verknüpfung gesetzt werde, lediglich eine technische Erleichterung für ihren Abruf. Er ersetze die sonst vorzunehmende Eingabe der URL im Adreßfeld des Webbrowsers und das Betätigen der Eingabetaste. Ob das Setzen eines Hyperlinks in der Form eines Deep-Links urheber­rechtlich unzulässig sei, wenn der Linksetzende dazu technische Sperren umgehe, könne offenbleiben, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, daß sie technische Schutzmaßnahmen gegen den unmittelbaren Zugriff auf "tieferliegende" Webseiten ihrer Inter­ne­t­auf­tritte anwende.

Die Beklagten handelten auch nicht wettbe­wer­bs­widrig, wenn es ihr Suchdienst durch Hyperlinks ermögliche, unmittelbar auf Artikel zuzugreifen, die im Rahmen der Inter­ne­t­auf­tritte von "Handelsblatt" und "DM" öffentlich zugänglich seien. Dadurch würden die Leistungen der Klägerin nicht unlauter ausgebeutet. Der Suchdienst biete der Allgemeinheit einen erheblichen Zusatznutzen, indem er eine Vielzahl von Infor­ma­ti­o­ns­quellen erschließe. Die Herkunft der nachgewiesenen Artikel werde nicht verschleiert. Es sei auch nicht unlauter, wenn die Nutzer durch Deep-Links an den Startseiten der Inter­ne­t­auf­tritte der Klägerin vorbeigeführt würden. Auch wenn der Klägerin dadurch Einnahmen für die Werbung auf den Startseiten entgingen, könne sie nicht verlangen, daß nur der umständliche Weg über die Startseiten gegangen werde und die Möglichkeiten der Hyper­link­technik ungenutzt blieben.

Wenn die Klägerin das Internet für ihre Angebote nutze, müsse sie auch die Beschränkungen in Kauf nehmen, die sich aus dem Allge­mein­in­teresse an der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Internets für die Durchsetzung ihrer Interessen ergäben. Ohne die Inanspruchnahme von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks (gerade in der Form von Deep-Links) sei die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Infor­ma­ti­o­nsfülle im World Wide Web praktisch ausgeschlossen. Die Tätigkeit von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks müsse deshalb grundsätzlich jedenfalls dann hingenommen werden, wenn diese lediglich den Abruf vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachter Infor­ma­ti­o­ns­an­gebote ohne Umgehung technischer Schutzmaßnahmen erleichterten.

Quelle: ra-online, BGH (pm)

der Leitsatz

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

Werden mit einer Klage Verbote verschiedener Handlungen begehrt, deren Ausspruch jeweils von unter­schied­lichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen abhängt, erfordert es das Gebot, einen bestimmten Klageantrag zu stellen, daß die einzelnen Handlungen in gesonderten Anträgen als konkrete Verlet­zungs­formen umschrieben werden.

UrhG § 16 Abs. 1

a) Wird ein Hyperlink zu einer Datei auf einer fremden Webseite mit einem urheber­rechtlich geschützten Werk gesetzt, wird dadurch nicht in das Verviel­fäl­ti­gungsrecht an diesem Werk eingegriffen.

b) Ein Berechtigter, der ein urheber­rechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich macht, ermöglicht dadurch bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen kann. Es wird deshalb grundsätzlich kein urheber­recht­licher Störungszustand geschaffen, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks (auch in der Form von Deep-Links) erleichtert wird.

UrhG § 15

a) Nach § 15 UrhG (i.d.F. vom 9. September 1965) steht dem Urheber das ausschließliche Recht zu, die öffentliche Zugäng­lich­machung seines Werkes zu erlauben oder zu verbieten. Dieses Recht ist als unbenanntes Recht in dem umfassenden Verwer­tungsrecht des Urhebers aus § 15 UrhG enthalten.

b) Durch das Setzen eines Hyperlinks auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheber­rechtlich geschützten Werk, wird in das Recht der öffentlichen Zugäng­lich­machung des Werkes nicht eingegriffen.

UrhG § 87b

a) Das Setzen von Hyperlinks auf Artikel, die vom Berechtigten im Internet als Bestandteile einer Datenbank öffentlich zugänglich gemacht worden sind, ist keine dem Daten­bank­her­steller vorbehaltene Nutzungs­handlung.

b) Das Daten­bank­her­stel­lerrecht aus § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG wird nicht verletzt, wenn aus Zeitungs- und Zeitschrif­ten­ar­tikeln, die in einer Datenbank gespeichert sind, durch einen Internet-Suchdienst einzelne kleinere Bestandteile auf Suchwortanfrage an Nutzer übermittelt werden, um diesen einen Anhalt dafür zu geben, ob der Abruf des Volltextes für sie sinnvoll wäre. Dies gilt auch dann, wenn der Suchdienst dabei wiederholt und systematisch im Sinne des § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG auf die Datenbank zugreift.

UWG § 1

Ein Internet-Suchdienst, der Infor­ma­ti­o­ns­an­gebote, insbesondere Presseartikel, auswertet, die vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden sind, handelt grundsätzlich nicht wettbe­wer­bs­widrig, wenn er Nutzern unter Angabe von Kurzin­for­ma­tionen über die einzelnen Angebote durch Deep-Links den unmittelbaren Zugriff auf die nachgewiesenen Angebote ermöglicht und die Nutzer so an den Startseiten der Inter­ne­t­auf­tritte, unter denen diese zugänglich gemacht sind, vorbeiführt. Dies gilt auch dann, wenn dies dem Interesse des Infor­ma­ti­o­ns­an­bieters widerspricht, dadurch Werbeeinnahmen zu erzielen, daß Nutzer, die Artikel über die Startseiten aufrufen, zunächst der dort aufgezeigten Werbung begegnen. Die Tätigkeit von Suchdiensten und deren Einsatz von Hyperlinks ist wettbe­wer­bs­rechtlich zumindest dann grundsätzlich hinzunehmen, wenn diese lediglich den Abruf vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachter Infor­ma­ti­o­ns­an­gebote ohne Umgehung technischer Schutzmaßnahmen für Nutzer erleichtern.

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