18.10.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 15822

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Urteil14.05.2013BundesgerichtshofVI ZR 269/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2013, 459Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2013, Seite: 459
  • GRUR 2013, 751Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2013, Seite: 751
  • ITRB 2013, 150Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB), Jahrgang: 2013, Seite: 150
  • JuS 2013, 841Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 841
  • K&R 2013, 474Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2013, Seite: 474
  • MDR 2013, 710Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 710
  • MMR 2013, 535Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2013, Seite: 535
  • NJW 2013, 2348Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 2348
  • VersR 2013, 771Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2013, Seite: 771
  • WRP 2013, 917Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2013, Seite: 917
  • ZD 2013, 405Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2013, Seite: 405
  • ZUM 2013, 550Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2013, Seite: 550
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.05.2013

BGH-Urteil zur Google-Autocomplete-Funktion: Vervoll­stän­digungs­funktion kann Persönlichkeits­rechte verletzenGoogle muss beleidigende Suchworte sperren / Google muss Suchvorschläge aber nicht vorab auf Rechts­ver­let­zungen überprüfen

Verletzt die Autocomplete-Funktion einer Suchmaschine (hier: Google) Persönlichkeits­rechte, muss der Betreiber die entsprechende Wortkombination löschen. Der Betreiber ist aber regelmäßig nicht dazu verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungs­vorschläge generell vorab auf etwaige Rechts­ver­let­zungen zu überprüfen. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlich­keitsrechts erlangt. Er ist dann verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin zu 1, eine Aktien­ge­sell­schaft, die im Internet Nahrungs­er­gän­zungs­mittel und Kosmetika vertreibt, sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstands­vor­sit­zender, machen gegen die Beklagte mit Sitz in den USA, die unter der Internetadresse "www.google.de" eine Internet-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs- und Geldent­schä­di­gungs­ansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Trefferliste auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April 2009 hat die Beklagte eine "Autocomplete"-Funktion in ihre Suchmaschine integriert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner Suchbegriffe in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge ("predictions") in Form von Wortkom­bi­na­tionen angezeigt werden. Die im Rahmen dieser Sucher­gän­zungs­funktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Kläger sieht sich durch "Autocomplete"-Funktion im Persön­lich­keitsrecht und geschäftlichem Ansehen verletzt

Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Namens R.S. in dem sich im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion öffnenden Fenster als Suchvorschläge die Wortkom­bi­na­tionen "R.S. (voller Name) Scientology" und "R.S. (voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie haben u.a. behauptet, der Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes Ermitt­lungs­ver­fahren gegen ihn eingeleitet. In keinem einzigen Suchergebnis sei eine Verbindung zwischen dem Kläger und "Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.

Kläger verlangt Unterlassung der "Autocomplete"-Funktion sowie Schadensersatz

Die Kläger verlangen von der Beklagten, es zu unterlassen, auf der Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers zu 2 als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden Kombi­na­ti­o­ns­be­griffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen. Darüber hinaus begehren sie Ersatz vorprozessualer Rechts­ver­fol­gungs­kosten und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer Geldent­schä­digung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlan­des­gericht zurückgewiesen.

Berufungs­gericht hat Unter­las­sungs­an­spruch rechts­feh­lerhaft verneint

Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Das Berufungs­gericht hat einen Unter­las­sungs­an­spruch der Kläger entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG gegen die Beklagte als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechts­feh­lerhaft verneint.

Suchwor­t­er­gän­zungs­vor­schläge beinhalten Beein­träch­tigung des Persön­lich­keits­rechts

Die Suchwor­t­er­gän­zungs­vor­schläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten beinhalten eine Beein­träch­tigung des Persön­lich­keits­rechts der Kläger, da ihnen ein fassbarer Aussagegehalt innewohnt, zwischen dem Kläger zu 2 und den negativ belegten Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" besteht ein sachlicher Zusammenhang.

BGH bejaht Verletzung des Persön­lich­keits­rechts

Die Kläger würden hierdurch in ihrem Persön­lich­keitsrecht verletzt, wenn diese Aussage - wie sie vorgetragen haben - unwahr wäre und deshalb in der Abwägung ihrer grundrechtlich geschützten Position gegenüber derjenigen der Beklagten das Übergewicht zukäme. Diese Beein­träch­tigung des Persön­lich­keits­rechts der Kläger ist der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen Compu­ter­programm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet.

Suchvorschläge grundsätzlich nicht unzulässig

Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persön­lich­keits­rechts­be­ein­träch­tigung durch Suchvorschläge haftet. Der Beklagten ist nämlich nicht vorzuwerfen, dass sie eine Suchvorschläge erarbeitende Software entwickelt und verwendet hat, sondern lediglich, dass sie keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

Betreiber muss bei Nachweis rechtswidriger Verletzungen des Persön­lich­keitsrecht für Unterlassung sorgen

Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwor­t­er­gän­zungs­funktion auf Unterlassung der Ergänzung persön­lich­keits­rechts­ver­let­zender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Betreiber einer Suchmaschine ist regelmäßig nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Sucher­gän­zungs­vor­schläge generell vorab auf etwaige Rechts­ver­let­zungen zu überprüfen. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persön­lich­keits­rechts erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persön­lich­keits­rechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Berufungs­gericht muss Verletzung von Prüfungs­pflichten sowie möglichen Anspruch auf Geldent­schä­digung erneut prüfen

Das Berufungs­gericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - eine rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungs­pflichten ebenso wenig vorgenommen wie unter dem Gesichtspunkt des - nur in engen Grenzen zu gewährenden - Anspruchs auf Geldent­schä­digung und des Anspruchs auf Ersatz vorge­richt­licher Rechts­an­walts­kosten. Dies wird es nachzuholen haben.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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