21.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 8044

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Urteil23.06.2009BundesgerichtshofVI ZR 196/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 181, 328Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 181, Seite: 328
  • JR 2010, 385Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 2010, Seite: 385
  • JZ 2009, 961Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2009, Seite: 961
  • MDR 2009, 1038Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2009, Seite: 1038
  • MMR 2009, 608Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2009, Seite: 608
  • NJW 2009, 2888Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2009, Seite: 2888
  • VersR 2009, 1131Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2009, Seite: 1131
  • ZUM 2009, 753Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2009, Seite: 753
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Nachinstanz:
  • Bundesverfassungsgericht, laufendes Verfahren
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.06.2009

BGH: Lehrerbewertung im Internetforum "spickmich" ist zulässigSchutz der Privatsphäre nicht anwendbar, da Meinung­s­äu­ße­rungen die berufliche Tätigkeit betreffen

Die Benotung von Lehrern auf dem Internetportal "spickmich" ist weiterhin zulässig. Es besteht keinen Anspruch auf Löschung von Namen, Schule, unterrichteter Fächer und Zitat­wie­dergaben. Ein Recht auf informelle Selbst­be­stimmung ist hier gegenüber dem Recht auf freien Meinungs­aus­tausch nicht gegeben. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Bewertung der Leistungen der Klägerin als Lehrerin mit Namensnennung durch Schüler auf der Website www.spickmich.de, die von den Beklagten gestaltet und verwaltet wird. Zugang zu dem Portal haben nur registrierte Nutzer. Die Registrierung erfolgt nach Eingabe des Namens der Schule, des Schulortes, eines Benutzernamens und einer E-mail-Adresse. An die E-mail-Adresse wird ein Passwort versandt, das den Zugang zu dem Portal eröffnet. Die mit den Schulnoten 1 bis 6 abzugebenden Bewertungen sind an vorgegebene Kriterien gebunden wie etwa "cool und witzig", "beliebt", "motiviert", "menschlich", "gelassen" und "guter Unterricht". Ein eigener Textbeitrag des Bewertenden ist nicht möglich. Aus dem Durchschnitt der anonym abgegebenen Bewertungen wird eine Gesamtnote errechnet. Die Nutzer können außerdem auf einer Zitatseite angebliche Zitate der bewerteten Lehrer einstellen. Die Klägerin, deren Name und Funktion auch der Homepage der Schule, an der sie unterrichtet, entnommen werden kann, erhielt für das Unterrichtsfach Deutsch eine Gesamtbewertung von 4,3. Ihr zugeschriebene Zitate wurden bisher nicht eingestellt. Mit der Klage verfolgt die Klägerin einen Anspruch auf Löschung bzw. Unterlassung der Veröf­fent­lichung ihres Namens, des Namens der Schule, der unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit einer Gesamt- und Einzelbewertung und der Zitat- und Zeugnisseite auf der Homepage www.spickmich.de. Sie blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Der Bundes­ge­richtshof hat die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision zurückgewiesen.

Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung

Unter den Umständen des Streitfalls hat der BGH die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz der fehlenden Einwilligung der Klägerin für zulässig gehalten. Zwar umfasst der Begriff der perso­nen­be­zogenen Daten nicht nur klassische Daten wie etwa den Namen oder den Geburtsort, sondern auch Meinung­s­äu­ße­rungen und Beurteilungen, die sich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betroffenen beziehen. Für die Erhebung, Speicherung und Übermittlung solcher Daten in automatisierten Verfahren gelten grundsätzlich die Vorschriften des Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes. Die Erhebung und Speicherung von Daten zur Übermittlung an Dritte ist auch ohne Einwilligung des Betroffenen nach § 29 BDSG u.a. dann zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und –speicherung nicht gegeben ist. Ein entge­gen­ste­hendes Interesse der Klägerin hat der BGH nach Abwägung des Rechts auf informationelle Selbst­be­stimmung einerseits und des Rechts auf freien Meinungs­aus­tausch andererseits für nicht gegeben erachtet. Die Bewertungen stellen Meinung­s­äu­ße­rungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, bei der der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre genießt. Konkrete Beein­träch­ti­gungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Äußerungen sind weder schmähend noch der Form nach beleidigend. Dass die Bewertungen anonym abgegeben werden, macht sie nicht unzulässig, weil das Recht auf Meinungsfreiheit nicht an die Zuordnung der Äußerung an ein bestimmtes Individuum gebunden ist. Die Meinungs­freiheit umfasst grundsätzlich das Recht, das Verbrei­tungs­medium frei zu bestimmen.

Abwägen zwischen Persön­lich­keits­schutz und Kommu­ni­ka­ti­o­ns­freiheit

Auch die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an den Nutzer kann nur aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persön­lich­keits­schutz des Betroffenen und dem Recht auf Kommu­ni­ka­ti­o­ns­freiheit im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Im Streitfall ist im Hinblick auf die geringe Aussagekraft und Eingriffs­qualität der Daten und die Zugangs­be­schrän­kungen zum Portal die Daten­über­mittlung nicht von vornherein unzulässig. Besondere Umstände, die der Übermittlung im konkreten Fall entgegenstehen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Nachtrag vom 27.07.2009

Die Lehrerin hat angekündigt, nunmehr vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht gegen das Portal zu klagen.

Quelle: ra-online, BGH

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