18.10.2024
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Oberlandesgericht Köln Urteil03.07.2008

Schülerbenotung von Lehrerin im Internetforum "Spickmich.de" weiterhin zulässigKein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht von Lehrern

Nach dem Oberlan­des­gericht Köln bleibt die Benotung von Lehrern im Internet weiterhin erlaubt. Der 15. Zivilsenat wies die Berufung einer Gymna­si­a­l­lehrerin zurück, die den Kölner Betreibern des Internetforums "Spickmich.de" im Klagewege verbieten lassen wollte, sie betreffende Daten wie Name, Unter­richts­fächer, Zitate und Benotungen auf der genannten Internetseite zu veröffentlichen. Damit ist die Lehrerin erneut vor dem Oberlan­des­gericht unterlegen, nachdem derselbe Senat bereits am 27.11.2007 ihre Berufung im vorgeschalteten einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren verworfen hatte. Das hiesige Urteil bestätigt die Vorinstanz in vollem Umfang und liegt auch in seiner Begründung auf der bereits im November vorgezeichneten Linie.

Auf dem sog. Community-Portal "Spickmich.de" können Schüler ihre Lehrer zu verschiedenen Kategorien benoten, etwa zu "fachlich kompetent", "gut vorbereitet", "faire Noten" etc., aber auch zu "cool und witzig", "menschlich" oder "beliebt." Die klagende Lehrerin hatte damals im Gesamtergebnis die Note 4,3 erhalten, worauf sie im Mai 2007 eine einstweilige Verfügung gegen die Veröf­fent­lichung ihres Namens und der von ihr unterrichteten Fächer beantragte und nach deren Ablehnung ihre Ansprüche im "normalen" Klageverfahren weiterverfolgte, wobei sie einen Verstoß gegen das Bundes­da­ten­schutz­gesetz sowie die Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts geltend machte.

Gericht: Kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Lehrerin

In der Begründung des Urteils führt der Senat aus, es liege kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Sämtliche Bewer­tungs­kri­terien des Schülerportals "spickmich.de" stellten Werturteile dar, so dass das Forum dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes unterfalle. Im Rahmen der danach gebotenen Abwägung zwischen der Meinungs­freiheit und den Persön­lich­keits­rechten der Lehrerin ergebe sich im Ergebnis kein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Gymna­si­a­l­lehrerin. Soweit es um berufsbezogene Kriterien wie "guter Unterricht", "fachlich kompetent", "motiviert", "faire Noten", "faire Prüfungen" und "gut vorbereitet" gehe, sei die Lehrerin nicht in ihrem Erschei­nungsbild oder ihrer allgemeinen Persönlichkeit betroffen, sondern allein in der konkreten Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit. Eine beleidigende Schmähkritik sei damit nicht verbunden, auch unter Berück­sich­tigung der Namensnennung werde die Lehrperson durch die Schüler­be­wertung nicht an den Pranger gestellt. Bei seiner Abwägung hat der Senat erneut berücksichtigt, dass auf "spickmich.de" gerade kein "uneingeschränkt öffentliches" Bewerten der Lehrerinnen und Lehrer stattfinde und kein allgemeiner Zugang zu diesen Bewertungen gegeben sei. Die Namen und Bewertungen der Lehrer könnten nicht über Internet-Suchmaschinen ermittelt werden, sondern würden lediglich unter den einzelnen Schulen aufgeführt, die im Wesentlichen von interessierten Schülern oder Eltern eingegeben und aufgerufen werden dürften. Die Gefahr von Manipulationen der Bewertung erachtet der Senat angesichts der Zugangs­kri­terien und weiterer Sicherungen als gering.

Richter: Kein Angriff auf die Menschenwürde - keine Schmähung oder Diffamierung von Lehrern

Auch die mehr perso­nen­be­zogenen Bewertungen zu den Kriterien "cool und witzig", "menschlich", "beliebt" und "vorbildliches Auftreten" seien letztlich weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Schmähung einzustufen. Im Vordergrund stehe nicht eine Diffamierung oder Herabsetzung der Person als Ziel der Äußerung, sondern die Bewertung von Eigenschaften, die sich jedenfalls auch im schulischen Wirkungskreis spiegeln. Dabei sei bei der Diktion und Formulierung der Kriterien auch auf den Sprachgebrauch von Schülern und Jugendlichen abzustellen, so dass auch die Bewertung zum Merkmal "cool", dem der Begriff "peinlich" gegen­über­ge­stellt wird, die Grenze zur Schmähung oder Diffamierung nicht überschreite. Das Grundrecht der Meinungs­freiheit schütze die Meinungs­kundgabe unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Auch die Anonymität der Bewertung mache diese nicht unzulässig, wie der Senat weiter meint; sie sei dem Medium des Internets immanent. Meinungen, die lediglich unter einer E-Mail-Adresse oder auch anonym im Internet abgegeben werden, genössen ebenfalls den Schutz des Art. 5 des Grundgesetzes. Auch im schulischen Bereich liege aufgrund des Über- Unter­ord­nungs­ver­hält­nisses zwischen Lehrer und Schüler nahe, dass letztere bei Veröf­fent­lichung ihres Klarnamens aus Furcht vor negativen Konsequenzen auf eine Kundgabe ihrer Meinung verzichten würden, was der Freiheit des durchaus wünschenswerten breiteren Kommu­ni­ka­ti­o­ns­pro­zesses über die Qualität der Bildungsarbeit zuwiderlaufe.

Zitate erlaubt

Auch die - korrekte - Einstellung von Zitaten der Lehrerin im Bewertungsmodul sei ähnlich wie deren Wiedergabe in Schüler­zei­tungen erlaubt. Zitate der bewerteten Lehrer würden in dienstlicher Funktion und im Rahmen ihrer Berufsausübung Dritten gegenüber getätigt. Es handele sich daher um Äußerungen, die nicht etwa dem Privatbereich unterfallen, sondern im Rahmen des beruflichen Wirkungskreises der Sozialsphäre zuzuordnen seien.

Keine besonders sensiblen Daten

Schließlich könne die Klägerin Unter­las­sungs­ansprüche auch nicht aus dem Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung oder dem Bundes­da­ten­schutz­gesetz (BDSG) herleiten. Es handele sich bei der Angabe von Name, Schule und Unter­richts­fächern nicht um besonders sensible Daten; diese seien zudem aus einer allgemein zugänglichen Quelle, nämlich der Homepage der Schule entnommen worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Köln vom 03.07.2008

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