21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil28.10.2009

Bundes­ge­richtshof erklärt Preis­an­pas­sungs­klauseln in Erdgas-Sonderverträgen für unwirksamPreis­an­pas­sungs­klauseln benachteiligen die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen

Die von einem Gasversorger verwendeten Preis­an­pas­sungs­klauseln in Erdgas-Sonderverträgen sind wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit von Gaspreis­er­hö­hungen, die von der Beklagten, einem regionalen Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen in Norddeutschland, einseitig vorgenommen wurden. Die Kläger sind Sonder­ver­trags­kunden, die zu einem gegenüber dem Grund­ver­sor­gung­starif des Unternehmens günstigeren Tarif für die Vollversorgung von Haushaltskunden ("s. Erdgas basis plus") beliefert werden. Grundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien sind vorformulierte Verträge verschiedener Fassungen. In den Verträgen heißt es unter anderem:

Fassung A (Vertragsschluss 1990 bis 1996)

"4. Preis­än­de­rungs­be­stim­mungen

Die oben benannten Ausgangs­grund­preise gelten bei einem Monat­s­ta­bel­lenlohn von 2.674,54 DM (Stand 1.3.1984). …

Der obige Ausgangs­a­r­beitspreis gilt bei einem Preis für extra leichtes Heizöl von 64,39 DM/100 l ohne Steuer (Stand 1.4.1984). …

Für den Lohn und für das Heizöl gelten jeweils die von dem Vorlieferanten der S. [Rechts­vor­gängerin der Beklagten] in Ansatz gebrachten Werte. Bei einer Änderung des Lohnes oder der Lohnbasis und der Preise für Heizöl behalten sich die S. [Rechts­vor­gängerin der Beklagten] eine entsprechende Anpassung der Gaspreise vor. Der Messpreis ist hiervon ausgenommen.

Die Preise werden jeweils zum 1.04. und 1.10. eines jeden Jahres überprüft. Preisänderungen werden dem Kunden durch individuelle Rundschreiben oder durch Veröf­fent­lichung in der Presse bekannt gegeben.

…"

Fassung B (Vertragsschluss 1997 bis 2001):

"4. Preis­än­de­rungs­be­stim­mungen

Die S. [Rechts­vor­gängerin der Beklagten] sind berechtigt, die vorgenannten Preise im gleichen Umfang wie ihr Vorlieferant an die Lohnkosten- und die Heizöl­prei­s­ent­wicklung anzupassen.

…"

Fassung C (Vertragsschluss ab 2002):

"§ 3 Preis­än­de­rungs­be­stim­mungen

Die s. [Beklagte] ist berechtigt, die genannten Preise im gleichen Umfang wie ihre Vorlieferanten an die Lohnkosten- und die Heizöl­ent­wicklung anzupassen. Bei einer Änderung der Preis­än­de­rungs­klausel oder sonstiger Bestimmungen in den Erdgas­be­zugs­ver­trägen kann die s. [Beklagte] auch für diesen Vertrag eine entsprechende Anpassung verlangen.

…"

Kläger sehen Preiserhöhungen als unbillig und unwirksam an

Das beklagte Unternehmen erhöhte den Arbeitspreis Erdgas zum 1. Oktober 2004, zum 1. Januar 2005, zum 1. Oktober 2005 und zum 1. Januar 2006. Die Kläger widersprachen den Preiserhöhungen. Mit ihrer Klage haben sie die Feststellung begehrt, dass die Preiserhöhungen unbillig und unwirksam sind. Das Landgericht Bremen hat der Klage stattgegeben. Das Hanseatische Oberlan­des­gericht in Bremen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Preis­an­pas­sungs­klausel wahrt nicht vertragliches Äquiva­lenz­ver­hältnis

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die umstrittenen Gaspreis­er­hö­hungen unwirksam sind, weil die Preis­an­pas­sungs­klauseln in den Formu­la­r­ver­trägen einer Inhalts­kon­trolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten und deshalb kein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung des Gaspreises besteht. Die Preis­an­pas­sungs­klauseln benachteiligen die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben jedenfalls deshalb unangemessen, weil sie nur das Recht des Versorgers vorsehen, Änderungen der Gasbezugskosten an die Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Geste­hungs­kosten den Preis zu senken. Eine Preis­an­pas­sungs­klausel muss aber das vertragliche Äquiva­lenz­ver­hältnis wahren und darf dem Verwender nicht die Möglichkeit geben, über die Abwälzung konkreter Kosten­stei­ge­rungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (vgl. dazu auch die Urteile des Bundes­ge­richtshofs Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 29.04.2008 - KZR 2/07 -; Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 15.07.2009 - VIII ZR 56/08 - und Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 15.07.2009 - VIII 225/07 -).

Formulierungen geben Möglichkeit Herabsetzung von Bezugskosten zu umgehen

Die von dem beklagten Unternehmen verwendeten Formulierungen ("behalten sich … vor", "sind berechtigt") lassen zumindest eine Auslegung zu, nach der das Unternehmen zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung nach unten vorzunehmen, wenn die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung gesunken sind. Damit hat das Unternehmen die Möglichkeit, durch die Wahl des Preis­an­pas­sungs­termins erhöhten Bezugskosten umgehend, niedrigeren Bezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.

Versor­gungs­un­ter­nehmen zu Preiserhöhung bei Sonder­ver­trags­kunden nicht berechtigt

Das Versor­gungs­un­ter­nehmen war auch nicht nach der - im Zeitpunkt der umstrittenen Preiserhöhungen noch geltenden – Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt: § 5 Abs. 2 GasGVV) zur Preisänderung berechtigt. Diese Vorschrift, die ein gesetzliches Preis­än­de­rungsrecht des Versor­gungs­un­ter­nehmens begründet, ist nur auf die Versorgung von Tarifkunden (jetzt: Grund­ver­sor­gungs­kunden) unmittelbar anwendbar. Bei den Klägern handelt es sich aber jeweils um Sonder­ver­trags­kunden, nicht um Tarifkunden. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im Wege der Geset­ze­s­analogie liegen nicht vor. Auch eine entsprechende Anwendung aufgrund einer ergänzenden Vertrags­aus­legung kam in dem entschiedenen Fall nicht in Betracht.

Quelle: ra-online, BGH

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