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Bundesgerichtshof Urteil29.04.2008

Gaskunden siegen vor BGH: Preis­er­hö­hungs­klausel in Erdgas­son­der­vertrag unwirksamBundes­ge­richtshof stärkt Verbrau­cher­rechte

Vertragliche Preis­än­de­rungs­klauseln der Gasversorger dürfen die Kunden nicht unangemessen benachteiligen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Regelungen für Sonder­ver­trags­kunden, die im Ergebnis den Gasversorger zu Preiserhöhungen berechtigen, aber bei sinkenden Einkaufspreisen nicht zu Preissenkungen verpflichten, sind unwirksam. Laut Gaslie­fe­rungs­vertrag der ENSO Erdgas GmbH Dresden war der Gasversorger berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten erfolgte.

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat einen Rechtsstreit entschieden, in dem etwa 160 private Kläger mit dem beklagten Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmen, das Ostsachsen mit Erdgas beliefert, um die Wirksamkeit von Gaspreis­er­hö­hungen streiten. Die Kläger sind keine Tarifkunden, sondern Sonder­ver­trags­kunden der Beklagten. In den Gaslie­fe­rungs­ver­trägen heißt es jeweils, dass die Beklagte berechtigt sei, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten der Beklagten erfolge. Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis zum 1. Juni und 1. November 2005 sowie zum 1. Januar und 1. April 2006. Das Landgericht Dresden hat festgestellt, dass die Preiserhöhungen unwirksam seien. Das Oberlan­des­gericht Dresden hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

BGH: Preis­än­de­rungs­klausel des Gaslie­fe­rungs­vertrags ist unwirksam

Auch die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof sieht in der Preis­än­de­rungs­klausel des Gaslie­fe­rungs­vertrags eine nach § 307 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksame Allgemeine Geschäfts­be­dingung. Die Klausel stelle eine den Geboten von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung der Gaskunden dar. Bei der Prüfung, ob eine mehrdeutige Allgemeine Geschäfts­be­dingung wirksam sei, müsse von der für den Kunden ungünstigsten Auslegung ausgegangen werden. Danach berechtige die hier in Rede stehende Preis­än­de­rungs­klausel die Beklagte zwar, verpflichte sie aber nicht, bei einem veränderten Gasein­kauf­spreis den Lieferpreis anzupassen. Nach dieser Auslegung sei die Beklagte nicht verpflichtet, eine Preisanpassung nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich der Einstandpreis seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt habe. Damit würden die Folgen von Schwankungen des Einkaufspreises einseitig dem Kunden auferlegt.

Nicht nur Preiserhöhungen der Lieferanten dürfen weitergereicht werden. Auch niedrigere Einkaufspreise müssen gutgeschrieben werden

Dem Argument der Beklagten, die Preis­än­de­rungs­klausel sei deshalb wirksam, weil auch die (bis zum 7. November 2006 für Tarifkunden geltende) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) keine Kriterien für Preis­an­pas­sungen formuliere, ist der Bundes­ge­richtshof nicht gefolgt. Da der Gasversorger, wie der Bundes­ge­richtshof mit Urteil vom 13. Juni 2007 entschieden hat, nach der Verordnung den allgemeinen Gastarif nach billigem Ermessen zu bestimmen habe, sei er bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, Kosten­stei­ge­rungen wie Kostensenkungen nach gleichen Maßstäben Rechnung zu tragen. Eine entsprechende Verpflichtung sehe demgegenüber die vertragliche Preis­an­pas­sungs­klausel gerade nicht vor.

Schließlich hat es der Bundes­ge­richtshof auch abgelehnt, der Beklagten an Stelle der unwirksamen Allgemeinen Geschäfts­be­dingung in ergänzender Vertrags­aus­legung ein Preis­an­pas­sungsrecht einzuräumen. Da beide Vertrags­parteien den Vertrag nach zweijähriger Laufzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen könnten, sei es für die Beklagte nicht unzumutbar, wenn sie den Gaspreis innerhalb der Vertrags­laufzeit nicht erhöhen könne.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 86/08 des BGH vom 29.04.2008

der Leitsatz

GWB § 19 Abs. 1; BGB § 305 c Abs. 2, § 307 Abs. 1 Cb, § 315 Abs. 1

a) Die Versorgung von Letzt­ver­brauchern mit Erdgas bildet sachlich einen eigenen Markt; ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht nicht (Bestätigung von BGHZ 151, 274, 282 – Fernwärme für Börnsen).

b) Um die Billigkeit einer Erhöhung des Gaspreises darzulegen, muss der Gasversorger nicht dartun, dass er mit der Erhöhung eine bestehende markt­be­herr­schende Stellung nicht missbraucht.

c) Auch im Indivi­du­a­l­prozess ist eine mehrdeutige Allgemeine Geschäfts­be­dingung im "kunden­feind­lichsten" Sinne auszulegen, wenn diese Auslegung zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dies dem Kunden günstiger ist.

d) Eine Klausel in einem Gasson­der­vertrag, die den Gasversorger berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch seinen Vorlieferanten erfolgt, benachteiligt den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam.

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