18.10.2024
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Dokument-Nr. 8156

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Urteil15.07.2009BundesgerichtshofVIII ZR 225/07
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Tiergarten, Urteil12.12.2006, 6 C 402/06
  • Landgericht Berlin, Urteil28.06.2007, 51 S 16/07
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Bundesgerichtshof Urteil15.07.2009

BGH: Preis­an­pas­sungs­klausel in einem Gasver­sor­gungs­son­der­vertrag ist unwirksamUnveränderte Übernahme des Preis­an­pas­sungs­rechts in einen Sondervertrag nicht möglich

Eine von einem Versor­gungs­un­ter­nehmen in einem Gasver­sor­gungs­son­der­vertrag verwendete Preis­an­pas­sungs­klausel ist aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall liegt folgende strittige Klausel zugrunde:

"Der Gaspreis folgt den an den internationalen Märkten notierten Ölpreisen. Insofern ist die G. (Bekl.) berechtigt, die Gaspreise … auch während der laufenden Vertrags­be­ziehung an die geänderten Gasbezugskosten der G. anzupassen. Die Preisänderungen schließen sowohl Erhöhung als auch Absenkung ein."

Sachverhalt

In dem Verfahren streiten die Parteien um die Wirksamkeit von einseitig vorgenommenen Gaspreis­er­hö­hungen. Der Kläger bezog von der Beklagten Erdgas zu Sonder­preis­kon­di­tionen. Dafür galten nach dem Versor­gungs­vertrag vorrangig die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Beklagten, in denen die oben genannte Preis­an­pas­sungs­klausel enthalten ist, und lediglich, soweit die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen nichts anderes vorsehen, ergänzend die Vorschriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV). Die Beklagte erhöhte den Netto-Arbeitpreis zum 1. Oktober 2005 um ,5 Cent/kWh auf 4,1 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 um weitere ,5 Cent/kWh auf 4,6 Cent/kWh. Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Preiserhöhungen unwirksam seien. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Preis­an­pas­sungs­re­gelung gemäß den AGBs unwirksam

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die von der Beklagten gegenüber dem Kläger vorgenommenen Erhöhungen der Erdgaspreise zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 unwirksam sind, weil die Preis­an­pas­sungs­re­gelung in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist und der Beklagten deshalb ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises nicht zusteht.

Unterschied zwischen Tarif­kun­den­ver­trägen und Normson­der­kun­den­ver­trägen ist zu beachten

Anders als das Berufungs­gericht angenommen hat, war die Beklagte nicht unmittelbar nach der - im Zeitpunkt der streit­ge­gen­ständ­lichen Preiserhöhungen noch geltenden - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zur Preisänderung berechtigt, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV handelt. Der Senat hat entschieden, dass es für die Unterscheidung zwischen Tarif­kun­den­ver­trägen im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 1 Abs. 1 AVBGasV (jetzt Grund­ver­sor­gungs­ver­trägen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG 2005) und Normson­der­kun­den­ver­trägen mit Haushaltskunden darauf ankommt, ob das Versor­gungs­un­ter­nehmen – aus der Sicht eines durch­schnitt­lichen Abnehmers – die Versorgung zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versor­gungs­pflicht nach den genannten Vorschriften anbietet oder ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertrags­freiheit erfolgt. Aus den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Beklagten ergibt sich eindeutig, dass der Vertrag mit dem Kläger danach als Sonder­kun­den­vertrag einzustufen ist. Eine einseitige Preisänderung durch die Beklagte hätte deshalb nur auf der Grundlage einer wirksamen Preis­an­pas­sungs­klausel erfolgen können.

Nach Auffassung des Senats hält allerdings eine Preis­an­pas­sungs­klausel, die das im Tarif­kun­den­ver­hältnis bestehende gesetzliche Preis­än­de­rungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normson­der­kun­den­vertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhalts­kon­trolle stand. Den Vorschriften in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV kommt insoweit eine "Leitbild­funktion im weiteren Sinne" auch im Hinblick auf Preis­an­pas­sungs­klauseln in Normson­der­kun­den­ver­trägen zu. Der Gesetzgeber des AGB-Gesetzes (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, jetzt § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB) wollte es den Versor­gungs­un­ter­nehmen freistellen, ihre Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versor­gungs­be­din­gungen auszugestalten, weil Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.

Preis­an­pas­sungs­klausel weicht zum Nachteil der Kunden ab

Die Preis­an­pas­sungs­klausel der Beklagten enthält aber keine unveränderte Übernahme des Preis­än­de­rungs­rechts nach § 4 AVBGasV in den Sondervertrag mit dem Kläger, sondern weicht – jedenfalls bei der gebotenen kunden­feind­lichsten Auslegung – in zweifacher Hinsicht zum Nachteil der Kunden der Beklagten davon ab und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. § 4 AVBGasV ermöglicht die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kosten­stei­gerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 -). Nach der Preis­an­pas­sungs­klausel der Beklagten ist dagegen eine Preiserhöhung wegen gestiegener Bezugskosten auch dann zulässig, wenn sich deren Kosten insgesamt nicht erhöht haben. Außerdem geht das Preis­än­de­rungsrecht des Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmens nach § 4 AVBGasV wegen der Bindung an billiges Ermessen mit der Rechtspflicht einher, gefallenen Gasbezugskosten nach gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen (vgl.Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 29.04.2008 - KZR 2/07 - ). Eine solche Verpflichtung enthält die Preis­an­pas­sungs­klausel der Beklagten nicht. Danach ist die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung nach gleichen Maßstäben unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 153/09 des BGH vom 15.07.2009

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