18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil13.01.2010

BGH: Kein Preis­an­pas­sungsrecht von Gasversorgern bei unwirksamer Preis­an­pas­sungs­klauselPreis­an­pas­sungs­klausel muss vertragliches Äquiva­lenz­ver­hältnis wahren

Die in den Erdgas-Sonderverträgen verwendeten Preis­an­pas­sungs­klauseln sind wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam. Ein Preis­an­pas­sungsrecht des Versor­gungs­un­ter­nehmens ergibt sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertrags­aus­legung. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden und damit erneut einer Klage von Kunden eines Gasversorgers gegen Preiserhöhungen stattgegeben.

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit von Gaspreis­er­hö­hungen, die von der Beklagten, einem kommunalen Versor­gungs­un­ter­nehmen im Ruhrgebiet, einseitig vorgenommen worden waren. Die 180 Kläger schlossen spätestens im September 2004 mit der Beklagten Gaslie­fer­verträge nach den Sonderabkommen SOA1 und SOA2. Die von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen lauten auszugsweise wie folgt (bei Verträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, haben die Bedingungen einen geringfügig abweichenden Wortlaut): "4. Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröf­fent­lichung in der […] Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Monats schriftlich kündigen und eine weitere Belieferung zu den Preisen und Bedingungen der Sonder­ver­ein­barung oder als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den "Allgemeinen Tarifen" verlangen. Die vereinbarte Vertrags­laufzeit bleibt hiervon unberührt.

5. Soweit in diesem Sonderabkommen nichts anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend.

9. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt – soweit nichts anderes vereinbart – zwei Jahre; er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird."

Verbraucher klagen gegen Preiserhöhung

Die Beklagte erhöhte die Arbeitspreise zum 1. Oktober 2004, 1. April 2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und zum 1. Oktober 2006. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Feststel­lungsklage. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlan­des­gericht hat sie abgewiesen.

Preis­an­pas­sungs­klauseln benachteiligen Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen

Die dagegen gerichtete Revision der Kläger hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die umstrittenen Gaspreis­er­hö­hungen unwirksam sind, weil die Preis­an­pas­sungs­klauseln in den Formu­la­r­ver­trägen einer Inhalts­kon­trolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten und deshalb kein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung des Gaspreises besteht. Die Preis­an­pas­sungs­klauseln benachteiligen die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben jedenfalls deshalb unangemessen, weil sie nur das Recht des Versorgers vorsehen, Änderungen der Gasbezugskosten an die Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Geste­hungs­kosten den Preis zu senken. Eine Preis­an­pas­sungs­klausel muss aber das vertragliche Äquiva­lenz­ver­hältnis wahren und darf dem Verwender nicht die Möglichkeit geben, über die Abwälzung konkreter Kosten­stei­ge­rungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 28.10.2009 - VIII ZR 320/07 -).

Keine ergänzende Vertrags­aus­legung bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen zulässig

Dem beklagten Unternehmen ist auch, anders als das Berufungs­gericht gemeint hat, nicht im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung ein Preis­än­de­rungsrecht zuzubilligen. Eine ergänzende Vertrags­aus­legung bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen kommt nur dann in Betracht, wenn die entstehende Regelungslücke zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Das ist angesichts der für das Versor­gungs­un­ter­nehmen bestehenden Kündi­gungs­mög­lich­keiten nicht der Fall.

Quelle: ra-online, BGH

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