18.10.2024
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Dokument-Nr. 8618

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Urteil16.10.2009Arbeitsgericht Lörrach4 Ca 248/09
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Arbeitsgericht Lörrach Urteil16.10.2009

Maultaschenfall: Fristlose Kündigung wegen Diebstahls von sechs Maultaschen, die entsorgt worden wären, rechtmäßigErteilung einer Abmahnung für fehlerhaftes Handeln nicht ausreichend - Mitarbeiterin griff in das Eigentum des Arbeitgebers ein

Eine Mitarbeiterin in einem Altenheim, die an ihrem Arbeitsplatz die von den Bewohnern beim Mittagessen übrig gebliebenen Maultaschen verzehrt bzw. mit nach Hause nimmt, kann von ihrem Arbeitgeber wegen Diebstahls fristlos entlassen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Maultaschen ansonsten im Müll gelandet wären, entschied das Arbeitsgericht Lörrach.

Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Mitarbeiterin eines Altenheims nicht nur "3 bis 4" sondern 6 Maultaschen aus den Resten der am 21. April 2009 ausgegebenen Bewoh­ner­ver­pflegung genommen und diese auch nicht etwa sofort verzehrt, sondern wollte diese vielmehr in einer Stofftasche verborgen mit nach Hause nehmen. Die Frau verstieß damit gegen eine Regelung, wonach Essensreste nicht vom Personal mitgenommen werden dürften. Am 30. April 2009 erhielt die Frau, die fristlose Kündigung. Hiergegen erhob sie eine Kündi­gungs­schutzklage vor dem Arbeitsgericht Lörrach / Kammern Radolfzell.

Verbot zur Verwendung von Resten der Bewoh­ner­ver­pflegung lag Mitarbeitern schriftlich vor

Das Gericht wies ihre Kündi­gungs­schutzklage ab. Nach Ansicht des Gerichts hat sie in das Eigentum des Arbeitgebers rechtswidrig eingegriffen und ohne entlastende Begründung gegen ein bestehendes Verbot des Arbeitgebers in seiner Einrichtung verstoßen. Dieses schriftlich bekannt gemachte generelle Verbot zur Verwendung von Resten der Bewoh­ner­ver­pflegung war der Klägerin auch bekannt. Die pauschale und nicht näher belegte Behauptung der Klägerin, es sei gang und gäbe, dass Mitar­bei­te­rInnen Reste der Perso­na­l­ver­pflegung verzehrten und das Küchenpersonal fordere sogar dazu auf, konnte nicht bewiesen werden. Gesondert hergerichtete Perso­na­l­ver­pflegung zu einem Preis von 3,35 € hätte zur Verfügung gestanden, wäre sie von der Klägerin bestellt worden. Diese Art der Verpflegung wird durch Mitarbeiter auch genutzt.

Arbeitnehmer darf nicht eigenmächtig und gegen den Willen des Arbeitgebers handeln

Es handelt sich auch bei 6 Maultaschen noch um eine geringwertige Sache; der materielle Wert liegt zwischen 3,00 und 4,00 Euro. Dennoch bestimmt allein der Arbeitgeber darüber, wie mit seinem Eigentum verfahren wird und zwar selbst dann, wenn er die Reste der Entsorgung zuführt. Der einzelne Arbeitnehmer kann nicht seinen Willen nach Gutdünken und gegen ein bestehendes Verbot über denjenigen des Arbeitgebers stellen.

Keine Veranlassung zur Abweichung von Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts

Zur Abweichung von der bisherigen, gefestigten Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts (vgl. BAG, Urteil v. 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 -), das die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers auch dann, wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtigen Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung an sich für geeignet erachtet, bestand nach Ansicht der Kammer keine Veranlassung.

Interessen des Arbeitgebers wiegen schwerer als die des Arbeitnehmers

Die Umstände des vorliegenden Einzelfalles waren in Abwägung der Interessen beider Parteien nach Ansicht des entscheidenden Gerichts geeignet, die fristlose Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses zu rechtfertigen. Die lange Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit der Klägerin und ihr Alter sowie die mit der Kündigung verbundene soziale Härte wurden ebenso gewürdigt wie der Vertrau­ens­verlust auf Seiten des Arbeitgebers und die Präven­tiv­funktion einer Kündigung. Die Klägerin ist tariflich ordentlich unkündbar, als milderes Mittel im Verhältnis zur außer­or­dent­lichen Kündigung erschien der Kammer eine Abmahnung nicht ausreichend. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung wurde höher eingestuft als das der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses. Dies unter anderem auch, weil die Kammer als erwiesen ansah, dass die Klägerin das bestehende Verbot kannte und wissen musste, dass ein Verstoß Konsequenzen auch ernster Art nach sich ziehen kann.

Die außer­or­dentliche Kündigung vom 30. April 2009 ist somit wirksam.

Die Klägerin hat Berufung gegen dieses Urteil eingelegt.

Quelle: ra-online, ArbG Lörrach

der Leitsatz

Der Diebstahl von 6 Maultaschen aus übrig­ge­bliebener Bewoh­ner­ver­pflegung durch eine Altenpflegerin ist geeignet eine außer­or­dentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn ein ausdrückliches und der Arbeitnehmerin auch bekanntes Verbot hinsichtlich der Verwertung von Resten durch das Personal besteht.

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