21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil11.12.2003

Auch beim kleinsten Diebstahl droht fristlose KündigungDiebstahl ist immer "wichtiger Grund" zur außer­or­dent­lichen Kündigung

Auch beim Diebstahl einer nur geringwertigen Sache, kann der Arbeitgeber das Arbeits­ver­hältnis fristlos kündigen. Die Verletzung des Eigentums des Arbeitgebers ist immer ein wichtiger Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung. Nur die Würdigung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls zuzumuten ist, kann zur Feststellung der Unwirksamkeit der außer­or­dent­lichen Kündigung führen. Das hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden.

Die Klägerin ist seit 1990 in dem Warenhaus der Beklagten als Verkäuferin tätig. Am 11. Januar 2002 war sie mit Aufräumarbeiten in der Spiri­tu­o­se­n­ab­teilung beschäftigt. Noch vor der Öffnung des Betriebs brachte sie eine Tragetasche mit 62 Minifläschchen Alkoholika und zwei angebrochenen Rollen Küchenpapier in die Telefonzentrale des Betriebs.

Dabei handelte es sich um abgeschriebene Waren. Die von einer anderen Arbeitnehmerin informierte Teamleiterin untersuchte die Tasche gemeinsam mit dem Betrie­bs­rats­vor­sit­zenden, wartete jedoch das weitere Verhalten der Klägerin ab. Als diese zum Schichtende den Betrieb mit der gefüllten Tasche verlassen wollte, wurde sie mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Die Flaschen und das Küchenpapier seien zur Entsorgung vorgesehen gewesen. Wegen eines bevorstehenden Betrie­bs­lei­ter­wechsels habe sie den Verkaufsbereich in einen tadellosen Zustand versetzen wollen. Ihr sei damals nicht bewußt gewesen, daß sie zur Mitnahme abgeschriebener Ware um Erlaubnis hätte nachsuchen müssen. Die Beklagte macht geltend, unverkäufliche Ware werde, wenn sie noch brauchbar oder genußfähig sei, gemeinnützigen karitativen Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder für Betriebsfeste verwendet. Das Küchenpapier hätte noch für weitere Reini­gungs­a­r­beiten im Betrieb verwendet werden können. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurück­ver­weisung der Sache an das Landes­a­r­beits­gericht.

Die Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist nicht nur - wie vom Landes­a­r­beits­gericht angenommen - "unter Umständen", sondern stets als wichtiger Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung an sich geeignet. Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, kann zur Feststellung der Unwirksamkeit der außer­or­dent­lichen Kündigung führen. Die Entscheidung, zu welchem Zweck abgeschriebene Ware noch verwendet werden kann, ist Sache des Betrie­bs­in­habers. Selbst wenn er grundsätzlich bereit ist, derartige Waren an die Betrie­b­s­an­ge­hörigen zu verschenken, handeln diese grob vertragswidrig, wenn sie sie ohne Genehmigung einfach wegnehmen. Ein Arbeitnehmer in einem Waren­h­aus­betrieb muß normalerweise davon ausgehen, daß er mit einem (versuchten) Diebstahl oder einer Unterschlagung auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Eine Abmahnung ist bei derartigen Pflicht­ver­stößen regelmäßig nicht erforderlich. Die Sache ist an das Landes­a­r­beits­gericht zurückverwiesen worden, damit eine diese Grundsätze berück­sich­tigende Inter­es­se­n­ab­wägung nachgeholt werden kann.

Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht

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