14.12.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss13.08.2024

Keine Befreiung vom Verhül­lungs­verbot im Straßenverkehr zum Tragen eines Gesichts­schleiers (Niqab)Verhül­lungs­verbot als Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Religi­o­ns­freiheit ist verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt

Der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz hat den Antrag einer Muslimin, ihr eine Ausnah­me­ge­neh­migung vom Verhül­lungs­verbot der Straßen­ver­kehrs­ordnung zum Tragen eines Gesichts­schleiers (Niqab) beim Autofahren zu erteilen, zu Recht abgelehnt. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz, das damit das vorangegangene Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Neustadt an der Weinstraße bestätigte.

Die Klägerin ist eine Muslimin, deren religiöse Überzeugung ihren Angaben zufolge ihr das Tragen eines Gesichts­schleiers (Niqab) in der Öffentlichkeit gebietet. Im Gegensatz zu einem Kopftuch verhüllt ein sogenannter Niqab nicht nur die Haare sowie ggf. den Hals-, Schulter und Brustbereich, sondern auch das Gesicht mit Ausnahme der Augenpartie. Die Klägerin stellte bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung vom Verhüllungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 Straßen­ver­kehrs­ordnung (StVO). Danach darf, wer ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist. Nachdem der Beklagte den Antrag abgelehnt hatte und ihr dagegen eingelegter Widerspruch erfolglos geblieben war, erhob sie Klage, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte.

Vorinstanz wies die Klage ab

Das Verwal­tungs­gericht wies die Klage ab, da die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte straßen­ver­kehrs­rechtliche Ausnah­me­ge­neh­migung von dem Verhül­lungs­verbot habe. Den gegen das verwal­tungs­ge­richtliche Urteil gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberver­wal­tungs­gericht ab.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwal­tungs­ge­richt­lichen Urteils habe die Klägerin nicht dargetan. Das Gericht habe ebenso wie die Vorinstanz keine Bedenken gegen die Verfas­sungs­mä­ßigkeit des in § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO geregelten Verhül­lungs­verbots. Der durch das Verhül­lungs­verbot bewirkte Eingriff in die nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit sei verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt und insbesondere auch verhältnismäßig. Die Regelung diene der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs und damit dem Schutz von Grundrechten Dritter auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum, indem sie zum einen dazu beitrage, im Fall automatisiert erfasster Verkehrs­verstöße die Identität des Fahrzeugführers festzustellen, und zum anderen der Gefahr von Sicht­be­hin­de­rungen begegne.

Erteilung einer Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs ist nicht geeignet

Die Erteilung der Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht annähernd gleich geeignet zur Identifizierung von Verkehrs­teil­nehmern im Rahmen automatisierter Verkehr­s­kon­trollen, weil eine Fahrten­buch­auflage fahrzeugbezogen sei und die Niqab-Trägerin auch andere Fahrzeuge führen dürfe, für die keine Fahrten­buch­auflage bestehe. Zur Gewährleistung der Rundumsicht des Fahrzeugführers wäre eine solche Fahrten­buch­auflage ohnehin nicht geeignet. Die Eingriff­sin­tensität des Verhül­lungs­verbots sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht hoch. Durch das Verbot werde niemand unmittelbar an der Praktizierung seines Glaubens gehindert. Bei Befolgung der von ihr als verbindlich empfundenen Beklei­dungs­vor­schriften müsse die betroffene Person lediglich auf das Führen eines (geschlossenen) Kraftfahrzeugs verzichten. Auch im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bestehe kein Anspruch, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs verbundenen Vorzüge durchweg zu den Bedingungen der individuell als verpflichtend empfundenen Glaubensgebote in Anspruch nehmen zu dürfen. Das Führen eines Kraft-fahrzeugs sei zudem nicht ohne Weiteres zwingend oder alternativlos. Außerdem könne besonderen Ausnah­me­si­tua­tionen Rechnung getragen werden durch die den Straßen­ver­kehrs­be­hörden eingeräumte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung. Die Klägerin habe auch nicht aufgezeigt, dass die Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung ermes­sens­feh­lerhaft gewesen sei. Das Verwal­tungs­gericht habe bereits zutreffend ausgeführt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Knieprobleme nicht erkennen ließen, weshalb ihr die Nutzung des öffentlichen Perso­nen­nah­verkehrs (ÖPNV) nicht zumutbar sein sollte, zumal im ÖPNV meistens auch Sitzplätze zur Verfügung stehen dürften. Unabhängig davon könne dem grundsätzlich anzuerkennenden Interesse an Mobilität im Fall der Klägerin dadurch Rechnung getragen werden, dass die Klägerin mit ihrer Fahrerlaubnis berechtigt sei, ein Kraftrad zu führen. Für Krafträder, für die gemäß § 21 a Abs. 2 Satz 1 StVO eine Schutz­helmpflicht angeordnet sei, gelte das Verhül­lungs­verbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO nach Satz 2 der Bestimmung nicht.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/pt)

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