18.10.2024
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Sie sehen den Auspuff eines Autos.

Dokument-Nr. 34166

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Oberverwaltungsgericht Münster Urteil05.07.2024

Kein Anspruch auf Ausnah­me­ge­neh­migung für Niqab am SteuerKlage teilweise stattgegeben

Eine muslimische Glaubens­an­ge­hörige aus Neuss, die aus religiösen Gründen auch beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihr Gesicht mit Ausnahme eines Sehschlitzes für die Augenpartie mit einem Gesichts­schleier in Form eines Niqab bedecken möchte, hat keinen Anspruch auf Befreiung vom Verhül­lungs­verbot am Steuer. Die Bezirks­re­gierung Düsseldorf muss aber über ihren Antrag auf Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung erneut entscheiden. Das hat das Ober­verwaltungs­gericht entschieden und der Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Düsseldorf teilweise stattgegeben.

Die Neusserin wollte beim Autofahren ihren sogenannten Niqab tragen. Die Muslima hatte religiöse Gründe angeführt. Sie wollte eine Ausnahmegenehmigung vom Verhüllungsverbot am Steuer erwirken. Die Bezirks­re­gierung Düsseldorf wollte das nicht zulassen. Dagegen hatte die Frau geklagt, zuerst vor dem VG Düsseldorf. Nachdem das die Klage abgewiesen hatte, wandte sich die Frau an die das OVG Münster. Doch auch das kam jetzt zu dem Schluss, dass die Frau keinen Anspruch auf Befreiung vom Verhül­lungs­verbot am Steuer hat.

Vorrang für Verkehrs­si­cherheit und Schutz von Leib und Leben

Zur Urteils­be­gründung hieß es: Die im Jahr 2017 in Kraft getretene Regelung der Straßenverkehrsordnung, nach der derjenige, der ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist, ist verfas­sungsgemäß. Das Verhüllungs- und Verde­ckungs­verbot verfolgt den Zweck, die Erkennbarkeit und damit die Feststell­barkeit der Identität von Kraft­fahr­zeug­führern bei automatisierten Verkehr­s­kon­trollen zu sichern, um diese bei Verkehrs­ver­stößen heranziehen zu können. Außerdem schützt es die Rundumsicht des Kraft­fahr­zeug­führers. Mit dieser Zielrichtung dient es dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) anderer Verkehrs­teil­nehmer. Ein allgemeiner Vorrang der Religionsfreiheit vor diesen Rechtsgütern besteht nicht. Individuellen Belangen kann mit der Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung Rechnung getragen werden.

Anspruch auf ermes­sens­feh­lerfreie Entscheidung

Auf eine solche Ausnah­me­ge­neh­migung hat die Klägerin keinen unmittelbaren Anspruch. Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde. Allerdings hat die Bezirks­re­gierung Düsseldorf das ihr eingeräumte Ermessen bei der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung bislang nicht fehlerfrei ausgeübt. Deshalb muss sie über den Antrag nochmals entscheiden. Bei ihrer Ableh­nungs­ent­scheidung hat die Behörde die Religi­o­ns­freiheit nicht hinreichend mit den für das Verbot sprechenden Belangen abgewogen. Zu Unrecht hat sie etwa darauf abgestellt, dass das Verhüllungs- und Verde­ckungs­verbot auch die nonverbale Kommunikation im Straßenverkehr sichert. Diese ist, soweit sie im Straßenverkehr überhaupt erforderlich ist, durch den Niqab nicht beeinträchtigt. Die Annahme der Behörde, dass ein Niqab die Rundumsicht beeinträchtigt, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu, wovon sich der Senat in der mündlichen Verhandlung, an der die Klägerin persönlich teilgenommen hat, überzeugen konnte. Zudem hat die Behörde alternative Möglichkeiten, um die Ziele des Verbots jedenfalls annähernd zu erreichen, wie etwa die Sicherstellung der Identi­fi­zier­barkeit der Klägerin durch ein Fahrtenbuch, bislang nicht hinreichend erwogen. Der OVG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht eingelegt werden.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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