21.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil26.07.2023

Kein Anspruch auf Befreiung vom Verhül­lungs­verbot im Straßenverkehr zum Tragen eines Gesichts­schleiers (Niqab)Verhül­lungs­verbot am Steuer mit dem Grundrecht der Glaubens­freiheit vereinbar

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt an der Weinstraße hat die Klage einer Muslimin auf Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung vom Verhül­lungs­verbot der Straßen­verkehrs­ordnung zum Tragen eines Gesichts­schleiers (Niqab) beim Autofahren als unbegründet abgewiesen. Im Gegensatz zu einem aus religiösen Gründen getragenen Kopftuch (Hijab) verhüllt ein sogenannter Niqab nicht nur die Haare sowie ggf. den Hals-, Schulter und Brustbereich, sondern auch das Gesicht mit Ausnahme der Augenpartie.

Die Klägerin stellte im Juli 2021 bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verhüllungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 Straßen­ver­kehrs­ordnung. Danach darf, wer ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 11. Februar 2022 abgelehnt.

Verhül­lungs­verbot am Steuer schränkt Religi­o­ns­freiheit nur unwesentlich ein

Die nach erfolgloser Durchführung eines Wider­spruchs­ver­fahrens von der Klägerin im Januar 2023 erhobene Klage hat das VG abgewiesen. Der religiös begründete Wunsch der Klägerin, während des Führens eines Kraftfahrzeugs der Fahrer­laub­nis­klasse "B" einen Niqab zu tragen, eröffne keinen Anspruch auf die begehrte straßen­ver­kehrs­rechtliche Ausnah­me­ge­neh­migung von dem bestehenden Verhül­lungs­verbot. Das Verhül­lungs­verbot sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Im typischen Anwendungsfall betreffe das Verhül­lungs­verbot in verfas­sungs­rechtlich unbedenklicher Weise die allgemeine Handlungs­freiheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) der Fahrzeugführer und Fahrzeug­füh­re­rinnen. Werde das Tragen einer Kopfbedeckung als religiöses Symbol verstanden, komme daneben zwar auch die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz in Betracht. Das Verhül­lungs­verbot führe jedoch nicht zu einer gezielten oder den Schutzbereich der Religi­o­ns­freiheit unmittelbar betreffenden Beschränkung. Dadurch, dass § 23 Abs. 4 Satz 1 Straßen­ver­kehrs­ordnung das Tragen eines Niqabs nicht schlechthin verbiete, sondern eine generelle Anordnung nur für bestimmte Bereiche des Straßenverkehrs darstelle, werde die Religi­o­ns­ausübung nur in einer eng begrenzten und für die Religi­o­ns­freiheit typischerweise nicht wesentlichen Lebenssituation eingeschränkt. Die Voraussetzungen einer Befreiung vom Verhül­lungs­verbot lägen nicht vor. Insbesondere könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass durch die Ablehnung ihres Antrags überragende Rechtsgüter verletzt würden.

Verkehrs­si­cherheit vorrangig

Eine schwerwiegende Grund­rechts­be­ein­träch­tigung durch die Ablehnung der begehrten Ausnah­me­ge­neh­migung sei nicht anzuerkennen. Deren Erteilung stünden im Rahmen der Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen im Gegenteil hochrangige Rechtsgüter in Form der Verkehrs­si­cherheit, des Schutzes von Leib und Leben sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter entgegen. Insbesondere gewährleiste das Verhül­lungs­verbot die Feststell­barkeit der Identität von Kraft­fahr­zeug­führern bei automatisierten Verkehr­s­kon­trollen, um diese bei Rechtsverstößen heranziehen zu können. Die repressive Verfolgung diene zugleich präventiv der Abwehr künftiger Verkehrs­verstöße. Durch die Ablehnung des Antrags sei die Klägerin auch nicht in Art. 3 Grundgesetz verletzt, da das Verhül­lungs­verbot religions- und geschlechts­u­n­ab­hängig gelte. Die Ablehnung sei auch verhältnismäßig. Insbesondere sei das Ziel des Verhül­lungs­verbots angesichts der Missbrauchs­mög­lich­keiten nicht durch eine Fahrten­buch­auflage oder andere Vorkehrungen zu erreichen. Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz gestellt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, ra-online (pm/ab)

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