21.11.2024
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil04.08.2011

Androhung von Folter: Land Hessen zur Zahlung einer Geldent­schä­digung in Höhe von 3.000 Euro an Kindsmörder Magnus Gäfgen verurteiltRecht auf Achtung der Würde kann auch Straftäter nicht abgesprochen werden

Das Landgericht Frankfurt hat das Land Hessen zur Zahlung einer Geldent­schä­digung in Höhe von 3.000 Euro an den rechtskräftig u.a. wegen Mordes verurteilten Magnus Gäfgen verurteilt. Die weitergehende, auf Zahlung von mindestens 10.000 Euro gerichtete Klage wies das Gericht ab.

Im zugrunde liegenden Streitfall war dem rechtskräftig u.a. wegen Mordes verurteilten Magnus Gäfgen im Rahmen des polizeilichen Ermitt­lungs­ver­fahrens eine schmerzhafte Behandlung angedroht worden, um von ihm den Aufenthaltsort des entführten und mutmaßlich in Lebensgefahr schwebenden Kindes zu erfahren.

Landgericht: Zufügung von Schmerzen nachweislich nicht nur angedroht sondern auch vorbereitet

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass dem Kläger bei seiner Vernehmung im Polizei­prä­sidium die Zufügung von Schmerzen nicht nur angedroht worden ist, sondern auch die Durchführung einer entsprechenden Behandlung auch vorbereitet worden ist. "Durch die Androhung der Schmerzzufügung […], angeordnet von Daschner und gebilligt vom Innen­mi­nis­terium, wurde planvoll, vorsätzlich und in Kenntnis der Rechts­wid­rigkeit dieses Tuns und der Gefahr der Unver­wert­barkeit der Aussage in die Menschenwürde, die das höchste Verfassungsgut darstellt […], eingegriffen", so das Landgericht in seiner Urteils­be­gründung. Weiter führt die Kammer aus: "Bei dieser Beurteilung ist es gänzlich unerheblich und darf schlechthin nicht berücksichtigt werden, dass der Kläger zuvor eine Straftat begangen hat. Das Recht auf Achtung seiner Würde kann auch dem Straftäter nicht abgesprochen werden, mag er sich auch in noch so schwerer und unerträglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben."

Anhaltspunkte für weitere behauptete Amtspflicht­ver­let­zungen zu erkennbar

Das Gericht hat jedoch keine Anhaltspunkte für weitere vom Kläger behauptete Amtspflicht­ver­let­zungen wie die Drohung mit sexueller Gewalt im Gefängnis, einen Stoß gegen die Wand, ein Schlagen des Klägers durch Polizeibeamte, übermäßige Gewaltanwendung bei der Festnahme sowie das Vorenthalten eines Verteidigers gesehen.

Behauptete Traumatisierung nicht eindeutig auf Behandlung im Polizei­prä­sidium zurückzuführen

Die weitergehende Klage auf eine Zahlung von mindestens 10.000 Euro hat das Gericht daher abgewiesen. Es hat bei der Bemessung der Höhe der Geldent­schä­digung weiter berücksichtigt, dass der Kläger nicht beweisen konnte, dass seine behauptete Traumatisierung auf die Behandlung im Polizei­prä­sidium zurückzuführen ist. Vielmehr sei diese nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits durch das Erleben der Tötung des Opfers und den Einsturz des auf Lügen­ge­schichten und Luftschlössern basierenden Selbstbildes des Klägers eingetreten.

Verhalten der Polizeibeamten wurde bereits mehrfach missbilligt und Verletzung der Menschenwürde mehrfach klar und deutlich festgestellt

Weiterhin hat das Landgericht den Beweggrund der handelnden Personen berücksichtigt, denen es einzig um allein um die Rettung des Kindes ging. "Das provozierende und skrupellose Aussa­ge­ver­halten des Klägers strapazierte die Nerven der Ermittler aufs Äußerste", so das Gericht. Schließlich hat das Gericht berücksichtigt, dass das Verhalten der Polizeibeamten von verschiedenen Gerichten bereits mehrfach missbilligt wurde und die Verletzung der Menschenwürde mehrfach klar und deutlich festgestellt wurde.

Geldent­schä­digung als Ausgleich für Verletzung der Menschen­rechts­kon­vention

Aufgrund des voraus­ge­gangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sah das Gericht sich jedoch veranlasst, dem Kläger auch eine Geldent­schä­digung als Ausgleich für die Verletzung von Art. 3 der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention zuzusprechen.

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main/ra-online

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