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Landgericht Frankfurt am Main Beschluss28.08.2006
Straftäter erhält kein Schmerzensgeld aufgrund verbotener VernehmungsmethodenVerurteilter erhält keine Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit
Die beabsichtigte Klage eines rechtskräftig verurteilten Straftäters (Magnus Gäfgens - der Entführer und Mörder von Jakob von Metzler) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens € 10.000,00 gegen das Bundesland Hessen wegen unzulässiger Vernehmungsmethoden bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Deshalb ist diesem auch keine Prozesskostenhilfe zu gewähren. Dies hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.
Der Antragsteller wurde durch ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main im Juli 2003 rechtskräftig wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und weiterer Delikte zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm war im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens eine schmerzhafte Behandlung angedroht worden, um von ihm den Aufenthaltsort des entführten und mutmaßlich in Lebensgefahr schwebenden Kindes zu erfahren. Im Dezember 2004 hatte das Landgerichts Frankfurt am Main die beiden hierfür verantwortlichen Polizeibeamten u. a. wegen Nötigung im Amt schuldig befunden und eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen.
Mit der begehrten Prozesskostenhilfe wollte der Antragsteller eine Amtshaftungsklage gegen das Land Hessen wegen des polizeilichen Vorgehens anstreben, weil er durch das gesamte Geschehen so schwer traumatisiert worden sei, dass er noch heute unter schweren psychischen Folgen wie Angstphobien, Schlafstörungen und Albträumen leide und psychologischer Behandlung bedürfe. Dem Antrag entsprach die 4. Zivilkammer nicht. Dass man dem Antragsteller rechtswidrig mit der Zufügung von Schmerzen gedroht habe, führe noch nicht zwingend zu einem Schmerzensgeldanspruch. Ein hinreichender Ausgleich und eine zureichende Genugtuung sei auch auf andere Weise als durch Zuerkennung einer Geldentschädigung möglich und liege hier in den durch das Landgericht Frankfurt mehrmals ausgesprochenen Feststellungen der Rechtswidrigkeit des polizeilichen Vorgehens, der Bezeichnung als „verbotene Vernehmungsmethoden“ und dem Schuldspruch gegen die beiden verantwortlichen Polizeibeamten. Diese Feststellungen über die Rechtswidrigkeit der Gewaltandrohung seien als Genugtuung ausreichend, eines zusätzlichen Schmerzensgeldes bedürfe es darüber hinaus nicht. Dies sei das Ergebnis einer Gesamtabwägung, bei dem die Kammer auch berücksichtigte, dass die Beamten unter einem schweren Druck standen, da sie davon ausgingen, das entführte Kind noch retten zu können, sofern es zeitnah gefunden werde.
Die Kammer führt in ihrer Entscheidung aus:
„Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da dem Antragsteller kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen das Land Hessen aus Amtspflichtverletzung zusteht.…
…Zwar haben die Landesbeamten D. und E. durch die von ihnen verwirklichten Straftatbestände ihre Amtspflicht zum gesetzmäßigen Verhalten verletzt. Dass E. dem Antragsteller auf Anordnung des damaligen Polizeivizepräsidenten D. angedroht hat, ihm würden Schmerzen zugefügt werden, steht aufgrund der Verfahren gegen den Antragsteller und gegen die Beamten E. und D. fest. Dies führt jedoch noch nicht zwingend zu einem Schmerzensgeldanspruch. Grundsätzlich besteht selbst zwischen der Verletzung der Menschenwürde und der Zuerkennung einer Geldentschädigung kein zwingendes Junktim. Vielmehr ist ein hinreichender Ausgleich und eine zureichende Genugtuung auch auf andere Weise möglich. Dies ist hier mit der Feststellung im Beschluss vom 09.04.2003, dass die Androhung von Schmerzen rechtswidrig war, der Bezeichnung als „verbotene Vernehmungsmethoden“ in dem Urteil gegen den Antragsteller im Strafverfahren vor der 22. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt sowie mit dem Schuldspruch im Strafverfahren gegen die Landesbeamten D. und E. vor der 27. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt der Fall. Einer Genugtuung durch Geldentschädigung bedarf es dagegen nur, wenn der Eingriff ein bestimmtes Maß erreicht hat. Dafür dass dieses Maß hier nicht erreicht ist, spricht bereits das Urteil gegen die Landesbeamten D. und E., das sich nach einer umfassenden, sorgfältigen Würdigung der Umstände für eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen hat. Dabei hat das Urteil gleichzeitig klar und unmissverständlich Stellung dazu genommen, dass die Folterandrohung unzulässig, rechtswidrig und verfassungswidrig war sowie strafrechtlich als Nötigung zu werten ist. Aufgrund dieser Einschätzung, die die Kammer im übrigen teilt, ist – wie oben ausgeführt - der Genugtuungsfunktion genüge getan...
...Eine Gesamtabwägung führt deswegen dazu, dass die angeführten Feststellungen über die Rechtswidrigkeit der Gewaltandrohung als Genugtuung ausreichend sind und keines zusätzlichen Schmerzensgeldes bedürfen….
….Auch ein Anspruch auf (materiellen) Schadensersatz aufgrund der Vernehmungsmethode besteht nicht. Insoweit hat der Antragsteller nicht ausreichend substanziiert dargelegt, dass die behaupteten psychischen Folgen auf den Umständen der – nur wenige Minuten dauernden – Vernehmung durch E. beruhen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass etwaige psychische Probleme auf der vom Antragsteller selber verursachten Gesamtsituation beruhen, indem dieser nämlich einen elf Jahre alten Jungen entführt und getötet hat und daraufhin von der Polizei festgenommen worden ist. Soweit der Antragsteller sich auf einen Brief des Dipl. Psych. W. S. bezieht, gelangt dieser keineswegs zu dem Ergebnis, dass aufgrund der „durch die vorstehend geschilderten Ereignisse bedingten schweren Traumatisierungen“ eine „lange psychotherapeutische Behandlung erforderlich sei“. Vielmehr ergibt sich aus dem Brief eindeutig, dass sich Herr S. hierbei auf die Auswirkungen der Tat des Antragstellers bezieht…
…..Im übrigen sprechen auch die eigenen Angaben des Antragstellers dafür, dass die behaupteten Folgen nicht auf der Vernehmungssituation beruhen. Der Antragsteller trägt nämlich selber vor, dass er bereits bei Beginn der Vernehmung durch E. in einem „sehr schlechten physischen und psychischem Zustand war“ und „seit Nächten nicht geschlafen hatte“. Dies belegt, dass der Antragsteller bereits vor der Vernehmung psychisch stark belastet war, was angesichts des begangenen Verbrechens, der mehrtägigen Ungewissheit, ob die Erpressung erfolgreich verlaufe und ob er gefasst werde, sowie schließlich der Festnahme nicht verwunderlich erscheint...“
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.09.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/06 des LG Frankfurt am Main vom 29.08.2006
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