21.11.2024
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Landgericht Frankfurt am Main Beschluss28.08.2006

Straftäter erhält kein Schmerzensgeld aufgrund verbotener Verneh­mungs­me­thodenVerurteilter erhält keine Prozess­kos­tenhilfe für den Rechtsstreit

Die beabsichtigte Klage eines rechtskräftig verurteilten Straftäters (Magnus Gäfgens - der Entführer und Mörder von Jakob von Metzler) auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes in Höhe von mindestens € 10.000,00 gegen das Bundesland Hessen wegen unzulässiger Verneh­mungs­me­thoden bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Deshalb ist diesem auch keine Prozess­kos­tenhilfe zu gewähren. Dies hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.

Der Antragsteller wurde durch ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main im Juli 2003 rechtskräftig wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und weiterer Delikte zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm war im Rahmen des polizeilichen Ermitt­lungs­ver­fahrens eine schmerzhafte Behandlung angedroht worden, um von ihm den Aufenthaltsort des entführten und mutmaßlich in Lebensgefahr schwebenden Kindes zu erfahren. Im Dezember 2004 hatte das Landgerichts Frankfurt am Main die beiden hierfür verant­wort­lichen Polizeibeamten u. a. wegen Nötigung im Amt schuldig befunden und eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen.

Mit der begehrten Prozess­kos­tenhilfe wollte der Antragsteller eine Amtshaf­tungsklage gegen das Land Hessen wegen des polizeilichen Vorgehens anstreben, weil er durch das gesamte Geschehen so schwer traumatisiert worden sei, dass er noch heute unter schweren psychischen Folgen wie Angstphobien, Schlafstörungen und Albträumen leide und psychologischer Behandlung bedürfe. Dem Antrag entsprach die 4. Zivilkammer nicht. Dass man dem Antragsteller rechtswidrig mit der Zufügung von Schmerzen gedroht habe, führe noch nicht zwingend zu einem Schmer­zens­geldan­spruch. Ein hinreichender Ausgleich und eine zureichende Genugtuung sei auch auf andere Weise als durch Zuerkennung einer Geldent­schä­digung möglich und liege hier in den durch das Landgericht Frankfurt mehrmals ausgesprochenen Feststellungen der Rechts­wid­rigkeit des polizeilichen Vorgehens, der Bezeichnung als „verbotene Verneh­mungs­me­thoden“ und dem Schuldspruch gegen die beiden verant­wort­lichen Polizeibeamten. Diese Feststellungen über die Rechts­wid­rigkeit der Gewaltandrohung seien als Genugtuung ausreichend, eines zusätzlichen Schmer­zens­geldes bedürfe es darüber hinaus nicht. Dies sei das Ergebnis einer Gesamtabwägung, bei dem die Kammer auch berücksichtigte, dass die Beamten unter einem schweren Druck standen, da sie davon ausgingen, das entführte Kind noch retten zu können, sofern es zeitnah gefunden werde.

Die Kammer führt in ihrer Entscheidung aus:

„Die beabsichtigte Rechts­ver­folgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da dem Antragsteller kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen das Land Hessen aus Amtspflicht­ver­letzung zusteht.…

…Zwar haben die Landesbeamten D. und E. durch die von ihnen verwirklichten Straf­tat­be­stände ihre Amtspflicht zum gesetzmäßigen Verhalten verletzt. Dass E. dem Antragsteller auf Anordnung des damaligen Polizei­vi­ze­prä­si­denten D. angedroht hat, ihm würden Schmerzen zugefügt werden, steht aufgrund der Verfahren gegen den Antragsteller und gegen die Beamten E. und D. fest. Dies führt jedoch noch nicht zwingend zu einem Schmer­zens­geldan­spruch. Grundsätzlich besteht selbst zwischen der Verletzung der Menschenwürde und der Zuerkennung einer Geldent­schä­digung kein zwingendes Junktim. Vielmehr ist ein hinreichender Ausgleich und eine zureichende Genugtuung auch auf andere Weise möglich. Dies ist hier mit der Feststellung im Beschluss vom 09.04.2003, dass die Androhung von Schmerzen rechtswidrig war, der Bezeichnung als „verbotene Verneh­mungs­me­thoden“ in dem Urteil gegen den Antragsteller im Strafverfahren vor der 22. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt sowie mit dem Schuldspruch im Strafverfahren gegen die Landesbeamten D. und E. vor der 27. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt der Fall. Einer Genugtuung durch Geldent­schä­digung bedarf es dagegen nur, wenn der Eingriff ein bestimmtes Maß erreicht hat. Dafür dass dieses Maß hier nicht erreicht ist, spricht bereits das Urteil gegen die Landesbeamten D. und E., das sich nach einer umfassenden, sorgfältigen Würdigung der Umstände für eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen hat. Dabei hat das Urteil gleichzeitig klar und unmiss­ver­ständlich Stellung dazu genommen, dass die Folterandrohung unzulässig, rechtswidrig und verfas­sungs­widrig war sowie strafrechtlich als Nötigung zu werten ist. Aufgrund dieser Einschätzung, die die Kammer im übrigen teilt, ist – wie oben ausgeführt - der Genug­tu­ungs­funktion genüge getan...

...Eine Gesamtabwägung führt deswegen dazu, dass die angeführten Feststellungen über die Rechts­wid­rigkeit der Gewaltandrohung als Genugtuung ausreichend sind und keines zusätzlichen Schmer­zens­geldes bedürfen….

….Auch ein Anspruch auf (materiellen) Schadensersatz aufgrund der Verneh­mungs­methode besteht nicht. Insoweit hat der Antragsteller nicht ausreichend substanziiert dargelegt, dass die behaupteten psychischen Folgen auf den Umständen der – nur wenige Minuten dauernden – Vernehmung durch E. beruhen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass etwaige psychische Probleme auf der vom Antragsteller selber verursachten Gesamtsituation beruhen, indem dieser nämlich einen elf Jahre alten Jungen entführt und getötet hat und daraufhin von der Polizei festgenommen worden ist. Soweit der Antragsteller sich auf einen Brief des Dipl. Psych. W. S. bezieht, gelangt dieser keineswegs zu dem Ergebnis, dass aufgrund der „durch die vorstehend geschilderten Ereignisse bedingten schweren Trauma­ti­sie­rungen“ eine „lange psycho­the­ra­peu­tische Behandlung erforderlich sei“. Vielmehr ergibt sich aus dem Brief eindeutig, dass sich Herr S. hierbei auf die Auswirkungen der Tat des Antragstellers bezieht…

…..Im übrigen sprechen auch die eigenen Angaben des Antragstellers dafür, dass die behaupteten Folgen nicht auf der Verneh­mungs­si­tuation beruhen. Der Antragsteller trägt nämlich selber vor, dass er bereits bei Beginn der Vernehmung durch E. in einem „sehr schlechten physischen und psychischem Zustand war“ und „seit Nächten nicht geschlafen hatte“. Dies belegt, dass der Antragsteller bereits vor der Vernehmung psychisch stark belastet war, was angesichts des begangenen Verbrechens, der mehrtägigen Ungewissheit, ob die Erpressung erfolgreich verlaufe und ob er gefasst werde, sowie schließlich der Festnahme nicht verwunderlich erscheint...“

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/06 des LG Frankfurt am Main vom 29.08.2006

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