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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil10.10.2012

Kindermörder Magnus Gäfgen steht Geldent­schä­digung wegen verbotener Verneh­mungs­me­thoden zuVerbotene Verneh­mungs­me­thoden müssen mit einer Geldent­schä­digung wieder­gut­gemacht werden

Einem Beschuldigten, dem Polizeibeamte während der Vernehmung mit der Zufügung von erheblichen Schmerzen androhen, um die Erteilung einer wichtigen Auskunft bzw. ein Geständnis zu erwirken, steht wegen des Verbots der Drohung und Misshandlung (§ 136 a Abs. 1 Satz 3 StPO) eine Geldent­schä­digung zu. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde dem Kläger G. eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen, weil Polizeibeamte des Landes Hessen ihm angedroht hatten, erhebliche Schmerzen zuzufügen, um so den Aufenthaltsort des von ihm entführten Kindes in Erfahrung zu bringen. Der Kläger hatte auf eine eigene Berufung, die u.a. auf eine höhere Geldent­schä­digung hätte gerichtet werden können, verzichtet. Er verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen der Entführung und Ermordung des Kindes.

Beklagtes Land hat für die schuldhafte Amtspflicht­ver­letzung zweier Polizeibeamten eingestehen

Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.

Es hat keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Tatsa­chen­fest­stel­lungen des Landgerichts zu den Geschehnissen gesehen. Rechtlich hat es erneut festgehalten, dass die erfolgte Androhung der Zufügung erheblicher Schmerzen gegen das Verbot der Drohung mit Misshandlung (§ 136 a Abs. 1 Satz 3 StPO) verstoße sowie gegen das Verbot, festgenommene Personen körperlich oder seelisch zu misshandeln (Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Verhalten der beiden Polizeibeamten sei - auch wenn es das Ziel hatte, das Leben des Kindes zu retten - weder polizei­rechtlich noch strafrechtlich gerechtfertigt oder entschuldigt. Die beiden Polizeibeamten hätten sich damit strafbar gemacht. Außerdem hatte das OLG zu berücksichtigen, dass nach dem vom Kläger erwirkten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die Androhung erheblicher Schmerzen gegen Art. 3 der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK) verstieß. Der Gerichtshof hatte in der Verneh­mungs­methode eine unmenschliche Behandlung im Sinne der genannten Vorschrift gesehen. Die beiden Polizeibeamten hätten damit - so das OLG - bei allem Respekt für ihre Beweggründe, das Leben des Kindes zu retten, eine schuldhafte Amtspflicht­ver­letzung (§ 839 Abs. 1 BGB) begangen. Hierfür habe das beklagte Land einzustehen (Art. 34 Satz 1 GG).

Festlegung der Höhe der Geldent­schä­digung unter Berück­sich­tigung der Urteilswertung des EGMR

Das Oberlan­des­gericht hat die landge­richtliche Entscheidung auch insoweit bestätigt, als das Landgericht dem Kläger eine Geldent­schä­digung in Höhe von 3.000 Euro zugebilligt hat. Bei dieser Abwägung hatte das Oberlan­des­gericht die Wertung des genannten Urteils des EGMR zu berücksichtigen, dass trotz der achtenswerten Beweggründe der beiden Polizeibeamten die zwischen­zeitlich ergangenen inner­staat­lichen Maßnahmen, insbesondere das Strafurteil gegen die beiden Polizisten, noch keine hinreichende Genug­tu­ungs­funktion hatten, um den Verstoß gegen Art. 3 EMRK, der eine spürbare Folge haben müsse, auszugleichen. Eine demnach rechtlich gebotene weitere Genugtuung komme nur in der Gestalt der Zuerkennung einer - der Höhe nach symbolischen - Geldent­schä­digung in Betracht, nachdem das Strafverfahren abgeschlossen ist. Wäre eine solche Geldent­schä­digung nicht zuerkannt worden, würde nach dem genannten Urteil des EGMR der Verstoß gegen Art. 3 EMRK fortbestehen und könnte vom Kläger erneut gerügt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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