18.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil10.08.2017

Abhängige Beschäftigung: Anästhesist in Klinik ist sozial­versicherungs­pflichtigAnästhesist ist in Klinikbetrieb eingegliedert und nicht weisungsfrei tätig

Abhängig Beschäftigte sind sozial­versicherungs­pflichtig. Als Beschäftigung gilt die nicht­selbst­ständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeits­ver­hältnis. Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die betriebliche Arbeits­or­ga­ni­sation. Bei einem im OP-Bereich einer Klinik tätigen Facharzt für Anästhesiologie ist regelmäßig von einer abhängigen und damit sozial­versicherungs­pflichtigen Beschäftigung auszugehen. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Facharzt für Anästhesiologie aus dem Landkreis Offenbach war für verschiedene Kliniken in deren Anästhe­sie­ab­teilung tätig. Die Vergütung erfolgte auf Stundenbasis. Auf den Status­fest­stel­lungs­antrag einer Klinik stellte die Deutsche Renten­ver­si­cherung fest, dass der Anästhesist eine abhängige Beschäftigung ausübe und daher Versi­che­rungs­pflicht in der Renten­ver­si­cherung sowie nach dem Recht der Arbeits­för­derung bestehe. Hiergegen klagte der Anästhesist. Er sei nicht abhängig beschäftigt, da er nicht an Besprechungen des Operationsteams habe teilnehmen müssen und sich den Operationssaal frei habe auswählen können. Eine honora­r­ärztliche Tätigkeit sei gesetzlich vorgesehen. Die Ablehnung einer selbstständigen Tätigkeit würde eine massive Beschränkung der freien Berufsausübung der Ärzte bedeuten.

Gericht bejaht abhängige Beschäftigung und damit Sozia­l­ver­si­che­rungs­pflicht

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht gab - ebenso wie die Vorinstant - der Renten­ver­si­cherung Recht. Der Facharzt für Anästhesiologie sei für die Klinik als abhängig Beschäftigter tätig gewesen. Er sei in deren Arbeits­or­ga­ni­sation eingegliedert gewesen. So habe er die Arbeitsgeräte der Klinik genutzt, ohne die er seine Tätigkeit nicht hätte ausüben können. Er habe mit der Klinik abgesprochen, auf welchen Stationen und in welchen Schichten er im Rahmen des im Krankenhaus organisierten Ablaufs tätig sein soll und sei Teil eines Teams aus Pflegekräften und Ärzten gewesen. Zudem habe der Anästhesist einen festen Stundenlohn erhalten und kein Unter­neh­mer­risiko getragen. Auch könne er sich nicht auf die Ausnah­me­re­gelung für Notärzte im Rettungsdienst, deren Einnahmen nicht beitrags­pflichtig seien, berufen.

Das Hessische Landes­so­zi­al­gericht hat bereits zuvor entschieden, dass eine OP-Kranken­schwester (vgl. Hessisches Landes­so­zi­al­gericht, Urteil v. 26.03.2015 - L 8 KR 84/13 -) wie auch eine Pflegefachkraft in einem Pflegeheim (vgl. Hessisches Landes­so­zi­al­gericht, Urteil v. 16.05.2017 - L 1 KR 551/16 -) regelmäßig abhängig beschäftigt sind.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 7 Sozial­ge­setzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozia­l­ver­si­cherung - (SGB IV)

(1) Beschäftigung ist die nicht­selb­ständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeits­ver­hältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeits­or­ga­ni­sation des Weisungsgebers.

§ 7 a SGB IV

(1) Die Beteiligten können (A)eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt [...].

(2) Die Deutsche Renten­ver­si­cherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.

§ 24 Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch - Arbeits­för­derung - (SGB III)

(1) In einem Versi­che­rungs­pflicht­ver­hältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versi­che­rungs­pflichtig sind.

§ 1 Sozial­ge­setzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Renten­ver­si­cherung - (SGB VI)

(1) Versi­che­rungs­pflichtig sind

1. Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufs­aus­bildung beschäftigt sind; [...]

§ 23 c Sozial­ge­setzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozia­l­ver­si­cherung - (SGB VI)

(2) Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst sind nicht beitrags­pflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben

1. einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungs­dienstes oder

2. einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung ausgeübt werden.

Quelle: Hessische Landessozialgericht/ra-online

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