18.10.2024
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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil23.05.2017

Keine Sozial­versicherungs­pflicht: Bereit­schaft­särzte können Nachtdienst in Klinik als selbständige Tätigkeit ausübenBereit­schaft­särzte sind nicht in tägliche routinemäßige Versorgung der Patienten oder in Klini­kor­ga­ni­sation eingebunden

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass Bereit­schaft­särzte den Nachtdienst in einer Klinik im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausüben können, für die keine Sozialabgaben fällig werden. Die klagende Klinik hat sich damit erfolgreich gegen eine Beitrags­for­derung in Höhe von rund 20.000 Euro gewehrt, die nach einer Betriebsprüfung von der Deutschen Renten­ver­si­cherung festgesetzt worden war.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine psycho­so­ma­tische Akutklinik hatte mit neun Ärzten Rahmenverträge über den Einsatz als freie Mitarbeiter geschlossen. Es ging jeweils um die Tätigkeit als Bereit­schaftsarzt im Nachtdienst an einzelnen Tagen von 17 Uhr bis 8 Uhr des darauffolgenden Tages. Für den Nachtdienst erhielten sie eine Einsatz­pau­schale je Einsatztag (zwischen 200 Euro und 300 Euro). Während der Nachtzeit hielt sich kein angestellter Klinikarzt in der Klinik auf. Zudem fanden in dieser Zeit keine Therapien statt.

Renten­ver­si­cherung fordert Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge in Höhe von rund 20.000 Euro nach

Nach einer Betriebsprüfung forderte die Deutsche Renten­ver­si­cherung von der Klinik Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 20.000 Euro für den Zeitraum 12/2006-12/2010 nach. Die Bereit­schaft­särzte übten dieselbe Tätigkeit aus, wie fest angestellte Ärzte und seien faktisch in die Klini­kor­ga­ni­sation eingebunden. Es liege eine abhängige und damit sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtige Beschäftigung vor. Die Klinik hat hiergegen geklagt, jedoch in erster Instanz verloren. Das Sozialgericht Freiburg hat sich der Auffassung der Deutschen Renten­ver­si­cherung angeschlossen.

Keine Weisungsrechte der Klinik hinsichtlich Dienstzeiten

Die Berufung der Klinik war erfolgreich. Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg ließ sich in einer ausführlichen Anhörung die Abläufe schildern, bewertete danach den Sachverhalt in entscheidenden Punkten anders als die erste Instanz und hob die Beitrags­nach­for­derung auf. Es gab keine Weisungsrechte der Klinik hinsichtlich der Dienstzeiten. Die Bereit­schaft­särzte konnten selbst bestimmen, an welchen Tagen sie zum Einsatz kommen wollten. Die Klinik hat ihnen keine Einsatztage vorgegeben, sondern nach den Vorgaben der Bereit­schaft­särzte, die zum Teil auch eigene Arztpraxen führten, den Dienstplan aufgestellt. Da nachts ohnehin keine Therapien durchgeführt wurden, ging es auch nur um eine basis­me­di­zi­nische Versorgung, die anders organisiert werden konnte, als der Klinikalltag. Für etwaige nächtliche psychische Krisen­si­tua­tionen stand ein Facharzt in Rufbereitschaft zur Verfügung, die Bereit­schaft­särzte führten keine eigene Behandlung durch. Sie waren auch nicht in die tägliche routinemäßige Versorgung der Patienten oder in die Klini­kor­ga­ni­sation eingebunden und mussten - anders als die fest angestellten Ärzte - weder an Dienst- oder Teambe­spre­chungen noch an Weiterbildungen teilnehmen.

Sozial­ge­setzbuch (SGB) Viertes Buch

Erläuterungen

§ 7 Absatz 1 SGB IV:

Beschäftigung ist die nicht­selb­ständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeits­ver­hältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeits­or­ga­ni­sation des Weisungsgebers.

§ 28 p Absatz 1 Satz 1 SGB IV:

Die Träger der Renten­ver­si­cherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamt­s­o­zi­a­l­ver­si­che­rungs­beitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitrags­zah­lungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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