21.11.2024
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil16.12.2015

Im Krankenhaus tätiger "Honorararzt" ist sozial­versicherungs­pflichtigEingliederung in klinischen Alltag und Erhalt eines festen Stundenlohns führt regelmäßig zu anhängiger Beschäftigung

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass "Honorarärzte", die entsprechend ihrer ärztlichen Ausbildung in den klinischen Alltag eingegliedert sind und einen festen Stundenlohn erhalten, regelmäßig abhängig beschäftigt und damit versicherungs­pflichtig sind.

Im zugrun­de­lie­genden Fall hatte das klagende Krankenhaus mit einer Gynäkologin (Beigeladene) einen "Honora­r­a­rzt­vertrag" geschlossen. Die Ärztin sollte für die Dauer von einem Monat Patienten in der Abteilung "Gynäkologie und Geburtshilfe" betreuen und behandeln. Die Beigeladene sollte nach dem Wortlaut des abgeschlossenen "Honora­r­a­rzt­ver­trages" als "Selbständige" tätig sein, sich also selbst versichern. Der "Honora­r­a­rzt­vertrag" kam mithilfe einer Online­ver­mittlung zustande. Als Stundenlohn waren 60 Euro vereinbart. Die Patienten wurden der Ärztin zugewiesen. Die Behandlung erfolgte entsprechend der Ausbildung selbständig, das Letztent­schei­dungsrecht hatte der Chefarzt. Die Gynäkologin arbeitete im Team mit den im Krankenhaus tätigen weiteren Ärzten und dem nichtärztlichen Personal.

Renten­ver­si­cherung setzt abhängiges Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis fest

Das klagende Krankenhaus beantragte bei der beklagten Renten­ver­si­cherung die Feststellung des sozia­l­ver­si­che­rungs­recht­lichen Satus der beigeladenen Gynäkologin. Die Beklagte stellte fest, dass die Ärztin im Krankenhaus im Rahmen eines abhängigen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses tätig war und daher Versi­che­rungs­pflicht in der Kranken-, Pflege­ver­si­cherung und nach dem Recht der Arbeits­för­derung bestehe (von der gesetzlichen Renten­ver­si­che­rungs­pflicht war die Beigeladene befreit).

Eingliederung in den Betrieb entscheidend für Beurteilung über Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen bestätigte in seiner Entscheidung, dass die Tätigkeit der Beigeladenen Gynäkologin in dem Krankenhaus als abhängige und damit sozia­l­ver­si­che­rungs­pflichtige Beschäftigung einzuordnen sei. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass die Ärztin kein Unter­neh­mer­risiko zu tragen habe und im Wege der funkti­o­ns­gerecht dienenden Teilhabe in den Arbeitsprozess des Krankenhauses eingegliedert sei. Beurtei­lungs­maßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 SGB IV. Entscheidend sei die Eingliederung in den Betrieb. Dabei sei die jeweilige Tätigkeit zu beurteilen, nach dem der einzelne Dienst angetreten worden sei. Die Ärztin habe im Team mit den anderen Mitarbeitern des Krankenhauses gearbeitet. Dass die Beigeladene, solange der Chefarzt ihr diesbezüglich keine konkreten Vorgaben erteilt hatte, selbst entscheiden konnte, in welcher Reihenfolge sie die ihr jeweils zugewiesenen Patienten behandelte, entspreche dem Ablauf auf Station. Dabei komme es nicht darauf an, mit welcher Häufigkeit chefärztliche Weisungen tatsächlich erteilt wurden. Etwaige Handlungs­spielräume für die Beigeladene, die gegen die jedenfalls funkti­o­ns­gerecht dienende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sprechen könnten, lägen nicht vor.

Für selbstständige Tätigkeit sprechende Gewinn- und Verlust­be­tei­ligung in vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vorgesehen

Das Landes­so­zi­al­gericht führte weiter aus, dass die Gynäkologin auch kein unter­neh­me­risches Risiko getragen habe. Als Gegenleistung für die von ihr erbrachte Tätigkeit habe ihr eine Stunden­ver­gütung - insoweit typisch für Beschäftigte - in Höhe von 60 Euro zugestanden. Bezogen auf die geschuldeten Dienste habe die Beigeladene - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Eine Gewinn- und Verlust­be­tei­ligung, die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vor. Der Einsatz eigenen Kapitals sei nicht erkennbar. Eigene Betriebsmittel - bis auf die Arbeitskleidung - seien nicht eingesetzt worden. Über eine eigene Betriebsstätte habe die Beigeladene ohnehin nicht verfügt. Sie sei auf der Abteilung für Gynäkologie und im Kreißsaal der Klägerin eingesetzt gewesen. Die erforderlichen Arbeitsmittel seien dort vorhanden gewesen.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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