18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss12.05.2011

Beleidigung einer Mitschülerin über das Internet (kwick.de): Schulausschluss kann im Einzelfall unver­hält­nismäßig seinBetroffene Schülerin im Webblock nicht mit Namen oder bildlicher Darstellung gekennzeichnet

Ein eintägiger Schulausschluss für eine Schülerin, die eine Mitschülerin im Internet beleidigt hatte, kann unter Berück­sich­tigung der besonderen Umstände des Einzelfalls unver­hält­nismäßig sein. Dies hat der 9. Senat des Verwal­tungs­ge­richtshofs Baden-Württemberg (VGH) entschieden und damit einen Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Stuttgart bestätigt.

Im zugrunde liegenden Fall hatte die 15-jährige Schülerin einer Realschule im Ostalbkreis auf ihrer persönlichen Seite eines Internet-Forums einen Blog-Eintrag veröffentlicht, in dem sie eine Mitschülerin - ohne Namensnennung - als „Punkbitch“, „schon bisschen asozial“ und wiederholt als „Assi“ bezeichnete. Außerdem attestierte sie ihr „Mut zur Hässlichkeit“ und behauptete „schließlich darf ich später Dein Hartz IV finanzieren“. Der Eintrag schloss mit den Worten „Ja, das Wort Assi gefällt mir, na und? Ich sag’s wenigstens bloß, und bin’s nicht“.

Grenzen einer vom allgemeinen Meinung­s­äu­ße­rungsrecht gedeckten Kritik klar überschritten

Diese Äußerungen im Internet durfte die Schule nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs Baden-Württemberg zum Anlass für Ordnungs­maß­nahmen nehmen. Die Schülerin habe die Gemeinte in übler Weise beleidigt; die Grenzen einer vom allgemeinen Meinung­s­äu­ße­rungsrecht gedeckten Kritik seien klar überschritten. Von besonderer Bedeutung für den Verwal­tungs­ge­richtshof war dabei, dass diese Beleidigungen nicht nur ausgesprochen oder - etwa durch einen Aufschrieb an der Tafel - nur innerhalb der Klasse verbreitet, sondern ins Internet gestellt worden sind, wo sie von allen Nutzern zur Kenntnis genommen werden konnten. Gerade der Einsatz des Internets, die damit verbundene unkon­trol­lierbare Verbreitung und der Umstand, dass selbst nach Löschung Inhalte vielfach nicht mehr vollständig zurückgenommen werden könnten („das Netz vergisst nichts“), begründe ein erhebliches Fehlverhalten, das einer Reaktion bedürfe.

Ahnden des Fehlverhaltens erst knapp zwei Monate später steht Ordnungs­maßnahme nicht entgegen

Dass die Schülerin ihre Äußerungen in ihrer Freizeit ins Internet gestellt hatte, war für den Verwal­tungs­ge­richtshof unerheblich. Es komme allein darauf an, ob sich das Verhalten - wie hier - störend auf den Schulbetrieb auswirke. Auch der Umstand, dass die Ordnungs­maßnahme erst knapp zwei Monate nach dem Fehlverhalten erfolgte, stehe einer Ordnungs­maßnahme nicht entgegen, zumal die Schule frühzeitig auf mögliche schulrechtliche Konsequenzen hingewiesen und die Einberufung der Klassen­kon­ferenz angekündigt habe.

Typische Gefahren der Verbreitung von Beleidigungen an unüberschaubare Zahl von Internet-Nutzern hier nicht gegeben

Dennoch sah der Verwal­tungs­ge­richtshof den Schulausschluss als zu weitgehend an. Ob ein so schweres Fehlverhalten vorliege, das die Verhängung eines Unter­richts­aus­schlusses rechtfertige, hänge insbesondere von der Frage ab, ob die Betroffenen indivi­du­a­li­sierbar bezeichnet seien und sich mit dem Eintrag so die besonderen Gefahren des Internets realisiert hätten. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Der Webblog enthalte weder den Klar- noch den Benutzernamen der Betroffenen. Auch mit einer bildlichen Darstellung der Betroffenen seien die Eintragungen nicht verknüpft. Allein diejenigen, die die Betroffene bereits kennen würden oder von der Schülerin ausdrücklich darauf hingewiesen worden seien, könnten die genannten Beleidigungen daher der Betroffenen zuordnen. Damit dürfte der Eintrag in seiner Bedeutung eher mit einer Beleidigung im Kreis der Bekannten vergleichbar sein, als dass sich darin gerade die typischen Gefahren der Verbreitung von Beleidigungen an eine unüberschaubare Zahl von Internet-Nutzern realisiert hätten. Zudem seien die Eintragungen sofort gelöscht worden, nachdem die Schülerin mit ihren Äußerungen konfrontiert worden sei.

Quelle: Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg/ra-online

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