18.10.2024
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Verwaltungsgericht Minden Beschluss30.08.2013

Katholische Bekenntnis­grundschule ist vorläufig nicht zur Aufnahme eines muslimischen Schulanfängers verpflichtetHöherer Aufwand für Besuch an einer Gemeinschafts­grundschule für Schüler zumutbar

Das Verwal­tungs­gericht Minden hat den Eilantrag eines muslimischen Schulanfängers abgelehnt, dessen Eltern gegen die Ablehnung der Schulaufnahme durch den Schulleiter der katholischen Bekenntnis­grundschule "Bonifatius" in Paderborn geklagt hatten.

Im zugrunde liegenden Streitfall beharrte der Schulleiter der katholischen Bekennt­nis­schule darauf, dass die Eltern sich mit der Teilnahme ihres Sohnes am katholischen Religionsunterricht als Bedingung für die Einschulung einverstanden erklären. Die Eltern, die im Übrigen keine Einwände gegen eine Unterrichtung auf der Grundlage des katholischen Bekenntnisses haben, lehnen dies ab und verweisen darauf, dass eine ältere Schwester bereits an der Bonifatius-Grundschule beschult werde, ohne am Religi­o­ns­un­terricht teilnehmen zu müssen.

Vater des Schülers verlangt grundsätzliche Klärung der Schulsituation in Paderborn

Das Verwal­tungs­gericht Minden hatte auf die im Mai eingegangene Klage bereits im Juli eine mündliche Verhandlung durchgeführt und eine gütliche Einigung vorgeschlagen. Dies lehnte der Vater des Antragstellers, der auch stell­ver­tre­tender Schul­pfleg­schafts­vor­sit­zender ist, ab, weil es ihm um eine grundsätzliche Klärung der Schulsituation in Paderborn gehe. Die Bekennt­nis­schulen in Paderborn stünden „nur noch auf dem Papier“, denn der Anteil bekennt­nis­fremder Kinder mache teilweise mehr als die Hälfte der Schülerschaft aus. Befreiungen vom Religi­o­ns­un­terricht würden entweder großzügig ausgesprochen oder die Verpflichtung dazu würde nicht durchgesetzt. In Paderborn gebe es keine zumutbaren Alternativen, weil 2/3 aller Grundschulen bekennt­nis­ge­bundene Grundschulen seien. Sein Sohn müsse daher anstelle der nahe gelegenen Bonifa­ti­us­schule eine weiter entfernt liegende Gemein­schafts­grund­schule besuchen, die nur mit dem Bus erreichbar sei.

Schüler ist nicht auf Besuch der Bonifa­ti­us­schule angewiesen

Die bis dahin zuständige Einzelrichterin hat die Stadt als Schulträger beigeladen und das Klageverfahren nach der Verhandlung auf die Kammer zurück­über­tragen, um die Rechtsfolgen eines Ausein­an­der­driftens zwischen der gesell­schaft­lichen Entwicklung und dem örtlichen Schulangebot zu überprüfen. Der im August gestellte Antrag mit dem Ziel der vorläufigen Aufnahme des Schulanfängers an der Bonifatius-Grundschule blieb erfolglos. Nach Auffassung der 8. Kammer ist der Antragsteller nicht auf den Besuch der Bonifa­ti­us­schule angewiesen, weil er eine Gemein­schafts­grund­schule in Paderborn erreichen kann. Dieser Schulbesuch sei zwar mit höherem Aufwand verbunden, der aber nach den für Grundschüler maßgeblichen allgemeinen Kriterien zumutbar sei. Die Vorwegnahme der mit der Klage erstrebten Einschulung sei auch deshalb nicht erforderlich, weil ein Erfolg im Klageverfahren derzeit nicht als überwiegend wahrscheinlich erscheine.

Schüller müssen bei Besuch einer Bekennt­nis­schule Beschulung gemäß des Leitbildes akzeptieren

In Nordrhein-Westfalen sei die gleich­be­rechtigte Existenz von Gemeinschafts-, Bekenntnis- und Weltan­schau­ungs­grund­schulen durch die Landes­ver­fassung vorgegeben. Über die Schulart entscheide letztlich der Mehrheitswille der Eltern. Diese für öffentliche (meist kommunale) Schulen bindenden Vorgaben führten dazu, dass eine Bekennt­nis­schule von ihrer Ausrichtung her grundsätzlich für Kinder des jeweiligen Bekenntnisses gedacht sei. Bekennt­nis­fremde Kinder müssten an diesen Schulen dann aufgenommen werden, wenn keine andere Schule zur Verfügung stehe. Daneben könnten beispielsweise katholische Kinder eine Aufnahme in eine evangelische Bekennt­nis­schule erreichen, wenn sie uneingeschränkt mit der Unterrichtung und Erziehung in diesem Bekenntnis einverstanden seien. Dieses umfassende Einverständnis dürfe allerdings nicht dadurch relativiert werden, dass Teile des Unterrichts, zu dem auch der Religi­o­ns­un­terricht gehöre, ausgeklammert würden. Wer sein Kind zu einer Bekennt­nis­schule schicke, müsse damit rechnen, dass es gemäß dem Leitbild dieser Schule beschult werde. Allerdings dürfe der Bekennt­nis­cha­rakter einer solchen Schule nicht ausgehöhlt werden. Dies könne der Fall sein, wenn sich die Schule etwa wegen der Zusammensetzung der Schülerschaft zu weit von ihrer Ausrichtung entferne und sich das Verlangen nach Teilnahme am Religi­o­ns­un­terricht deshalb als ungerecht­fertigt erweise. Hierzu und zu den Folgen eines „Bekennt­nis­schwundes“ gebe es keine starren rechtlichen Vorgaben.

Landes­ver­fas­sungsgeber ist aus bundes­recht­licher Sicht nicht zur Einrichtung öffentlicher Bekennt­nis­schulen verpflichtet

Das Verwal­tungs­gericht sieht es als vorrangige politische Aufgabe an, die rechtlichen Rahmen­be­din­gungen an gesell­schaftliche Veränderungen anzupassen. Der Landes­ver­fas­sungsgeber sei aus bundes­recht­licher Sicht jedenfalls nicht verpflichtet, öffentliche Bekennt­nis­schulen einzurichten. Er könne auch vorrangig Gemein­schafts­grund­schulen anbieten.

Quelle: Verwaltungsgericht Minden/ra-online

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