21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil23.01.2013

Eltern haben keinen Anspruch auf Einführung von Ethikunterricht an einer GrundschuleAuch Europäische Konvention zum Schutz der Menschrechte fordert keinen Ethikunterricht bereits an Grundschulen

Eltern haben keinen Anspruch auf Einführung von Ethikunterricht als Schulfach an der Grundschule. Der Staat entscheidet im Rahmen seines verfas­sungs­recht­lichen Erzie­hungs­auftrags eigen­ver­ant­wortlich über das Erfordernis, Ethikunterricht anzubieten. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist allein­er­ziehende Mutter von drei Kindern. Zwei Kinder besuchten im Februar 2010 die zweite und vierte Klasse einer Grundschule in Freiburg. Das dritte Kind war noch nicht eingeschult. Die Klägerin beantragte damals beim Kultus­mi­nis­terium, an der Grundschule ab sofort parallel zum Religionsunterricht einen Ethikunterricht einzuführen. Ihre Kinder gehörten keiner Konfession an. Es gebe jedoch kein angemessenes Ersatzfach für den Religi­o­ns­un­terricht. Sie habe ein Recht auf ethisch-moralische Bildung ihrer Kinder. Deren Benachteiligung aufgrund ihrer weltan­schau­lichen Gesinnung sei verfas­sungs­widrig. Das Kultus­mi­nis­terium lehnte den Antrag ab.

Kultus­mi­nis­terium hat bei Wahl des Zeitpunktes für Einführung des Ethik­un­ter­richts einen gewissen Spielraum

In seiner Urteils­be­gründung führt der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg aus, dass die Klägerin nach dem Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG) keinen Rechtsanspruch auf Einführung von Ethikunterricht an der Grundschule habe. Das SchG bestimme zwar, dass für Schüler, die nicht am Religi­o­ns­un­terricht teilnähmen, das Fach Ethik als ordentliches Unterrichtsfach eingerichtet werde. Ein subjektives Recht der Eltern werde indessen dadurch nicht begründet. Das SchG beauftrage allein im öffentlichen Interesse das insoweit zuständige Kultus­mi­nis­terium, einen solchen Unterricht einzuführen, wobei es hinsichtlich der Wahl des Zeitpunktes für den Besuch von Ethikunterricht zudem einen gewissen Spielraum habe. Diesen habe das Kultus­mi­nis­terium rechtmäßig dahin ausgeübt, Ethik als ordentliches Unterrichtsfach erst ab den Klassen 7 bzw. 8 und damit für Schüler im Alter von etwa 13 bzw. 14 Jahren einzuführen.

Differenzierung zwischen Religions- und Ethikunterricht stellt keinen Verstoß gegen Benach­tei­li­gungs­verbot dar

Ein - weitergehender - Anspruch der Klägerin auf Einführung von Ethikunterricht bereits an der Grundschule ergebe sich weder aus dem im Grundgesetz verankerten Erzie­hungs­auftrag des Staates (Art. 7 Abs. 1 GG) noch aus entsprechenden Vorschriften der Landes­ver­fassung (Art. 12 LV). Denn auch diese verfas­sungs­recht­lichen Bestimmungen räumten keinen subjektiven Rechtsanspruch gegen den Staat ein. Eine Verpflichtung folge auch nicht aus der verfas­sungs­recht­lichen Garantie des Religions- und Weltan­schau­ungs­un­ter­richts (Art. 7 Abs. 3 GG). Art. 7 Abs. 3 GG eröffne Religions- und Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften einen Raum für die eigene Grund­rechts­ausübung. Demgemäß sei der Religions- und Weltan­schau­ungs­un­terricht bekennt­nis­ge­bunden - im Gegensatz zu dem bekennt­nis­neu­tralen Ethikunterricht, den die Klägerin begehre. Die Differenzierung zwischen Religions- und Ethikunterricht sei mit Blick auf Art. 7 Abs. 3 GG verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt und stelle auch keinen Verstoß gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot in Art. 3 Abs. 3 GG dar.

Grundgesetzlich geschütztes elterliches Erziehungsrecht beinhaltet keinen Anspruch auf Ethikunterricht bereits an der Grundschule

Auf ein Grundrecht auf Bildung könne sich die Klägerin einerseits nicht berufen, andererseits habe der Beklagte den ihm nach dem grund­ge­setz­lichen Erziehungs- und Bildungsauftrag zustehenden Gestal­tungs­spielraum nicht verletzt. Ebenso wenig gewähre das durch Art. 6 GG geschützte elterliche Erziehungsrecht einen Anspruch auf Ethikunterricht bereits an der Grundschule. Durch dessen Fehlen werde auch kein mittelbarer Zwang zur Teilnahme an einem Religi­o­ns­un­terricht ausgeübt. Es sei der Klägerin zumutbar, die ethisch-moralische Erziehung ihrer Kinder zunächst selbst zu leisten, zumal ethisch-moralische Fragen bereits in der Grundschule in nicht unerheblichem Umfang Gegenstand des allgemeinen Unterrichts seien. Schließlich fordere auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschrechte (EMRK) keinen Ethikunterricht bereits an der Grundschule.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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