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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Urteil27.05.2010

Kein islamisches Gebet in der Schule außerhalb des Religi­o­ns­un­ter­richtsEinschränkung der Religi­o­ns­freiheit zum Schutz anderer Verfas­sungsgüter gerechtfertigt

Ein muslimischer Schüler ist nicht berechtigt, das islamische rituelle Mittagsgebet während der Schulpause auf dem Schulgelände zu verrichten. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg.

Im zugrunde liegenden Fall klagte ein 16-jähriger muslimischer Schüler des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin erfolglos gegen die Untersagung der Schule, das islamische rituelle Mittagsgebet während der Schulpause auf dem Schulgelände zu verrichten.

Vielzahl unter­schied­licher Religionen und Glaubens­rich­tungen birgt erhebliches Konflikt­po­tenzial und gefährdet den Schulfrieden

Das Oberver­wal­tungs­gericht ist zwar ebenso wie das Verwal­tungs­gericht Berlin (Urteil v. 29.09.2009 - VG 3 A 984.07 -) davon ausgegangen, dass die Gebets­ver­richtung vom Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst werde, hat aber anders als dieses angenommen, dass hier eine Einschränkung zum Schutz anderer Verfas­sungsgüter gerechtfertigt ist. Es sei zu berücksichtigen, dass in der Schule eine Vielzahl unter­schied­licher Religionen und Glaubens­rich­tungen aufein­an­der­treffe und es auch Schüler gebe, die keiner Religion angehören. So seien namentlich am Diesterweg-Gymnasium sämtliche Weltreligionen vertreten und unter diesen wiederum unter­schiedliche Glaubens­rich­tungen, wie beim Islam Sunniten, Schiiten und Aleviten. Diese „Pluralität“ berge ein erhebliches Konflikt­po­tenzial, das sich bereits verschie­dentlich konkretisiert habe und den Schulfrieden gefährde. So hätten sich unter anderem Konflikte ergeben, weil eine Reihe von Schülerinnen und Schülern nicht den Verhal­tens­regeln gefolgt seien, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Koran ergäben, wie z.B. Kopftuchzwang, Fasten, Abhalten von Gebeten und Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch.

Staatlicher Unterrichts- und Erzie­hungs­auftrags bei Zulassung religiöser kultischer Handlungen nicht hinreichend zu gewährleisten

Es habe sich gezeigt, dass der für die Verwirklichung des staatlichen Unterrichts- und Erzie­hungs­auftrags unabdingbare Schulfrieden und der Schutz der unter­schied­lichen Grund­rechts­po­si­tionen in der Schülerschaft allein mit den im Schulgesetz vorgesehenen erzieherischen Mitteln, die auf gegenseitige Toleranz und Achtung ausgerichtet seien, nicht hinreichend zu gewährleisten sei, wenn religiöse kultische Handlungen zugelassen würden, die - wie das oftmals kollektiv verrichtete rituelle islamische Pflichtgebet - ohne weiteres von außen wahrnehmbar seien und sich damit von dem durch den Beklagten tolerierten stillen Gebet des Einzelnen unterschieden. Es sei daher plausibel, dass die Schulleitung sich - ohne hierzu vom Verwal­tungs­gericht verpflichtet worden zu sein - dazu entschieden habe, dem Kläger einen Raum zur Verfügung zu stellen, um seine kultischen Handlungen vom übrigen Schulleben abzuschirmen.

Staat kann friedliche Koexistenz unter­schied­licher religiöser und weltan­schau­licher Überzeugungen nur bei eigener Neutralität in Glaubensfragen gewährleisten

Letztlich sei davon auszugehen, dass die vom Kläger angestrebte religiöse Betätigung notwendig flankierende sächlich-organi­sa­to­rische Maßnahmen der Schule voraussetze, auf die auch verfas­sungs­rechtlich kein Anspruch bestehe. Hierbei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Staat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften zu achten habe und die friedliche Koexistenz unter­schied­licher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltan­schau­licher Überzeugungen nur gewährleisten könne, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahre. Folglich müssten dem Kläger gewährte Vorkehrungen bei vergleichbarer Interessenlage auch anderen Schülern gewährt werden, was gerade bei der Vielzahl der an der Schule vertretenen Religionen und Glaubens­rich­tungen angesichts begrenzter personeller und sächlicher Ressourcen der Schule die organi­sa­to­rischen Möglichkeiten sprengen und die Konfliktlage auch nicht vollends beseitigen würde.

Quelle: ra-online, Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

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