21.11.2024
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil29.09.2009

Gebetsraum für islamisches Gebet in der Schule - Muslimischer Schüler darf in der Schule betenSchüler muss fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten beten - Grundrecht der Religi­o­ns­freiheit

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hat entschieden, dass ein 16-jähriger muslimischer Schüler des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin-Wedding berechtigt ist, außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich in der Schule sein islamisches Gebet zu verrichten.

Nachdem die Schulleitung dem Kläger zunächst nahegelegt hatte, das Beten in der Schule zu unterlassen, verpflichtete das Gericht die Schule im März 2008 im Wege einstweiliger Anordnung, ihm vorläufig zu gestatten, einmal täglich in der unter­richts­freien Zeit zu beten. Seither hat die Schule ihm dies in einem ihm zugewiesenen Raum ermöglicht.

Schüler muss fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten beten

Der Kläger hat gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht, dass es für ihn eine religiöse Verpflichtung sei, fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten die islamischen Ritualgebete zu verrichten und dass er dies auch so praktiziere. Obwohl es nach seinem Glauben in Situationen besonderer äußerer Notwendigkeit auch zulässig sei, einzelne Gebete zusammenzulegen, sehe er keine Möglichkeit, während der Schulzeit gänzlich auf das Beten zu verzichten.

Grundrecht der Religi­o­ns­freiheit

Das Gericht hörte einen Islam­wis­sen­schaftler als Sachver­ständigen zu der Frage, wie verbindlich die Gebetspflicht für einen in Deutschland lebenden religi­o­ns­mündigen Muslim ist und welche Möglichkeiten er hat, einzelne Gebete zu verschieben, ohne in einen Glaubens­konflikt zu geraten. Bei seiner Entscheidung ging das Gericht davon aus, dass auch Anhängern des Islam das Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes zusteht. Dieses Grundrecht erstrecke sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden. Hierzu gehöre insbesondere auch das Beten. Da für einen gläubigen Muslim auch die Gebetszeiten einen hohen Stellenwert hätten, könne von einem strenggläubigen Schüler nicht erwartet werden, grundsätzlich nur außerhalb der Schulzeit zu beten, wenn er bereit sei, für sein Gebet nur unter­richtsfreie Zeit in Anspruch zu nehmen und hierdurch keine konkreten und unzumutbaren Beein­träch­ti­gungen des Schulbetriebes einträten.

Neutra­li­täts­pflicht des Staates

Dem stehe die Neutra­li­täts­pflicht des Staates, den staatlichen Bildungs- und Erzie­hungs­auftrag, eine mögliche Störung des Schulfriedens und die beschränkten räumlichen Kapazitäten der Schulen nicht entgegen. Die Neutra­li­täts­pflicht verlange vom Staat in erster Linie Zurückhaltung bei eigenen Aktivitäten, etwa der Abhaltung eines Schulgebets als schulische Veranstaltung. Sie gebiete jedoch keineswegs, prinzipiell gegen religiöse Betätigungen Einzelner vorzugehen, auch nicht, um Andersgläubige oder Nichtgläubige in ihrer negativen Bekennt­nis­freiheit zu schützen. Dies gelte jedenfalls solange, wie durch organi­sa­to­rische Vorgaben eine ungewollte Konfrontation vermieden werden könne.

Richter sehen keine Konflikte im Schulalltag

Das Gericht konnte im konkret zu prüfenden Einzelfall nicht erkennen, dass die vom Beklagten beschriebenen Konflikte im Schulalltag zwischen Schülern verschiedener Religi­o­ns­zu­ge­hö­rigkeit durch das Verhalten des Klägers verursacht oder vertieft werden. Eine aktuelle Gefahr, dass von einer breiteren Schülerschaft räumliche Möglichkeiten zur Gebets­ver­richtung eingefordert werden könnten, die wegen der knappen Raumausstattung nicht zu realisieren seien, sah das Gericht ebenfalls nicht.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Berlin

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