24.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil30.11.2011

BVerwG: Muslimischem Schüler darf zur Wahrung des Schulfriedens das Beten in der Schule untersagt werdenAusübung religiöser Riten auf dem Schulgelände würde bestehende Konfliktlage zwischen muslimischen Schülerinnen und Schülern verschärfen

Ein Schüler ist nicht berechtigt, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten, wenn dies konkret geeignet ist, den Schulfrieden zu stören. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein Schüler eines Gymnasiums in Berlin, ist muslimischen Glaubens. Im November 2007 verrichtete er in der Pause zwischen zwei Unter­richts­s­tunden zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körper­be­we­gungen und deklamierten den vorgegebenen Text. Am folgenden Tag wies die Schulleiterin die Schüler darauf hin, die Verrichtung eines Gebets werde auf dem Schulgelände nicht geduldet. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie den Eltern des Klägers mit, an der Schule seien religiöse Bekundungen nicht erlaubt. Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwal­tungs­gericht Berlin festgestellt, dass der Kläger berechtigt sei, während des Besuchs des Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten. Auf die Berufung des beklagten Landes Berlin hat das Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen.

Verrichtung eines Gebets in der Schule darf von Schulverwaltung nicht generell unterbunden werden

Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat allerdings nicht festgestellt, dass die Verrichtung eines Gebets in der Schule von der Schulverwaltung generell unterbunden werden kann. Im Gegenteil ist ein Schüler aufgrund der im Grundgesetz garantierten Glaubens­freiheit grundsätzlich berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule ein Gebet zu verrichten, wenn dies einer Glaubensregel seiner Religion entspricht. Die so genannte negative Glaubens­freiheit von Mitschülern und Lehrkräften verpflichtet und berechtigt die Schulverwaltung nicht, sie vor einer Begegnung mit fremden Glaubens­be­kun­dungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich zu verschonen. Das verfas­sungs­rechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates verlangt ebenfalls keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule ist vielmehr gehalten, die weltan­schau­lichen und religiösen Zusammenhänge unter Berück­sich­tigung der gesell­schaft­lichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten. Duldet die Schulverwaltung die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, liegt darin keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung anderer im Sinne dieses Glaubens, die die staatliche Neutralität in Frage stellen könnten.

Schulfrieden darf nicht durch religiös motiviertes Verhalten eines Schülers beeinträchtigt werden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat dann aber für den konkreten Fall des Klägers entschieden, dass hier aufgrund der Verhältnisse an der von ihm besuchten Schule die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur eine bereits ohnehin bestehende Gefahr für den Schulfrieden erhöhen konnte. Damit ist ein Zustand der Konflikt­freiheit und -bewältigung gemeint, der im Interesse der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erzie­hungs­auftrags den ordnungsgemäßen Unter­richts­ablauf ermöglicht. Der Schulfrieden kann beeinträchtigt werden, wenn ein religiös motiviertes Verhalten eines Schülers religiöse Konflikte in der Schule hervorruft oder verschärft. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts, an die das Bundes­ver­wal­tungs­gericht als Revisi­ons­gericht gebunden war, waren an der vom Kläger besuchten Schule zwischen muslimischen Schülerinnen und Schülern teilweise sehr heftig Konflikte wegen des Vorwurfs ausgetragen worden, nicht den Verhal­tens­regeln gefolgt zu sein, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben. Ebenfalls nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts würde sich diese ohnehin bestehende Konfliktlage verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne, während erzieherische Mittel allein nicht genügten, den zu erwartenden erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen und den Schulfrieden zu wahren. Die Einrichtung eines eigenen Raums zur Verrichtung des Gebets würde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts die organi­sa­to­rischen Möglichkeiten der Schule sprengen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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