18.10.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil19.07.2012

Verwendung eines Transparents bei einem Fußballspiel mit der Aufschrift "A.C.A.B." kann grundsätzlich als Beleidigung bestraft werdenKollektiv­beleidigung der im Stadion anwesenden Polizisten

Die Verwendung eines Transparents mit der Aufschrift "A.C.A.B." ("all cops are bastards") bei einem Fußballspiel kann grundsätzlich als Beleidigung bestraft werden. Bei der Prüfung und Bewertung der objektiven Tatbestands­mäßigkeit einer Äußerung als Beleidigung ist aber dem Grundrecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung (Art. 5 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen. Sofern eine Äußerung dabei nach Wortsinn und bestimmenden Beglei­t­um­ständen mehrere Deutungs­möglichkeiten zu, ist deshalb regelmäßig derjenigen der Vorzug zu geben, welche die Äußerung als von diesem Grundrecht gedeckt erscheinen lässt. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Dem Angeklagten des zugrunde liegenden Falls wird vorgeworfen, er habe im Oktober 2010 anlässlich einer Zweitliga-Begegnung des Karlsruher SC gegen den Vfl Bochum im Fanblock des Karlsruher Wildpa­rk­stadions gemeinsam mit weiteren Personen ein im gesamten Stadion sichtbares großflächiges Banner mit der Aufschrift "A.C.A.B." – eine Abkürzung für die Worte "all cops are bastards" – hochgehalten, um den im Stadionbereich anwesenden Polizeibeamten gegenüber seine Missachtung auszudrücken.

Urteil des LG bietet keine ausreichende Grundlage für revisi­ons­ge­richtliche Überprüfung

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe beanstandete, dass das Urteil des Landgerichts den Anforderungen an ein freisprechendes Erkenntnis nicht genüge, weil es eine in sich geschlossene Darstellung der für erwiesen erachteten Tatsachen zur objektiven und subjektiven Tatseite vermissen lasse und daher keine ausreichende Grundlage für die revisi­ons­ge­richtliche Überprüfung biete. Das Urteil des Landgerichts wurde daher aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.

Äußerung kann von Grundrecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung gedeckt sein

Für die neue Haupt­ver­handlung wies das Gericht insbesondere darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts bei der in den alleinigen Verant­wor­tungs­bereich des Tatrichters fallenden Prüfung und Bewertung der objektiven Tatbe­stands­mä­ßigkeit einer Äußerung als Beleidigung dem Grundrecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung (Art. 5 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen sei. Lasse eine Äußerung, wie dies vorliegend der Fall sein könne, nach Wortsinn und bestimmenden Beglei­t­um­ständen - unmittelbar zuvor wurden auf den heftig kritisierten Polizeieinsatz bei der Großde­mon­s­tration im Zusammenhang mit "Stuttgart 21" bezogene Banner verwendet - mehrere Deutungs­mög­lich­keiten zu, sei deshalb regelmäßig derjenigen der Vorzug zu geben, welche die Äußerung als von diesem Grundrecht gedeckt erscheinen lasse. Dies gelte auch für die Auslegung, ob eine - wie hier - unter einer Kollek­tiv­be­zeichnung erfolgte Erklärung sich als generelle, wenn auch herabsetzende, aber auf die persönliche Ehre bestimmter Angehöriger des Kollektivs nicht durchschlagende Kritik gegen eine grundsätzlich nicht belei­di­gungs­fähige unüberschaubare Perso­nen­mehrheit - die "Polizei" im allgemeinen ist eine solche - beziehe oder die Äußerung sich gegen eine belei­di­gungs­fähige abgrenzbare Gruppe aus diesem Kollektiv richte.

Bei Abkürzung "A.C.A.B." liegt beleidigender Charakter im Sinne des § 185 StGB nahe

Bei der Bewertung der Buchsta­ben­kom­bi­nation "A.C.A.B.", die nach allgemeinem Erfah­rungs­wissen die Abkürzung für die englisch­sprachige Parole "all cops are bastards" sei, liege es wegen der darin liegenden abwertenden Kennzeichnung einer Person als Bastard allerdings nahe, der Bezeichnung grundsätzlich beleidigenden Charakter im Sinne des § 185 StGB beizumessen; ebenso liege es nahe, dieses Werturteil auf die bei dem verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Spiel eingesetzten Polizeibeamten und damit einen umgrenzten, grundsätzlich belei­di­gungs­fähigen Personenkreis zu beziehen. Zudem könne bei der Beurteilung, ob es sich bei der Äußerung "A.C.A.B." nach Wortsinn und bestimmenden Beglei­t­um­ständen um eine vom Grundrecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung gedeckte und damit nicht strafbare Kritik handle, berücksichtigt werden, dass die pauschal verunglimpfende Bezeichnung von Polizeibeamten als "Bastarde" ihrer sprachlichen Fassung nach – anders als etwa die Bezeichnung von bei einer Demonstration eingesetzten Polizeikräften als "Schlägertruppe" oder von bei einer Verkehr­s­kon­trolle eingesetzten Polizeibeamten als "Wegelagerer" – in keinem auch nur ansatzweise erkennbaren sachlichen Bezug zum Beruf des Polizisten als solchem, zur polizeilichen Tätigkeit im allgemeinen oder zum Verhalten von Polizeikräften speziell bei Einsätzen im Zusammenhang mit Großver­an­stal­tungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen stehe.

Hinweise auf den Gesetzestext:

Erläuterungen

§ 185 StGB Beleidigung

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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