18.10.2024
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss16.11.2011

OVG Niedersachsen: Rücknahme der Doktorwürde allein wegen Bestechlichkeit des Doktorvaters unzulässigMitwirkung eines befangenen Prüfers muss nicht zwangsweise zur Rechts­wid­rigkeit der Bewertung der Dissertation führen

Die Rücknahme der Doktorwürde allein wegen Bestechlichkeit des Doktorvaters ist unzulässig. Dies entschied das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht und bestätigte damit die erstin­sta­nzliche Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Hannover.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Verwal­tungs­gericht Hannover mit Urteilen vom 31. Mai 2010 die von der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover im Jahre 2009 in acht Fällen vorgenommene Rücknahme der Verleihung der Doktorwürde an bereits berufstätige Juristen aufgehoben. Hintergrund für die Rücknahmen war, dass der Doktorvater dieser Juristen - ein ehemaliger Rechtsprofessor der Universität Hannover - für die Vermittlung von Promovenden von einem Institut für Promo­ti­o­ns­ver­mittlung und -beratung ein Erfolgshonorar in Höhe von rund 4.000 Euro pro Einzelfall - über die Jahre insgesamt 156.000 Euro - erhalten hatte und deshalb im Jahr 2008 wegen Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Juristen hatten an das Institut jeweils ein Entgelt in fünfstelliger Höhe für die Vermittlung des Doktorvaters entrichtet. Die von der Staats­an­walt­schaft gegen die promovierten Juristen eingeleiteten Strafverfahren endeten hingegen entweder mit einer Einstellung nach Erfüllung einer Geldauflage oder mit einem Freispruch durch das Strafgericht.

Universität schließt gewerblichen Promo­ti­o­ns­be­ratung bei Zulassung zum Promo­ti­o­ns­ver­fahren aus

Die Universität Hannover hat auf diesen Bestechungsfall in zweifacher Hinsicht reagiert. Zum einen änderte die Juristische Fakultät ihre Promo­ti­o­ns­ordnung für die Zukunft dahingehend, dass die Annahme von Bewerbern zur Promotion und die Einleitung des Promo­ti­o­ns­ver­fahrens von vornherein ausgeschlossen sind, wenn die Bewerber gewerbliche Promo­ti­o­ns­berater gegen Entgelt in Anspruch genommen haben. Diese Regelung hat der 2. Senat des Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­ge­richts in einem Normen­kon­troll­ver­fahren für rechtmäßig angesehen (vgl. Nieder­säch­sisches Oberver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 02.12.2009 - 2 KN 906/06 -). Zum anderen nahm die Universität in den genannten acht Fällen die Verleihung der Doktorwürde jeweils zurück.

Universität hätte vor Rücknahme der Doktorwürde in jedem Einzelfall inhaltlich prüfen müssen, ob angefertigten Dissertationen wissen­schaft­lichen Ansprüchen genügten

Nachdem die hiergegen gerichteten Klagen vor dem Verwal­tungs­gericht Erfolg hatten, hat das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht die erstin­sta­nz­lichen Entscheidungen bestätigt und die Anträge der Universität auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberver­wal­tungs­gericht - wie bereits das Verwal­tungs­gericht - im Wesentlichen ausgeführt, dass die Mitwirkung eines befangenen oder vom Promo­ti­o­ns­ver­fahren ausge­schlossenen Prüfers zwar einen Verfah­rens­fehler darstellt, der aber nicht zwingend zur Rechts­wid­rigkeit der Bewertung der Dissertation und der sonstigen Prüfungs­leis­tungen durch die mehrköpfige Promo­ti­o­ns­kom­mission führt. Zum einen musste sich den betroffenen Juristen nicht der Verdacht aufdrängen, dass der ihnen als Doktorvater vermittelte Univer­si­täts­pro­fessor für seine Bereitschaft zur Betreuung der Promotion von dem Institut bestochen worden war. Zum anderen lagen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass den im Promo­ti­o­ns­ver­fahren zu bewertenden wissen­schaft­lichen Leistungen der Juristen weitere als die in der Person des als Prüfer tätig gewordenen Doktorvaters liegenden Mängel - wie etwa Fälschungen, die Übernahme fremden Gedankenguts oder die Inanspruchnahme unzulässiger Hilfsmittel - anhafteten. Daher hätte es der Universität oblegen, in jedem Einzelfall der inhaltlichen Frage nachzugehen, ob die angefertigten Dissertationen wissen­schaft­lichen Ansprüchen genügten und einen Beitrag zum Fortschritt der Rechts­wis­sen­schaften leisteten. Hierzu hätte die Universität vor den Rücknah­me­ent­schei­dungen für den befangenen und vom Verfahren ausge­schlossenen Doktorvater einen anderen Gutachter mit der Bewertung der Promo­ti­o­ns­leis­tungen, insbesondere der Dissertationen betrauen müssen. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, sind die Rücknahmen der Verleihung der Doktorwürde fehlerhaft und mithin aufzuheben.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht/ra-online

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