Das Gericht stellte klar, dass es grundsätzlich nicht auf den Umfang der abgeschriebenen Stellen sowie auf die Frage, ob die Arbeit auch ohne das Plagiat noch als selbständige wissenschaftliche Arbeit hätte angesehen werden könne, ankomme. Rechtsgrundlage für die Entziehung sei § 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für Baden-Württemberg (LVwFvG). Voraussetzung für die Rücknahme des dem Kläger verliehenen Doktorgrades sei demnach, dass die Verleihung rechtswidrig erfolgte.
Entgegen der mit eidesstattlicher Versicherung abgegebenen Erklärung, "wörtliche Zitate als solche gekennzeichnet" zu haben, habe der Kläger komplette Passagen aus dem Werk anderer Autoren in seine Dissertation übernommen, ohne dies zu kennzeichnen oder offen zu legen. Er habe die Gutachter damit über die Tatsache getäuscht, dass die vorgelegte Dissertation insoweit nicht auf einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeit beruhe. Dies stelle gemäß § 38 des Landeshochschulgesetzes aber das wesensbestimmende Grundsatzmerkmal einer Dissertation und damit die wissenschaftlichen Mindeststandards im Sinn des § 8 der Promotionsordnung dar.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Plagiatsvorwurf den Kläger nicht nur vereinzelt oder im Sinne einer unsachgemäßen Handhabung der Zitierweise treffe. Vielmehr lassen die im Wege der Stichprobenprüfung aufgefundenen Stellen den Schluss zu, dass der Kläger fremde Passagen wiederholt und planmäßig als eigenständige wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen habe. Eine systematische und planmäßige Übernahme fremden Gedankenguts ergebe sich bereits daraus, dass sich die Plagiate an mehreren Stellen der Dissertation auffinden lassen und verschiedene Fremdautoren betreffen.
Dabei seien komplette Passagen wörtlich übernommen worden, ohne dies kenntlich zu machen. Eine Quellenangabe fehle weitgehend völlig. Doch auch soweit in einzelnen Passagen ein Hinweis auf die Originalstelle erfolgt sei, genüge dieser nicht, um den Plagiatsvorwurf entfallen zu lassen. Vielmehr könne auch diesen Nachweisangaben nicht entnommen werden, dass ganze Passagen wörtlich entlehnt worden seien. Auch handele es sich nicht um bloße Bagatellverstoße. Bereits in quantitativer Hinsicht könne die Übernahme nicht als völlig unbedeutend eingestuft werden, weil sie sich insgesamt jedenfalls auf mehrere Seiten erstrecke und vom Kläger wiederholt und in Bezug auf verschiedene Autoren eingesetzt worden sei.
Es komme überdies nicht darauf an, ob dem Kläger für die eingereichte Dissertation ohne die beanstandeten Stellen oder bei jeweils wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verliehen worden wäre. Derartig hypothetische Erwägungen im Sinne einer Art geltungserhaltender Reduktion finden nicht statt. Es sei für die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob ihm für eine andere Arbeit, als er sie tatsächlich vorgelegt habe, der Doktorgrad verliehen worden wäre.
Maßgeblich sei vielmehr allein die vorgelegte Arbeit, mit der der Kläger gerade nicht den Beweis erbracht habe, dass er im Stande sei, zu rechtswissenschaftlichen Problemen selbständig und kritisch Stellung zu nehmen. Zu den Grundanforderungen wissenschaftlichen Arbeitens gehöre aber gerade, dass der Beitrag auf eigenständigen Erwägungen beruhe und nicht bloß Passagen aus dem Werk eines anderen Autors übernehme.
Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung genüge den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation. Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung verstoße daher gegen die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens und schließe damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus.
Die Richter befanden, dass in vorliegendem Fall unzweifelhaft eine Täuschung über die Urheberschaft der Gedanken vorliege. Dies gelte jedenfalls an den Stellen, an denen ein Verweis auf die Fundstelle ganz unterblieben sei. Es gelte aber auch, soweit kleinere Änderungen - insbesondere in Form von Umgruppierungen wiederum fast wörtlich übernommener Passagen - vorgenommen worden seien. Auch insoweit sei die Gedankenführung nicht eigenständig entwickelt und darüber getäuscht worden, dass die wissenschaftliche Leistung von einem anderen stamme. Die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belege im Übrigen die gezielte Verschleierungsabsicht des Klägers.
Die Entziehung des Doktorgrades sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Das öffentliche Interesse am Ansehen und dem wissenschaftlichen Ruf der den Doktorgrad verleihenden Universität sei höher zu bewerten als die beruflichen und sozialen Folgen für den Kläger. Die Entziehung sei auch nicht unverhältnismäßig, weil die Vorgehensweise des Klägers einen Verstoß gegen die wesensprägenden Grundsatzmerkmale wissenschaftlichen Arbeitens enthalte und sich die Übernahme fremder Passagen nicht auf einzelne Gedanken, sondern ganze Sinneinheiten beziehe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.02.2011
Quelle: ra-online, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (vt/we)