21.11.2024
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil25.06.2009

Doktorgrad durch Täuschung erworben – Aberkennung des akademischen Titels zulässigDissertation zu großen Teilen ohne Quellenangabe aus Diplomarbeit abgeschrieben

Schreibt jemand beim Verfassen seiner Dissertation in großen Teilen mitunter wörtlich aus anderen Arbeiten ab, ohne diese Stellen sichtbar als Zitat zu markieren und ohne die Quelle seiner Ausführungen in einer Fußnote oder im Quellen- und Litera­tur­ver­zeichnis zu belegen, kann ihm der akademische Titel nachträglich wegen Täuschung aberkannt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Berlin hervor.

Im zugrunde liegenden Streitfall studierte die Klägerin an einer Hochschule Betrie­bs­wirt­schaftslehre und schloss das Studium als Diplom-Kauffrau ab. Rund sechs Monat später legte die Klägerin der Universität ihre Dissertation zum Thema „Die Determinanten des südafri­ka­nischen Inves­ti­ti­o­ns­klimas im Neuen Südafrika und ihre Auswirkungen auf ausländische Direk­t­in­ves­ti­tionen“ vor. Gemäß § 7 Abs. 2 der Promo­ti­o­ns­ordnung gab sie die für die Dissertation verwendeten Hilfsmittel und Hilfen in einem 21-seitigen Quellen- und Litera­tur­ver­zeichnis an und verwies in einer eidess­tatt­lichen Erklärung darauf, dass sie auf dieser Grundlage die Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel verfasst habe.

Doktortitel mit Gesamturteil "cum laude" verliehen

Erst- und Zweitgutachter der Arbeit stellten fest, dass es sich bei der Dissertation um keine wissen­schaftliche Meisterleistung handele und Inhalt und Aufbau der Arbeit eher eine Studie glichen und verlieh der Klägerin letztlich den akademischen Grad einer Doktorin der Wissenschaft mit dem Gesamturteil "cum laude" (gut).

Als Vorlage verwendete Diplomarbeit weder im Quellen- und Litera­tur­ver­zeichnis, noch in Fußnote genannt

Zwei Jahre später wies ein Professor der Universität auf eine zuvor an der Hochschule gefertigte Diplomarbeit mit dem Titel: „Die Determinanten des südafri­ka­nischen Inves­ti­ti­o­ns­klimas - Eine Analyse unter besonderer Berück­sich­tigung ausländischer Direk­t­in­ves­ti­tionen“ hin und gab an, dass Auszüge aus der Diplomarbeit in weiten Teilen oft wörtlich und ohne Zitat in der Dissertation der Klägerin angegeben wurden. In einer Auflistung wurden fast 90 Passagen als übereinstimmend bezeichnet. In der Dissertation sei die Diplomarbeit jedoch weder im Quellen- und Litera­tur­ver­zeichnis, noch in einer Fußnote genannt.

Betreuer der Dissertation empfiehlt Aberkennung des Doktorgrades

Nachdem sich zeigte, dass nur 95 von insgesamt 294 Seiten der Dissertation nicht vom Plagiatsvorwurf betroffen waren und es im Übrigen sehr augenfällige Überein­stim­mungen mit teilweise fast wörtlich übernommenen Passagen gab, empfahl der Betreuer der Dissertation der Klägerin die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrades da ihm der Plagiatsvorwurf nach Prüfung eindeutig erschien.

Klägerin: Überstimmungen durch Nutzung derselben Quellen teilweise unvermeidlich

Die Klägerin war der Auffassung, dass Überstimmungen durch die Benutzung derselben Quellen teilweise unvermeidlich gewesen seien. Sie räumte jedoch ein, dass sie es versäumt habe, die Diplomarbeit wie vorgeschrieben zu zitieren.

Auch Zweitgutachter beurteilt Dissertation als gravierenden Fall von Plagiat

Nachdem auch der Zweitgutachter der Auffassung war, dass es sich um einen gravierenden Fall von Plagiat handele, teilte der Promo­ti­o­ns­aus­schuss des Fachbereichs Wirtschafts­wis­sen­schaft der Klägerin mit, dass ihr der Doktorgrad entzogen werden solle.

Aberkennung des akademischen Grades rechtmäßig

Das Verwal­tungs­gericht Berlin wies die daraufhin von der Klägerin erhobene Anfech­tungsklage als unbegründet ab. Der Bescheid der beklagten Universität, mit dem der Klägerin der Grad einer Doktorin der Wirtschafts­wis­sen­schaft entzogen wurde, sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Aberkennung des Doktorgrades rechtmäßig

Gestützt auf § 34 Abs. 7 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin, wonach ein von einer staatlichen Hochschule des Landes Berlin verliehener akademischer Grad wieder entzogen werden dürfe, sofern sich später herausstellen sollte, dass der Titel durch Täuschung erworben wurde, sei die Aberkennung des Doktorgrades der Klägerin rechtmäßig, urteilte das Gericht.

Verwendete Diplomarbeit diente offenkundig nicht nur als „Anregung“

Es sei offenkundig, dass die verwendete Diplomarbeit bei der Klägerin nicht nur als „Anregung“ diente, sondern dass Teile, die eigentlich eigenständig hätten verfasst werden müssen, im Hinblick auf Themenwahl, Gliederung, Struktur und vieler Einzel­dar­stel­lungen mit der Diplomarbeit übereinstimmen und teilweise wörtlich übernommen worden seien. Das wissen­schaftliche Zitiergebot sei daher nicht nur marginal, sondern in ganz erheblichem Umfang verletzt. Das Ausmaß an Überein­stim­mungen der Dissertation mit der Diplomarbeit lasse daher auch keinen Entschei­dungs­spielraum zu.

Zuerkennung des Doktorgrades ohne Verwendung der Diplomarbeit höchst fraglich

Nach Auffassung des Gerichts sei der Erwerb des Doktorgrades nur aufgrund der Täuschung durch die Klägerin erfolgt. Gemäß § 35 Abs. 4 BerlHG setze die Promotion eine mit mindestens als "ausreichend" bewertete wissen­schaftliche Arbeit voraus, die auf selbständiger Forschungs­arbeit beruht. Dies sei wegen des eindeutig vorliegenden Plagiats hier nicht der Fall. Es sei vielmehr höchst fraglich, ob die Promo­ti­o­ns­kom­mission die Dissertation der Klägerin überhaupt als eine mindestens "ausreichende" wissen­schaftliche Arbeit beurteilt und ihr den Doktorgrad verliehen hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, in welchem gravierenden Umfang hier auf die Diplomarbeit zurückgegriffen worden sei.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Berlin (vt/ac)

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