24.11.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil23.05.2007

Verwal­tungs­gericht Frankfurt bestätigt Entziehung des Doktorgrades wegen arglistiger TäuschungDoktorarbeit darf nicht komplette Passagen aus fremden Werken ohne Kennzeichnung enthalten - Gelegentliche Nennung des fremden Werks genügt nicht

In einer Doktorarbeit sind jeder Gedankengang und jede Fußnote, die nicht aus eigener gedanklicher Leistung, sondern von dem Werk eines anderen herrühren, als solche zu kennzeichnen. Insbesondere darf eine Dissertation nicht komplette Passagen aus einem anderen Werk enthalten, die wortwörtlich oder nur minimal umformuliert wurden, ohne kenntlich zu machen, dass es sich insofern um Zitate handelt. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main.

An der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main hatte sich bei einer erzie­hungs­wis­sen­schaft­lichen Dissertation im Nachhinein herausgestellt, dass sie teilweise abgeschrieben worden war. Der Kläger hatte das 3. Kapitel seiner Arbeit vollständig aus einem anderen Werk abgeschrieben und sogar die vollständige Kapitelstruktur und die sich daraus ergebenden Haupt- und Zwischen­über­schriften übernommen. Am Ende stammten 61 von 269 Seiten aus fremder Feder.

Pomoti­o­ns­aus­schuss entzieht Doktortitel

Der Kläger hatte sich im nachfolgenden Verfahren über die Entziehung des Doktorgrades noch mit dem Argument verteidigt, dass er die fremde Arbeit lediglich zu Grunde gelegt und ihr wesentliche Inhalte in zusam­men­ge­fasster Form entnommen habe. Zu dieser unwis­sen­schaft­lichen Arbeitsweise habe er sich hinreißen lassen, weil er sich zeitlich unter Druck gefühlt habe. Er habe jedoch nicht in der Absicht gehandelt, über die Herkunft der gegen­ständ­lichen Ausführungen zu täuschen. Dieser Argumentation folgte der Pomoti­o­ns­aus­schuss des Fachbereichs Erzie­hungs­wis­sen­schaften nicht und beschloss die Entziehung des Doktorgrades wegen arglistiger Täuschung.

Übernahme kompletter Passagen aus fremdem Werk ohne Kennzeichnung rechtfertigt Entziehung

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt bestätigte diesen Beschluss und wies die Klage des ehemaligen Doktors ab. Mit der Vorlage seiner Dissertation habe der Kläger schlüssig erklärt, dass es sich dabei um eine vollständig selbständige wissen­schaftliche Leistung handele. Dies treffe aber hinsichtlich des 3. Kapitels nicht zu. Der Kläger habe komplette Passagen wortwörtlich oder minimal umformuliert aus einem fremden Werk übernommen, ohne kenntlich zu machen, dass es sich insofern um Zitate handele. Damit erwecken die Darlegungen dieses Kapitels den falschen Eindruck, Formulierung und Inhalt des Textes stammten als eigene gedankliche und geistige Leistung von ihm.

Bloße Angabe von Fußnoten ist nicht ausreichend - Zitat muss auch als Zitat erkennbar sein

Daran ändere auch das Argument des Klägers, dass er in dem Kapitel in 27 Fußnoten auf das fremde Werk verwiesen und dieses auch in seinem Litera­tur­ver­zeichnis aufgenommen habe, nichts. Denn jeder Gedankengang und jede Fußnote, die nicht aus eigener gedanklicher geistiger Leistung, sondern von dem Werk eines andere herrühren, seien als solche kenntlich zu machen. In hiesiger Dissertation habe der Kläger aber vielmehr den Eindruck erweckt, er habe die Aussagen aus dem fremden Werk als Teil der eigenen Argumentation verarbeitet, anstatt durch Anfüh­rungs­zeichen kenntlich zu machen, dass es sich um die bloße Wiedergabe der bereits erbrachten gedanklichen Leistung aus dem fremden Werk handele.

Erheblichkeit des Plagiatsumfangs - Kläger hat nicht einmal Quellen selber gelesen

Das Gericht führte weiter aus, dass es sich bei dem beanstandeten Vorgehen des Klägers auch nicht um eine bloß marginale Verletzung des wissen­schaft­lichen Zitiergebotes handele. Eine solche würde angesichts der Folgen für den Kläger noch nicht die Entziehung des Doktorgrades rechtfertigen. In vorliegendem Fall sei aber der Plagiatsumfang erheblich. Er betreffe das gesamte 3. Kapitel der Dissertation. Die gesamte Gliede­rungs­struktur sei aus dem fremden Werk übernommen. Die Strukturierung des gesamten Stoffes des Kapitels stamme demnach nicht von dem Kläger. Er habe sogar Fußnoten aus dem fremden Werk übernommen. Das Gericht folgerte daraus, dass der Kläger die in den Fußnoten genannten Quellen auch nicht selbst überprüft habe. Somit habe er wissen­schaft­liches Quellenstudium nur vorgetäuscht.

Täuschung setzt bedingten Vorsatz voraus

In subjektiver Hinsicht genüge für die Täuschung im Sinne von § 15 der maßgeblichen Promo­ti­o­ns­ordnung der bedingte Vorsatz. Dieser liege vor, da es der Kläger zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass die Prüfer über die Urheberschaft des Kapitels seiner Dissertation getäuscht würden. Ihm war bewusst, dass das Kapitel als eigene Leistung erscheine, da er mit den wissen­schaft­lichen Standards vertraut gewesen sei.

Kläger war mit seiner Doktorarbeit bereits ein Mal durchgefallen

Die Richter berück­sich­tigten bei ihrer Entscheidung auch den Umstand, dass das 3. Kapitel erst nachträglich in die Arbeit aufgenommen worden war. Die erste Fassung der Dissertation hatte dem Promo­ti­o­ns­aus­schuss nämlich nicht genügt, woraufhin der Kläger das Werk hatte überarbeiten müssen. Erst daraufhin hatte er das 3. Kapitel aufgenommen. Das Verwal­tungs­gericht verwies darauf, dass entscheidend sei, dass der Doktorgrad aufgrund der überarbeiteten zweiten Fassung der Arbeit und nicht aufgrund der ersten Fassung - die noch nicht mit dem Makel des Plagiats behaftet war - verliehen worden sei.

Entziehung des Doktorgrades auch nach 1 Jahr noch möglich

Das Verwal­tungs­gericht stellte ferner fest, dass die Entziehung des Doktorgrades auch trotz Ablaufs der in § 48 Abs. 4 des Hessischen Verwal­tungs­ver­fah­rens­ge­setzes (HVwVfG) festgelegten Jahresfrist noch möglich war. Denn die Jahresfrist gelte gemäß § 48 Abs. 2 HVwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt worden sei.

Öffentliches Interesse der Universität an ihrem Ruf ist höherrangig als berufliches und soziales Interesse des Klägers

Ermessensfehler der Behörde konnte das Verwal­tungs­gericht nicht feststellen. Die Behörde habe alle bei der Abwägung relevanten Umstände berücksichtigt. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie das öffentliche Interesse an der Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem Titel und am Ansehen der Universität höher bewert habe als die beruflichen und sozialen Folgen für den Kläger. Entscheiden sei, dass der Makel des Plagiats nicht nur geringe unerhebliche Teile der Arbeit betreffe, sondern das gesamte 3. Kapitel und damit 61 von 269 Seiten.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Frankfurt (vt/we)

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