15.11.2024
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Dokument-Nr. 25249

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Beschluss07.12.2017Landgericht Berlin67 S 218/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2018, 125Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2018, Seite: 125
  • NJW 2018, 728Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 728
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Vorinstanz:
  • Amtsgericht Wedding, Urteil29.06.2017, 13 C 372/16
ergänzende Informationen

Landgericht Berlin Beschluss07.12.2017

Bundes­verfassungs­gericht soll über Mietpreisbremse entscheidenLandgericht Berlin hält Vorschrift zur Mietpreisbremse (§ 556 d BGB) für verfas­sungs­widrig

Das Landgericht Berlin hält die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch über die sogenannte Mietpreisbremse (§ 556 d BGB) für verfas­sungs­widrig. Das Gericht beschloss daher, dem Bundes­verfassungs­gericht diese Frage zur Entscheidung vorzulegen. Das höchste deutsche Gericht hat allein die Kompetenz, eine gesetzliche Regelung für verfas­sungs­widrig zu erklären.

Die Zivilkammer 67 hatte bereits im September 2017 verfas­sungs­rechtliche Bedenken geäußert; jedoch unterblieb in dem damaligen Rechtsstreit eine Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht, da es auf die Verfas­sungs­ge­mäßheit der Vorschrift für die Entscheidung damals aufgrund neuer Umstände nicht mehr ankam (vgl. Landgericht Berlin, Urteil v. 19.09.2017 - 67 O 149/17 -).

Mieter halten vereinbarte Miete für preisrechtlich überhöht

Nunmehr ist die Frage für den Ausgang eines anderen Berufungs­ver­fahrens von Bedeutung. Es handelt sich um die Klage zweier Mieter, die die höchstzulässige Miete für ihre Wohnung nach den Vorschriften über die sogenannte Mietpreisbremse festgestellt haben wollen. Die Parteien hatten am 4. Februar 2016 einen Mietvertrag über eine in Berlin-Wedding gelegene 2-1/2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 59,29 m² geschlossen. Als Mietzins war ein Betrag von 474,32 Euro netto kalt monatlich vereinbart. Mietver­trags­beginn war der 1. März 2016. Die Mieter rügten mit einem der Vermieterin am 5. Juli 2016 zugegangenen Schreiben, dass die Miethöhe ihrer Ansicht nach preisrechtlich überhöht sei und sich nur auf 419,18 Euro netto kalt belaufen dürfe.

Amtsgericht gibt Klage der Mieter teilweise statt

Das Amtsgericht Wedding gab der Klage der Mieter teilweise statt und stellte in seinem Urteil fest, dass die von der Mieterin geschuldete Miete unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben der Mietpreisbremse ab dem 1. August 2016 lediglich 435,78 Euro betrage. Bei Vertragsbeginn habe die ortsübliche Vergleichsmiete ausweislich des Berliner Mietspiegels 2015 für die von der Mieterin angemietete Wohnung nur bei 6,68 Euro pro Quadratmeter (=insgesamt 396,16 Euro) gelegen; diese hätte die Vermieterin um höchstens 10 % überschreiten dürfen.

Vermieterin verweist auf fehlerhaft ermittelte Vergleichsmiete

Gegen das erstin­sta­nzliche Urteil legte die Vermieterin Berufung ein und berief sich darauf, das Amtsgericht habe die maßgebliche ortsübliche Vergleichsmiete, die Grundlage dafür ist, die zulässige Wohnungsmiete zu bestimmen, fehlerhaft ermittelt. Das Amtsgericht habe zu Unrecht kein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt und sich unzulässig nur auf den Berliner Mietspiegel 2015 gestützt. Abgesehen davon könnten die Vorschriften der Mietpreisbremse ohnehin nicht zu Lasten eines Vermieters angewandt werden, da sie gegen das Grundgesetz verstießen.

Landgericht verweist auf ungleiche Behandlung von Vermietern

Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin teilte - anders als z.B. die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin, die das Bundesgesetz für verfas­sungsgemäß ansah (vgl. Landgericht Berlin, Urteil v. 29.03.2017 - 65 S 424/16 -) – die Bedenken und hielt die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 556 d BGB) für verfassungswidrig. Zur Begründung verwies das Landgericht auf den Beschluss vom 14. September 2017, in dem es hieß, dass eine ungleiche Behandlung von Vermietern vorliege. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Diffe­ren­zie­rungen vornehme, müssten diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Dies habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556 d BGB nicht beachtet und in verfas­sungs­widriger Weise in das Recht der Mietver­trags­parteien, im Rahmen ihrer Vertrags­freiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen. § 556 d BGB in Verbindung mit der von dem Land Berlin erlassenen Rechts­ver­ordnung begrenze die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Wohnungs­mietmarkt weise bundesweit preislich seit langem starke Unterschiede auf. Die Differenz in der ortsüblichen Vergleichsmiete betrage zum Beispiel zwischen der Stadt München und dem Westteil der Stadt Berlin ca. 4,30 Euro pro Quadratmeter in 2013 und 4,70 Euro pro Quadratmeter in 2016 (Miete pro Quadratmeter in München 10,25 Euro bzw. 11,16 Euro gegenüber 5,90 Euro bzw. 6,46 Euro in Berlin). Dies entspreche einem Unterschied von über 70 %.

Keine Erhebung relevanter einkom­mens­be­zogener Sozialdaten von Mietern

Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unter­schied­lichen Städten wesentlich ungleich treffe. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigten dies. Insbesondere seien im Rahmen des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkom­mens­be­zogenen Sozialdaten von Mietern nicht erhoben worden. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die einkom­mens­schwä­cheren Haushalte und Durch­schnitts­ver­diener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, in höherpreisigen Mietmärkten wie München erheblich besser gestellt seien als die gleichen Zielgruppen in Berlin.

LG bekräftigt Vermutung einer verfas­sungs­widrigen Ungleich­be­handlung

Darüber hinaus liege auch deshalb eine verfas­sungs­widrige Ungleich­be­handlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerecht­fertigt begünstigt würden. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die "alte" Miete weiterhin unbeanstandet verlangen. Ein Bestandsschutz für diese "alte" Miete könne jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden. Zudem sei die Ungleich­be­handlung mit einer am Gerech­tig­keits­ge­danken orientierten Betrach­tungsweise schlichtweg unvereinbar. Denn diejenigen Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hätten, würden erheblich benachteiligt gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hätten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde.

Bundes­ge­setzgeber verstößt in verfas­sungs­widriger Weise gleichzeitig gegen Gleich­heitsgebot und gegen Bestimmt­heitsgebot

Ergänzend zu ihren früheren Ausführungen rügte das Landgericht nunmehr ferner, dass die Vorschrift der Mietpreisbremse auch gegen das im Grundgesetz verankerte Bestimmt­heitsgebot verstoße. Der Bundes­ge­setzgeber habe die staatliche Preis­in­ter­vention nicht allein davon abhängig gemacht, dass ein angespannter kommunaler Wohnungsmarkt vorliege. Es komme zusätzlich auf die politische Willensbildung auf Landesebene und die darauf beruhende Entscheidung der jeweiligen Landesregierung an, ob von der im Gesetz enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung zur Umsetzung der Mietpreisbremse Gebrauch gemacht werde. Das Bundesgesetz (§ 556 d BGB) verpflichte die jeweilige Landesregierung nicht dazu, die Vorschrift im Landesrecht umzusetzen, auch wenn der Wohnungsmarkt im gesamten Bundesland oder in einzelnen Kommunen angespannt sei. Deshalb seien Vermieter in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Saarland bislang nicht von der Mietpreisbremse betroffen, da die Landes­re­gie­rungen dort trotz zumindest nicht auszu­schlie­ßender Anspannung einzelner kommunaler Wohnungsmärkte weiterhin davon absähen, die bundes­ge­setz­lichen Vorschriften zur Mietpreisbremse durch eine Landes­ver­ordnung zu vollziehen. Dasselbe gelte demnächst voraussichtlich für Vermieter in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, in denen sich die jeweiligen Landes­re­gie­rungen nach Veränderung der politischen Mehrheits­ver­hältnisse ausweislich der geschlossenen Koali­ti­o­ns­verträge sogar dazu entschlossen hätten, bereits erlassene Verordnungen trotz unzweifelhafter Anspannung zahlreicher kommunaler Wohnungsmärkte wieder aufzuheben. Im Gegensatz dazu unterfielen Vermieter in Bundesländen wie Berlin dem durch die Mietpreisbremse angeordneten Preisstopp, da dort die bundes­ge­setzliche Ermäch­ti­gungs­grundlage durch Erlass einer Landes­ver­ordnung umgesetzt worden sei. Durch dieses uneinheitlich bindende Regelungssystem verstoße der Bundes­ge­setzgeber in verfas­sungs­widriger Weise gleichzeitig gegen das am Gesamtstaat zu messende Gleich­heitsgebot und das Bestimmt­heitsgebot.

Quelle: Landgericht Berlin/ra-online

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