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Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg Urteil15.05.2018

Erdogan gegen Böhmermann: Teile des "Schmähgedichts" bleiben weiterhin verbotenUntersagte Äußerungen stellen Angriff auf personale Würde dar und sind deshalb rechtswidrig

Im Verfahren über die Unter­las­sungsklage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann hat das Hanseatische Oberlan­des­gericht das Urteil des Landgerichts Hamburg bestätigt. Danach bleibt es Böhmermann untersagt, sich über den Kläger wie in Teilen des Satire-Gedichts "Schmähkritik" aus der Sendung "Neo Magazin Royale" vom 31. März 2016 geschehen zu äußern.

Die fraglichen Passagen beinhalten schwere Herabsetzungen mit Bezügen zum Intimen und Sexuellen, für die es in der Person oder dem Verhalten des Klägers keinerlei tatsächliche Anknüp­fungs­punkte gibt. Anders als die übrigen Verse, die tatsächliches Verhalten Erdogans in satirischer Weise kritisieren und daher hinzunehmen sind, dienen die untersagten Äußerungen allein dem Angriff auf die personale Würde und sind deshalb rechtswidrig. Mit der Entscheidung wies Hanseatische Oberlan­des­gericht sowohl die Berufung Böhmermanns gegen das landge­richtliche Urteil als auch das Rechtsmittel Erdogans zurück, der das Ziel verfolgte, Böhmermann sämtliche in dem Gedicht enthaltenen Äußerungen in Bezug auf seine Person untersagen zu lassen.

OLG trifft Abwägung zwischen Allgemeinem Persön­lich­keits­rechts und Meinungs­freiheit

Die Berufungs­ent­scheidung beruht auf einer Abwägung des Allgemeinen Persön­lich­keits­rechts gegenüber der Meinungsfreiheit, die der Beklagte für seine Kritik am Kläger und der von ihm geführten Regierung in Anspruch nehmen kann. Der Kläger hat seinerseits das Recht, nicht mit herabsetzenden Werturteilen bedacht zu werden, die mit der Achtung seiner Persönlichkeit - oder gar mit seiner Menschenwürde - nicht mehr vereinbar sind. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte sich auf die Kunstfreiheit berufen kann, ist das Gedicht als Satire im Rahmen der Meinungs­freiheit an Maßstäben zu messen, die dem Effekt der Verfremdung und Übertreibung Rechnung tragen. Die Äußerung von Kritik in einer pointierten, polemischen und überspitzten Weise ist umso stärker geschützt, je deutlicher die satirische Einkleidung einen Bezug zum Gegenstand der Kritik aufweist oder die kritisierte Person selbst Veranlassung für die Einkleidung gegeben hat. Umgekehrt gewinnt das Allgemeine Persön­lich­keitsrecht des Betroffenen umso mehr an Gewicht, je weiter die satirische Einkleidung von dem Gegenstand der Kritik entfernt ist und sich auf die bloße Herabsetzung der Person des Kritisierten fokussiert.

Keine vorlesungs- oder seminarähnliche Demonstration möglicher Arten von Meinung­s­äu­ße­rungen

Das Gedicht ist im Gesamtkontext der Sendung zu sehen, die sich mit dem Unterschied zwischen zulässiger und unzulässiger Meinung­s­äu­ßerung befasst und dem Kläger vorwirft, auf die zuvor in der Sendung "extra 3" geübte Kritik an seiner Herrschaft durch Einbestellung des deutschen Botschafters als Betroffener einer zulässigen Meinung­s­äu­ßerung überzogen reagiert zu haben. Es handelt sich eben nicht um eine vorlesungs- oder seminarähnliche Demonstration möglicher Arten von Meinung­s­äu­ße­rungen. Vielmehr soll konkrete Kritik am Kläger geübt und gerade am Beispiel seiner Person demonstriert werden, welche Art von unzulässigen Meinung­s­äu­ße­rungen es gebe. Hierzu werden Beschimpfungen aneinander gereiht, die vorher und in Einschüben während des Vortrags als unerlaubt charakterisiert werden und jeweils für sich einen herabsetzenden Inhalt haben. Jede dieser Meinung­s­äu­ße­rungen kann isoliert mit einem Verbot belegt werden, wenn sie im jeweiligen Gesamtkontext unzulässig ist. Weder die Sendung insgesamt noch das Gedicht bildet ein einheitliches, untrennbares Werk, dessen Zulässigkeit nur insgesamt beurteilt werden könnte.

Äußerungen stellen tatsächlich schwere Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen dar

Für die einzelnen Verse des Gedichts ist danach ausschlaggebend, ob ein sachlicher Gehalt mit Bezug zu der Kritik am Kläger erkennbar ist und dieser sachliche Gehalt ausreicht, den in der jeweiligen Einkleidung liegenden Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht des Klägers aufzuwiegen. Das ist bei der Verwendung herabsetzender Bilder aus dem Intim- und Sexualbereich, für die es in der Person des Klägers und seinem Verhalten weder Anknüpfung noch Veranlassung gibt, nicht der Fall. Die Äußerungen stellen ungeachtet des vom Beklagten vorangestellten Vorbehalts, nicht beleidigen zu wollen, tatsächlich schwere Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen dar. Der übergeordnete Aussagegehalt des "Schmähgedichts" und die vorangestellte Erklärung, mit diesem nur zeigen zu wollen, welche Arten rechtlich unzulässiger Äußerungen es gebe, rechtfertigen derart schwere Eingriffe in das Persön­lich­keitsrecht des Klägers nicht.

Quelle: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg/ra-online

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