21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil19.10.2016

Deutsche Preisbindung bei verschreibungs­pflichtigen Arzneimitteln verstößt gegen UnionsrechtNationale Regelung stellt nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die deutsche Preisbindung bei verschreibungs­pflichtigen Arzneimitteln gegen das Unionsrecht verstößt.

Die "Deutsche Parkinson Vereinigung" ist eine Selbst­hil­fe­or­ga­ni­sation, die die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Familien verbessern möchte. Sie hat mit der nieder­län­dischen Versandapotheke DocMorris ein Bonussystem ausgehandelt, das ihre Mitglieder in Anspruch nehmen können, wenn sie bei dieser Apotheke verschrei­bungs­pflichtige, nur über Apotheken erhältliche Parkinson-Medikamente kaufen. Der Versandhandel mit verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimitteln ist in Deutschland nicht mehr verboten.

OLG erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zur Frage der Zulässigkeit von Apothe­ken­ra­batten bei Versand aus dem Ausland

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist der Auffassung, dass dieses Bonussystem gegen die deutsche Regelung verstößt, die einen einheitlichen Apothe­ke­n­ab­ga­bepreis für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel vorsieht*. Auf Antrag dieses Vereins untersagte das Landgericht Düsseldorf der Deutschen Parkinson Vereinigung, das Bonussystem bei ihren Mitgliedern zu bewerben**. Diese wandte sich daraufhin an das Oberlan­des­gericht Düsseldorf, das seinerseits den Gerichtshof mit der Frage befasst hat, ob die Festlegung einheitlicher Apothe­ke­n­ab­ga­be­preise für verschrei­bungs­pflichtige Humana­rz­nei­mittel mit dem freien Warenverkehr vereinbar ist.

Durch Festlegung einheitlicher Abgabepreise wird Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert als für inländische Erzeugnisse

Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die betreffende Regelung eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellt. Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise wirkt sich nämlich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker aus, so dass der Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Hierzu führt der Gerichtshof erstens aus, dass der Versandhandel für ausländische Apotheken ein wichtigeres bzw. eventuell sogar das einzige Mittel darstellt, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Zweitens kann der Preiswettbewerb für Versan­d­a­po­theken ein wichtigerer Wettbe­wer­bs­faktor sein als für traditionelle Apotheken, die besser in der Lage sind, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfa­ll­ver­sorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Nationale Regelung dient nicht dem Schutz der Gesundheit und des Lebens

Grundsätzlich kann zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden, doch ist die betreffende Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet. Es wurde insbesondere nicht nachgewiesen, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden kann. Im Gegenteil legen einige eingereichte Unterlagen nahe, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde, da Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten.

Belege für Verringerung der Präsen­za­po­theken durch Versan­d­a­po­theken nicht gegeben

Zudem liegen dem Gerichtshof keine Belege dafür vor, dass sich die Versan­d­a­po­theken ohne die betreffende Regelung einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige Leistungen wie die Notfa­ll­ver­sorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsen­za­po­theken in der Folge verringern würde. Andere Wettbe­wer­bs­faktoren wie die individuelle Beratung der Patienten durch Personal vor Ort könnten den traditionellen Apotheken nämlich eventuell dabei helfen, konkurrenzfähig zu bleiben.

Preiswettbewerb mit Versan­d­a­po­theken könnte neue Möglichkeiten für Präsen­za­po­theken bieten

Es könnte sich auch herausstellen, dass für die traditionellen Apotheken, wenn sie sich einem Preiswettbewerb der Versan­d­a­po­theken gegenübersehen, sogar ein Anreiz dazu bestünde, mehr Leistungen im Allge­mein­in­teresse wie die Herstellung von Rezep­tu­r­a­rz­nei­mitteln anzubieten. Ein Preiswettbewerb könnte auch den Patienten Vorteile bringen, da er es gegebenenfalls ermöglichen würde, verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen anzubieten als sie derzeit festgelegt werden.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil23305

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI