21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil19.04.2018

Kleinkind kann durch Vaterschafts­anfechtung deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit verlierenRegelungen des Staats­angehörigkeits­gesetzes stehen im Einklang mit Grundgesetz

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschied, dass ein Kleinkind eine kraft Abstammung durch Geburt erworbene deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit verliert, wenn der deutsche "Scheinvater", der die Vaterschaft zunächst anerkannt hatte, diese erfolgreich anficht, sofern es dadurch nicht staatenlos wird. Die Regelungen des Staats­angehörigkeits­gesetzes und des Bürgerlichen Rechts, aus denen dieser Verlust nach allgemeiner Rechts­über­zeugung abgeleitet wird, stehen bei verfassungs­konformer Auslegung im Einklang mit dem Grundgesetz.

Die 2004 in Deutschland geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens begehrt die Feststellung, deutsche Staatsangehörige zu sein. Ihre Mutter ist serbische Staats­an­ge­hörige; sie besaß zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin keinen Aufent­halt­stitel, sondern wurde seit 1994 fortlaufend geduldet. Vor der Geburt hatte ein deutscher Staats­an­ge­höriger mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft der Klägerin anerkannt. Infolgedessen hatte die Klägerin mit der Geburt aufgrund der Abstammung von einem deutschen Vater die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit erworben (§ 4 Abs. 1 Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz - StAG). Auf eine vom rechtlichen Vater kurz nach der Geburt erhobene Vater­schafts­an­fech­tungsklage entschied das Familiengericht im November 2005 auf Grund eines Abstam­mungs­gut­achtens, dass die Klägerin nicht dessen Tochter sei. Einen im Jahr 2014 gestellten Antrag der Klägerin, festzustellen, dass sie deutsche Staats­an­ge­hörige ist, lehnte der beklagte Landkreis ab.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen.

Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit verstößt nicht gegen Grundgesetz

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht bestätigte diese Entscheidungen. Die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit der Klägerin ist infolge der erfolgreichen Vater­schafts­an­fechtung rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Geburt entfallen, weil damit feststeht, dass sie nicht von einem deutschen Staats­an­ge­hörigen abstammt (§ 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB). Der hierdurch herbeigeführte Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit verstößt nicht gegen Art. 16 Abs. 1 GG. Er stellt keine unzulässige Entziehung der Staats­an­ge­hö­rigkeit dar, weil er auf diskri­mi­nie­rungs­freien Regelungen beruht und die Klägerin in einem Alter getroffen hat, in dem Kinder noch kein Bewusstsein über ihre Staats­an­ge­hö­rigkeit entwickelt haben. Der Verlust findet in § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1, § 1592 Nr. 2 BGB eine hinreichende gesetzliche Grundlage (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG), die dem Zitiergebot des Grundgesetzes nicht unterfällt. Die Verlustregelung lässt sich im Wege der verfas­sungs­kon­formen Auslegung um eine verfas­sungs­rechtlich erforderliche, seinerzeit aber noch nicht vorhandene Altersgrenze sowie um eine Ausnahme für den Fall der Staaten­lo­sigkeit ergänzen. Die Klägerin war im maßgeblichen Zeitpunkt der Vater­schafts­an­fechtung noch im (frühen) Kleinkindalter und ist auch nicht staatenlos geworden.

Gericht verneint unions­recht­lichen Bedenken im Hinblick auf Verlust der Unions­bür­ger­schaft aufgrund des Verlusts der Staats­an­ge­hö­rigkeit

Auf die Vater­schafts­an­fechtung des "Scheinvaters" ist nicht die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 17. Dezember 2013 übertragbar, mit der das Gericht die eingriff­sin­ten­siveren Regelungen zur Anfechtung der Vaterschaft durch Behörden für nichtig erklärt hat. Gegen den mit dem Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit hier verbundenen Verlust der Unions­bür­ger­schaft bestehen auch keine unions­recht­lichen Bedenken.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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