15.11.2024
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Dokument-Nr. 19071

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Urteil28.10.2014BundesgerichtshofXI ZR 348/13 und XI ZR 17/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • jM 2015, 64 (Holger Radke)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 64, Entscheidungsbesprechung von Holger Radke
  • MDR 2015, 46Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 46
  • NJW 2014, 3713Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 3713
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Vorinstanzen zu XI ZR 348/13:
  • Amtsgericht Mönchengladbach, Urteil21.03.2013, 3 C 600/12
  • Landgericht Mönchengladbach, Urteil04.09.2013, 13 S 127/13
Vorinstanzen zu XI ZR 17/14:
  • Amtsgericht Stuttgart, Urteil24.07.2013, 13 C 2949/13
  • Landgericht Stuttgart, Urteil18.12.2013, 13 S 127/13
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.10.2014

Formularmäßig vereinbarte Darlehens­bearbeitungs­ent­gelte in Verbraucher­kredit­verträgen zwischen den Jahren 2004 und 2011 können zurückverlangt werdenVereinbarung von Bearbeitungs­ent­gelten in AGBs für Verbraucher­kredit­verträge unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hatte in zwei Entscheidungen erstmals über die Frage des Verjäh­rungs­beginns für Rück­forderungs­ansprüche von Kreditnehmern bei unwirksam formularmäßig vereinbarten Darlehens­bearbeitungs­ent­gelten zu entscheiden. Danach begann die kennt­ni­s­ab­hängige dreijährige Verjäh­rungsfrist nach § 195 BGB* i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB** für früher entstandene Rück­forderungs­ansprüche erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen, weil Darle­hens­nehmern die Erhebung einer entsprechenden Rückfor­de­rungsklage nicht vor dem Jahre 2011 zumutbar war.

In den beiden zugrunde liegenden Verfahren begehren die Kläger von den jeweils beklagten Banken die Rückzahlung von Bearbei­tungs­ent­gelten, die die Beklagten im Rahmen von Verbrau­cher­da­r­le­hens­ver­trägen formularmäßig berechnet haben.

Bank berechnet für Darle­hens­verträge jeweils Bearbei­tungs­gebühr

Im Verfahren XI ZR 348/13 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Dezember 2006 einen Darlehensvertrag über 7.164,72 Euro ab. Die Beklagte berechnete eine "Bearbei­tungs­gebühr inkl. Auszahlungs- und Bereit­stel­lungs­entgelt" von 189,20 Euro. Im Oktober 2008 schlossen die Parteien einen weiteren Darle­hens­vertrag über 59.526,72 Euro ab. Die Beklagte berechnete wiederum eine "Bearbei­tungs­gebühr inkl. Auszahlungs- und Bereit­stel­lungs­entgelt", die sich in diesem Falle auf 1.547,10 Euro belief. Im Juni/Juli 2011 wurde ein dritter Darle­hens­vertrag über 12.353,04 Euro geschlossen, wobei die Beklagte eine 3,5 prozentige "Bearbei­tungs­gebühr" in Höhe von 343 Euro berechnete.

Kläger verlangt Erstattung der von ihm gezahlten Bearbei­tungs­entgelte

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung dieser Bearbei­tungs­entgelte. Mit seiner im Dezember 2012 bei Gericht eingereichten Klage hat er ursprünglich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 2.079,30 Euro erstrebt. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.015,96 Euro - darin enthalten das Bearbeitungsentgelt für das im Jahre 2011 gewährte Darlehen sowie ein Teil des Bearbei­tungs­entgelts für das im Jahr 2008 aufgenommene Darlehen - anerkannt; im Übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung. Wegen des von der Beklagten nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung ist die Klage in den Vorinstanzen, die vom Verjäh­rungs­eintritt ausgegangen sind, erfolglos geblieben.

Auch Kläger des Verfahrens XI ZR 17/14 verlangt Erstattung der Bearbei­tungs­entgelte

Im Verfahren XI ZR 17/14 schloss der dortige Kläger mit der dortigen Beklagten im Februar 2008 einen Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag über einen Netto­kre­dit­betrag von 18.500 Euro ab. Die Beklagte berechnete ein Bearbei­tungs­entgelt in Höhe von 555 Euro, das der Kläger mit seiner im Jahre 2013 erhobenen Klage zurückfordert; die Beklagte erhebt ebenfalls die Verjäh­rungs­einrede. Die Rückfor­de­rungsklage war hier in beiden Vorinstanzen erfolgreich.

Verfahren XI ZR 348/13: BGH verurteilt Bank zur Rückzahlung der Bearbei­tungs­entgelte

Der Bundes­ge­richtshof hat im Verfahren XI ZR 348/13 auf die Revision des klagenden Kreditnehmers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank zur Zahlung auch des von ihr nicht anerkannten Restbetrags der Klageforderung verurteilt.

Im Verfahren XI ZR 17/14 ist die Revision der dort beklagten Bank erfolglos geblieben.

Streitige Bearbei­tungs­entgelte wurden ohne rechtlichen Grund erlangt

In beiden Rechtsstreiten sind die Berufungs­ge­richte im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die jeweilige Beklagte die streitigen Bearbei­tungs­entgelte durch Leistung der Klagepartei ohne rechtlichen Grund erlangt hat, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB***. Die Vereinbarung von Bearbei­tungs­ent­gelten in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen für Verbrau­cher­kre­dit­verträge ist, wie der Bundes­ge­richtshof mit seinen beiden Urteilen vom 13. Mai 2014 entschieden hat, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB**** unwirksam. Diese Rechtsprechung gilt auch für die hier streit­ge­gen­ständ­lichen Entgelt­re­ge­lungen.

BGH verneint Verjährung der Rückzah­lungs­ansprüche

Die Rückzah­lungs­ansprüche beider Kläger sind zudem nicht verjährt; die gegenteilige Annahme der Vorinstanzen in der Sache XI ZR 348/13 ist unzutreffend. Berei­che­rungs­ansprüche verjähren nach § 195 BGB grundsätzlich in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger eines Berei­che­rungs­an­spruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchs­be­grün­denden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Nicht erforderlich ist hingegen in der Regel, dass er aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann aber die Rechts­un­kenntnis des Gläubigers den Verjäh­rungs­beginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchst­rich­terliche Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjäh­rungs­beginn. Angesichts des Umstands, dass Bearbei­tungs­entgelte in "banküblicher Höhe" von zuletzt bis zu 2 % von der älteren Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs gebilligt worden waren, war Darle­hens­nehmern vorliegend die Erhebung einer Rückfor­de­rungsklage erst zumutbar, nachdem sich im Laufe des Jahres 2011 eine gefestigte oberlan­des­ge­richtliche Rechtsprechung herausgebildet hatte, die Bearbei­tungs­entgelte in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen beim Abschluss von Verbrau­cher­da­r­le­hens­ver­trägen missbilligte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 03.05.2011 - 17 U 192/10; OLG Dresden, Urteil v. 29.09.2011 - 8 U 542/11). Seither musste ein rechtskundiger Dritter billigerweise damit rechnen, dass Banken die erfolgreiche Berufung auf die ältere Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs künftig versagt werden würde.

Nur vor oder im Jahr 2004 entstandene Rückfor­de­rungs­ansprüche sind verjährt

Ausgehend hiervon sind derzeit nur solche Rückfor­de­rungs­ansprüche verjährt, die vor dem Jahr 2004 oder im Jahr 2004 vor mehr als 10 Jahren entstanden sind, sofern innerhalb der absoluten - kennt­ni­su­n­ab­hängigen - 10jährigen Verjäh­rungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB vom Kreditnehmer keine verjäh­rungs­hem­menden Maßnahmen ergriffen worden sind.

* § 195 BGB

Erläuterungen
Die regelmäßige Verjäh­rungsfrist beträgt drei Jahre.

** § 199 BGB

(1) Die regelmäßige Verjäh­rungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjäh­rungs­beginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.der Anspruch entstanden ist und

2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) [...]

(3) [...]

(3a) [...]

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) [...]

*** § 812 BGB

1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. [...]

(2) [...]

**** § 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. [...]

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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