18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 18206

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Urteil13.05.2014BundesgerichtshofXI ZR 405/12 und XI ZR 170/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2014, 529Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2014, Seite: 529
  • jM 2015, 64 (Holger Radke)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 64, Entscheidungsbesprechung von Holger Radke
  • MDR 2014, 912Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 912
  • NJW 2014, 2420Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2420
  • NJW-RR 2014, 1133Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2014, Seite: 1133
  • WM 2014, 1224Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2014, Seite: 1224
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Vorinstanzen zu XI ZR 405/12 :
  • Landgericht Dortmund, Urteil03.02.2012, 25 O 519/11
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil17.09.2012, 31 U 60/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.05.2014

Allgemeine Geschäfts­bedingungen über ein Bearbei­tungs­entgelt für Privatkredite unwirksamKunden werden durch Erhebung eines lauf­zeit­unabhängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbraucher­darlehens entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein Bearbei­tungs­entgelt in Darle­hens­ver­trägen zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.

Im Verfahren XI ZR 405/12 macht der klagende Verbrau­cher­schutz­verein gegenüber der beklagten Bank im Wege der Unter­las­sungsklage die Unwirksamkeit der im Preisaushang der Beklagten für Privatkredite enthaltenen Klausel

Erläuterungen
"Bearbei­tungs­entgelt einmalig 1 %" geltend. Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich.

Im Verfahren XI ZR 170/13 begehren die Kläger als Darlehensnehmer von der beklagten Bank aus ungerecht­fer­tigter Bereicherung die Rückzahlung des von der Beklagten beim Abschluss eines Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrags berechneten Bearbei­tungs­entgelts. Die Parteien schlossen im März 2012 einen Online-Darle­hens­vertrag. Dazu hatten die Kläger die von der Beklagten vorgegebene und auf deren Internetseite eingestellte Vertragsmaske ausgefüllt, die u. a. folgenden Abschnitt enthielt:

"Bearbei­tungs­entgelt ... EUR

Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapita­l­über­lassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestandteil des Kredit­nenn­be­trages. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darle­hens­be­trages fällig und in voller Höhe einbehalten."

Die Höhe des Bearbei­tungs­entgelts war von der Beklagten sodann mit 1.200 Euro berechnet und in das Vertrags­formular eingesetzt worden. Die auf Rückzahlung dieses Betrages nebst entgangenem Gewinn, Verzugszinsen und Ersatz der Rechts­an­walts­kosten gerichtete Klage ist - bis auf einen kleinen Teil der Zinsen - ebenfalls in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen.

Bestimmungen über Bearbei­tungs­entgelt halten gerichtlicher Inhalts­kon­trolle nicht stand

In beiden Verfahren hat der Bundes­ge­richtshof die Revisionen der beklagten Kreditinstitute zurückgewiesen. Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das Bearbei­tungs­entgelt unterliegen der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* und halten dieser - wie die Berufungs­ge­richte zutreffend entschieden haben - nicht stand.

Auch streit­ge­gen­ständ­lichen Regelung im Paral­lel­ver­fahren ist Allgemeine Geschäfts­be­dingung im Sinne von § 307 BGB

Wie in der Parallelsache XI ZR 405/12 handelt es sich auch bei der im Verfahren XI ZR 170/13 streit­ge­gen­ständ­lichen Regelung um eine - von der beklagten Bank gestellte - Allgemeine Geschäfts­be­dingung im Sinne von § 307 BGB. Dafür ist ausreichend, wenn das Entgelt, wie dies hier nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts beim Abschluss der Online-Darle­hens­verträge der Fall war, zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung in Vertragstexte "im Kopf" des Kreditinstituts als Klausel­ver­wender gespeichert ist, anhand der Daten des individuellen Darle­hens­ver­trages errechnet und sodann in ein Leerfeld in der Vertragsurkunde eingesetzt wird.

Entgeltklauseln stellen eine der Inhalts­kon­trolle zugängliche Preis­ne­be­n­abrede dar

Die beiden beanstandeten Entgeltklauseln stellen ferner keine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreien Preisabreden, sondern vielmehr der Inhalts­kon­trolle zugängliche Preis­ne­be­n­a­breden dar. Ausgehend von der jeweils ausdrücklichen Bezeichnung als "Bearbei­tungs­entgelt" haben die Berufungs­ge­richte aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht gebildeten Durch­schnitts­kunden rechts­feh­lerfrei angenommen, dass die beklagten Banken ein zusätzliches Entgelt zur Abgeltung ihres Bearbei­tungs­auf­wandes im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Auszahlung der Darlehensvaluta verlangten; dass im Verfahren XI ZR 170/13 ausweislich des Darle­hens­ver­trages das Bearbei­tungs­entgelt für die "Kapita­l­über­lassung" geschuldet wird, steht dem bei der gebotenen kunden­feind­lichsten Auslegung nicht entgegen.

Banken wälzen Kosten zu Unrecht auf Kunden ab

Gemessen hieran ist das Bearbei­tungs­entgelt weder kontrollfreie Preis­haupt­abrede für die vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten. Beim Darle­hens­vertrag stellt der gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB** vom Darlehensnehmer zu zahlende Zins den laufzeit­ab­hängigen Preis für die Kapitalnutzung dar; aus Vorschriften des Gesetzes- und Verord­nungs­rechts - insbesondere soweit darin neben Zinsen von "Kosten" die Rede ist - ergibt sich nichts Abweichendes. Mit einem laufzei­t­u­n­ab­hängigen Entgelt für die "Bearbeitung" eines Darlehens wird indes gerade nicht die Gewährung der Kapita­l­nut­zungs­mög­lichkeit "bepreist". Das Bearbei­tungs­entgelt stellt sich auch nicht als Vergütung für eine sonstige, rechtlich selbständige, gesondert vergü­tungs­fähige Leistung der Beklagten dar. Vielmehr werden damit lediglich Kosten für Tätigkeiten (wie etwa die Zurver­fü­gung­s­tellung der Darlehenssumme, die Bearbeitung des Darle­hens­an­trages, die Prüfung der Kundenbonität, die Erfassung der Kundenwünsche und Kundendaten, die Führung der Vertrags­ge­spräche oder die Abgabe des Darle­hens­an­gebotes) auf die Kunden der Beklagten abgewälzt, die die Beklagten im eigenen Interesse erbringen oder auf Grund bestehender eigener Rechtspflichten zu erbringen haben.

Klauseln für Bearbei­tungs­entgelte halten Inhalts­kon­trolle nicht stand

Der danach eröffneten Inhalts­kon­trolle halten die streitigen Klauseln nicht stand. Sie sind vielmehr unwirksam, weil die Erhebung eines laufzei­t­u­n­ab­hängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbrau­cher­da­r­lehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB haben die Beklagten anfallende Kosten für die Kredit­be­a­r­beitung und -auszahlung durch den laufzeit­ab­hängig bemessenen Zins zu decken und können daneben kein laufzei­t­u­n­ab­hängiges Bearbei­tungs­entgelt verlangen. Gründe, die die angegriffenen Klauseln bei der gebotenen umfassenden Inter­es­se­n­ab­wägung gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, haben die Beklagten weder dargetan noch sind solche ersichtlich. Insbesondere vermögen bankbe­trie­bs­wirt­schaftliche Erwägungen die Erhebung eines laufzei­t­u­n­ab­hängigen Bearbei­tungs­entgelts nicht zu rechtfertigen, zumal mit einem laufzei­t­u­n­ab­hängigen Bearbei­tungs­entgelt in Verbrau­cher­da­r­le­hens­ver­trägen nicht bloß unerhebliche Nachteile für die Kunden bei der Vertrags­ab­wicklung verbunden sind.

Verfas­sungs­rechtliche Erwägungen stehen gerichtlicher Auffassung nicht entgegen

Verfas­sungs­rechtliche Erwägungen stehen der Annahme, dass Bearbei­tungs­entgelte in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen unwirksam seien, ebenso wenig entgegen wie das Unionsrecht einem AGB-rechtlichen Verbot formularmäßig erhobener Bearbei­tungs­entgelte Grenzen setzt.

Bank hat auch im Wege ergänzender Vertrags­aus­legung keinen Anspruch auf Zahlung des nicht wirksam vereinbarten Bearbei­tungs­entgelts

Im Verfahren XI ZR 170/13 hat der Bundes­ge­richtshof - insoweit über den Streitstoff der der Parallelsache XI ZR 405/12 zugrunde liegenden Unter­las­sungsklage hinausgehend - weiter ausgeführt, dass der dortigen Beklagten auch nicht im Wege ergänzender Vertrags­aus­legung ein Anspruch auf Zahlung des nicht wirksam vereinbarten Bearbei­tungs­entgelts gegen die Kläger zugebilligt werden kann. Zudem ist der im Verfahren XI ZR 170/13 streit­ge­gen­ständliche Berei­che­rungs­an­spruch der dortigen Kläger nicht gemäß § 814 Fall 1 BGB*** ausgeschlossen.

* § 307 BGB

Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 488 BGB

(1) Durch den Darle­hens­vertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) [...]

(3) [...]

*** § 814 BGB

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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